Die Inflation steigt – überrollt uns die Teuerungswelle?
28.03.2022    Arne Gottschalck
  • Drucken

Trotz der Auseinandersetzung in der Ukraine, trotz des internationalen Entsetzens darüber, trotz der davon ausgelösten Kurskapriolen bleibt die I-Frage virulent: Wie umgehen mit der auch durch den Krieg steigenden Inflation? Mit der sei es bekanntlich wie mit Zahnpasta – ist sie erst einmal aus der Tube, bekommt man sie nur schwer zurück. Das sagte 1980 der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl. Ein paar Jahrzehnte später zeigt sich nun, wie recht er hatte. 

Die aktuelle Entwicklung hat massive Folgen für jeden, der Geld zurücklegt. Wer ein Vermögen von 100.000 Euro beiseitegelegt hat und bei einer Inflation von zwei Prozent fünf Jahre liegen lässt, hat am Ende dieses Zeitraums nur noch eine Kaufkraft von knapp 90.000 Euro. Bei einer Inflation von fünf Prozent verbleiben lediglich gut 78.000 Euro. „Selbst eine moderate Inflation von drei Prozent im Jahr halbiert den Wert des Geldes in 24 Jahren“, rechnet Michael Rosen von Angeles Investments und Angeles Wealth beim TV-Sender CNBC vor.

Inflation lässt Vermögenswerte förmlich dahinschmelzen

Mit anderen Worten: Man kann dem Ersparten beim Schwinden zusehen. Umgekehrt können Kreditnehmer sich die Hände reiben. Denn immerhin schrumpft mit der Geldentwertung ein nominell festgelegter Kreditbetrag über die Jahre.

Bedeutet also, Anleger müssen gegen die Inflation aninvestieren. Doch während diese Aufgabe in Zeiten hoher Leitzinsen problemlos machbar schien, braucht es heute einen anderen Ansatz. Das zeigen zum Beispiel Zahlen der Bundesbank. Im Juni 1998 lag die Inflation bei 0,5 Prozent. Und auf dreimonatige Bankeinlagen wurden 1,2 Prozent gezahlt. Unter dem Strich blieb also ein Plus von 0,7 Prozent – und das ohne Risiko. Ende 2021 lag die Inflation bei 5,3 Prozent; gezahlt wurde nichts auf Einlagen – im Gegenteil: Es war ein Minusgeschäft. Wenn die Inflation nur ein vorübergehendes Phänomen wäre, kein Problem. Doch danach sieht es derzeit nicht aus, mahnen Experten.

Etwa Nicolai Tangen, der Mann, der seit Herbst 2020 an der Spitze des norwegischen Staatsfonds steht. „Stärker als im Allgemeinen erwartet“, so spricht er leicht skandinavisch unterkühlt von der Geld­entwertung. „Man sieht sie überall: Ikea hat die Preise um neun Prozent angehoben, Nahrungsmittel wurden teurer, Metalle (…).“ Und er sieht das keinesfalls als einen vorübergehenden Effekt an.

Auf eine konkrete Zahl will sich Philipp Vorndran von der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch nicht fest­legen lassen. Wichtiger ist: „Es reicht zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeit eines nachhaltigen Inflationsanstiegs relativ hoch ist.“ Das große Fressen hat begonnen, könnte man daher sagen.

Neues Problem, alte Lösung

Die Stoßrichtung ist deshalb klar, zumindest für Vorndran: investieren – aber „in Häuser, Unternehmen, Gold oder meinetwegen Kühlschränke. Hauptsache in Sachwerte“, sagte er etwas überspitzt in einem Interview. Und etwas ernsthafter: „So oder so brauchen Anleger in Zeiten negativer Realzinsen erstklassige Sachwerte, wenn sie ihr Vermögen mittelfristig zumindest erhalten wollen.“

Sachwerte sind bekanntlich Aktien, Rohstoffe, Immobilien, aber auch Private Equity. Mit Blick auf Aktien gilt: Nicht jedes Papier hilft gegen die Geldentwertung. Gefragt sind vielmehr Unternehmen mit „pricing power“ – der Macht also, die Mehrkosten etwa für Rohstoffe oder Vorprodukte einfach an die Kunden weiter­zuleiten. „Unternehmen, die diese Stärke besitzen, sind in der Regel nur einem überschaubaren Konkurrenzdruck ausgesetzt“, schreibt Frank Fischer von der Fondsboutique Shareholder Value. „Sie haben einen ‚Burggraben‘ um ihre Geschäftsmodelle errichtet. Das sind etwa Patente oder eine herausragende Marktstellung.“

