Ist es in Ordnung, sich angesichts der Gräueltaten in Butscha und der humanitären Katastrophe in Mariupol mit der Börse zu beschäftigen? Hat die Satire-Zeitschrift „Postillion“ nicht irgendwie recht, wenn sie schreibt: „Wegen der Ukraine besorgt um den Kurs Ihrer Aktien? So ohrfeigen Sie sich am besten selbst.“
Wir müssen gestehen: Wir tun uns im Moment schwer damit, uns angesichts eines Kriegs in Europa auf Fragen von Portfoliokonstruktion und Wertpapiertransaktionen zu konzentrieren. Und dennoch: Am Ende ist es unsere Pflicht als Honorarberater, Menschen vor gravierenden Fehlentscheidungen zu schützen und zu verhindern, dass unbedachtes Verhalten Vermögensschäden anrichtet.
Teil von Putins Kriegsstrategie ist es ja auch, uns einzuschüchtern und uns Angst zu machen. Wir sollten nicht zulassen, dass das dazu führt, Ihren Lebensstandard zu gefährden.
Was bedeutet der Ukraine-Krieg für Ihr Vermögen
Am Ende können auch wir nicht beurteilen, wie stark der Krieg unsere Wirtschaft, geschweige denn die Weltwirtschaft treffen wird. Darüber denken jeden Tag wesentlich qualifiziertere Menschen nach. Und auch die sind am Ende relativ ratlos – nur auf deutlich höherem Niveau.
Dasselbe gilt natürlich umso mehr für Prognosen zum künftigen Verlauf der Börsen. Wird es einen Absturz an den Aktienmärkten geben? Und wenn ja, wann? Morgen, nächste Woche oder in ein paar Monaten? Hier zu meinen, man könne durch kluge Modellierung und Szenario-Rechnungen einen relevanten Informationsvorsprung gegenüber den anderen Marktteilnehmern erreichen, ist irgendwas zwischen rührend naiv und ganz schön dämlich.
Es spricht viel dafür, dass es weiter steigende Energiepreise geben wird und damit auch eine Fortsetzung oder Verschärfung der Inflation. Vor allem, wenn sich der Westen (endlich) doch noch entscheidet, ein zumindest teilweises Energieembargo durchzusetzen. Es wird eine Weile dauern, bis die Infrastruktur für neue Energieimporte steht. Aber am Ende gibt es da draußen mehr Öl, Kohle und Gas, als unsere Erde angesichts des Klimawandels noch verträgt.
Zudem sind weder die Ukraine noch Russland relevante Größen, wenn es um den Beitrag zum weltweiten Bruttosozialprodukt oder zur weltweiten Marktkapitalisierung der Aktienmärkte geht.
Nur: Was machen wir mit diesen Informationen? Die sind ja heute schon Teil der Kursbildung. Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten, ist nicht nur unmöglich – es ist grundfalsch.
Die Nerven bewahren und nachkaufen
Solange es keinen Atomkrieg gibt, wird der Ukraine-Konflikt nicht das Ende der freien Marktwirtschaft sein. Wir sollten uns derzeit in erster Linie Sorgen um Menschen machen, die heute mitten in Europa wieder Krieg erleben (und hoffentlich überleben).
Unser Geld und unser Wohlstand sind dagegen nicht wirklich in Gefahr. Die aktuellen Kursschwankungen sind keine Katastrophe – es fühlt sich höchstens ein bisschen so an. Selbst wenn der Markt noch einmal richtig abschmiert, werden sich nach dem ersten Schock und nach der akuten Krise die Kapitalmärkte – wie immer – erholen. Aus Angst zu verkaufen, ist immer der große Fehler.
Was Anleger bei heftigeren Korrekturen machen sollten? Beherzt nachkaufen! Wenn Sie Geld auf der Seite haben, ist das dann der Zeitpunkt, um zu investieren. Nicht, weil Sie oder wir wissen, dass es sofort wieder aufwärts geht und das Schlimmste schon vorbei ist. Sondern aus einer ganz einfachen und grundsätzlichen Überlegung: Wenn es richtig ist, breit gestreut in den weltweiten Kapitalmarkt zu investieren, dann ist es das umso mehr, wenn die Preise gerade günstiger sind.
Wenn Ihr Depot rational konstruiert ist, wenn Sie sich Wetten auf Einzelwerte und Branchen verkniffen haben und stattdessen ein international sauber diversifiziertes ETF-Portfolio haben, sind temporäre Verluste kein Unglück. Dann hat Ihr Portfolio übrigens auch seit Kriegsbeginn fast keine Verluste erlitten.
Umgekehrt gilt entsprechend: Wenn Sie dieses Jahr spürbare Verluste im Portfolio haben, dann ist das ein recht deutliches Zeichen dafür, dass Sie sich vorher nicht sauber genug aufgestellt haben. Entweder, weil Ihr Portfolio zu europa- und deutschlandlastig ist oder weil Sie Wetten auf amerikanische Tech-Konzerne abgeschlossen hatten und Sie die massiven Einbrüche bei Netflix und Meta deutlich vor Kriegsbeginn kalt erwischt haben.
Helfen Sie den ukrainischen Geflüchteten
Und wenn Sie etwas tun wollen, was Ihnen und Ihren vielleicht strapazierten Nerven gut tut: Engagieren Sie sich für die ukrainischen Geflüchteten. Spenden Sie Geld, Zeit oder Wohnraum. Vielen Flüchtlingen ist oft schon mit einem Unterschlupf für ein paar Tage geholfen.
Alles Liebe,
Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun
P. S.: Mehr zum Thema rationale Anlagestrategien, Strategien zum Vermögensaufbau, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung und in Nikolaus Brauns Finanzratgeber: „Über Geld Nachdenken“.
Drei unserer Lieblingsblogs, die Ihnen helfen, in Krisenzeiten gelassen zu bleiben: