Steigende Energiepreise lassen nicht automatisch das Vermögen wachsen
11.03.2022    Arne Gottschalck
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Jim Rogers hatte doch recht. Gefühlt seit Jahrzehnten rühmt der US-amerikanische Starinvestor Rohstoffe – Edelmetalle, Agrarrohstoffe und eben auch Energieträger wie Gas oder Öl. Rohstoffe seien derzeit für Anleger „the best place to be“, sagte Rogers kürzlich mit Blick auf die Krise in der Ukraine.

Kein Wunder: Seit Beginn des Jahres sind die Preise etwa für Nickel um rund 25 Prozent gestiegen. Öl notiert auf einem Neunjahreshoch. Und auch bei Gas kennt der Kurs nur eine Richtung.

Wer nun aber glaubt, quasi über die Wertsteigerungen an der Börse die steigenden Heizkosten kompensieren zu können, der irrt – und zwar gewaltig. Das liegt unter anderem an zwei Charakteristika der entsprechenden Finanzprodukte.

Exchange Traded Commodities bieten keine Streuung

ETF, das Kürzel steht für Exchange Traded Funds, sind für viele Anleger inzwischen Standard. Hier handelt es sich um passive Fonds, die die Wertentwicklung eines Börsenindex nachvollziehen. Ändert sich die Zusammensetzung von Dax & Co., ändert sich also auch der ETF.

Wenn sich der Kursverlauf eines Index so einfach spiegeln lässt, müsste das eigentlich auch mit Rohstoffen gehen, dachten sich findige Köpfe in der Finanzindustrie – und präsentierten Exchange Traded Commodities (ETC). Anders als ETF, die von Gesetz wegen ein gewisses Mindestmaß an Streuung bieten müssen, bilden ETC lediglich die Wertentwicklung eines bestimmten Rohstoffs ab.

Dabei punkten ETC vor allem mit einer Eigenschaft: Zur „Lagerung“ der damit gekauften Rohstoffe genügt ein Depot. Denn während Gold in Form von Münzen oder Barren sich physisch noch unterbringen ließe, ist das bei Erdöl, Weizen oder Soja nicht mehr der Fall. Praktischer ist daher der Papier-Rohstoff, eben als ETC oder als Zertifikat.

Diese bilden allerdings nicht den Spot-Preis etwa von Öl unterschiedlicher Sorten nach, wie er beispielsweise kurz vor der Tagesschau thematisiert wird. Stattdessen arbeiten die Anbieter dieser Investmentvehikel in aller Regel mit Futures oder Terminkontrakten. Das sind Verträge, die festlegen, wann welcher Rohstoff geliefert werden soll. Allerdings deckt sich die Preisentwicklung von Futures nicht immer mit dem Spot-Preis. So können etwa Lagergebühren dazu führen, dass der Futures-Preis über dem Spot-Kurs liegt.

Rohstoff-Investments sind komplex

Dazu kommt: Weil der Anleger die Lieferung eines Rohstoffs nicht wünscht, tauschen die Finanzhäuser quasi den alten Future im ETC gegen einen neuen. Im Finanzjargon heißt das: Er wird „gerollt“. Der Anbieter verkauft dazu den alten Kontrakt und kauft einen neuen. Was sich so mechanisch-einfach liest, ist in der Praxis nicht ohne.

Denn es ist nicht gesagt, dass der Preis des neuen Futures unter dem Erlös des alten liegt. Im Gegenteil: Ist der neue Kontrakt teurer, muss der Anleger quasi draufzahlen. In diesem Fall spricht man von der Contango-Situation, bei der es zu Rollverlusten kommt. Die gegenteilige Situation ist die Backwardation, die in Rollgewinnen mündet.

Des Weiteren sind Rohstoffmärkte Dollarmärkte. Für Euro-Investoren bringt das ein zusätzliches Fragezeichen mit sich.

Steigende Energiepreise lassen nicht automatisch das Vermögen wachsen

Beides – die Futures als Basis und die Notwendigkeit, zu „rollen“ – kann dazu führen, dass das Gas- oder Ölinvestment nicht so läuft wie erhofft.

Anders gefasst: Zur Wertentwicklung tragen eben nicht nur der Spot-Preis, sondern auch die Rollrendite bei. Viele Anbieter setzen dazu auf rolloptimierte ETC. Keine leichte Aufgabe für Anleger also, da das passende Angebot herauszusuchen. Jim Rogers? Hat mit seiner Liebe zu Rohstoffen vermutlich Recht. Nur ohne weiteres lässt sich von seiner Einschätzung leider nicht profitieren…

11.03.2022    Arne Gottschalck
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