Andere Experten sind etwas skeptischer, was Aktien angeht. Die klassischen In­strumente sind stumpf geworden, findet zumindest Tangen. „Es trifft Anleihen und Aktien gleichzeitig“, sagt er. „Für die kommenden Jahre trifft die Situation beide.“ Bei Anleihen liegt das auf der Hand, bei Aktien weniger. Seine Begründung fußt auf den Bewertungen: „Mit extrem niedrigen Leitzinsen, einem sehr hohen Aktienmarkt und mit steigender (…) Inflation – wir könnten eine lange Periode mit niedrigen Erträgen vor uns haben.“

Von den Großen lernen

Kein Wunder also, wenn Profianleger wie etwa Staatsfonds nach Alternativen abseits des Anlage-Mainstreams schauen. Und fündig werden etliche bei alternativen Investments. Eine Erhebung von State Street Global Advisors zeigt, dass 2012 diese Fonds, die den Wohlstand eines Landes verwalten, nur etwas mehr als zwölf Prozent ihrer Gelder in „Private Markets“ investiert haben. Bereits 2018 waren es über 28 Prozent. 

Auch David Schäfer, Managing Director bei Munich Private Equity Partners, beobachtet diesen Trend. „In den letzten zehn Jahren ist die Nachfrage nach Private Equity kontinuierlich und stark gewachsen. Dem Analysehaus Preqin zufolge hat sich das verwaltete Kapital etwa seit 2015 bis heute mehr als verdoppelt. Die Branchenspezialisten erwarten eine weitere Verdopplung bis 2026. Ein wichtiger Treiber der Nachfrage war und ist weiterhin das anhaltende Niedrigzinsumfeld. Private Equity hat in der Vergangenheit zuverlässig gute Renditen geboten. Investoren haben daher stetig den Portfolioanteil erhöht, um ihre benötigten Erträge zu erzielen. Private Equity korreliert zudem vergleichsweise weniger mit anderen Anlageklassen; damit verbessert eine Investition das Risiko-Ertrags-Profil des Gesamtportfolios.“

Besonders gefragt? Kleine und mittelgroße Firmen. Die Gründe: „Private-Equity-Fondsmanager haben häufig eine ganze Reihe an Optionen, ein erworbenes Unternehmen operativ und strategisch weiter­zuentwickeln, also aktiv einen Mehrwert zu schaffen. So dient der Einstieg oft auch als wichtiger Wachstumsimpuls im Unternehmen. Zudem sind die Einstiegspreise im Mittelstand vergleichsweise attraktiv, da es in diesem Segment eine deutlich höhere ­Anzahl möglicher Investitionsobjekte gibt.“

Streuung als Mittel gegen die Inflation?

Kein Wunder: Zwar schätzen viele Experten, dass die 60-40-Allokation Geschichte ist – also die Aufteilung in 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen. Die Investmentgruppe AQR zum Beispiel gibt an, dass so ein Portfolio nach Inflation in den kommenden fünf bis zehn Jahren nur noch für 2,1 Prozent im Jahr gut sei.

Schon vor Jahren hatte der inzwischen verstorbene David Swensen Kritik an dem Ansatz formuliert. Er hatte 1985 die Hoheit über den Stiftungsfonds der US-Elite-Universität Yale übernommen und sich vom 60-40-Ansatz verabschiedet – zugunsten von illiquiden Anlagen wie etwa Private Equity. Allerdings sind die nicht ohne Weiteres jedem Anleger zugänglich. 

Doch Swensen hat auch da einen Rat: breit streuen über die jedermann zugänglichen Anlageklassen. Anleihen, Immobilien – und eben auch Aktien. Die meisten Staatsfonds halten Aktien als Schwerpunkt die Treue; 2018 lag die durchschnittliche Allokation bei rund 38 Prozent.

Mit anderen Worten: Das Aufkommen der Inflation bedeutet nicht, dass man nun alle Lehren der Geldanlage über den Haufen werfen sollte – insbesondere nicht die Lehre zu streuen. Die Inflation, sie ist nun mal da. Höchste Zeit also, sich darum zu kümmern, um nicht von der Teuerungs­welle überrollt zu werden.

28.03.2022    Arne Gottschalck
  • Drucken
Zur Startseite