Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ Dieses sinngemäß vielfach dem chinesischen Philosophen Laotse zugeschriebene Sprichwort hat auch eine Bedeutung für heutige Anleger, die erwägen, in Aktien aus dem Reich der Mitte zu investieren. Da der breiten Öffentlichkeit wenig über große und noch weniger über kleinere Aktiengesellschaften aus China bekannt ist, gilt es zunächst, Informationen über infrage kommende Firmen unter die Lupe zu nehmen. Wer global unter Berücksichtigung der ökonomischen Bedeutung der Regionen anlegen will, kommt an China nicht vorbei. Immerhin stellt die Volksrepublik nach den USA und mit weitem Vorsprung vor Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dar. Nach Zahlen von Statista belief sich das chinesische Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr auf knapp 17,7 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Deutschland erzielte 2023 eine Wirtschaftsleistung von etwa 4,5 Billionen Euro.
Das Reich der Mitte ist auch am globalen Aktienmarkt eine große Nummer: „China ist nicht nur die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, sondern auch mit 32 Prozent im Schwellenländer Aktienindex MSCI Emerging Markets gewichtet“, sagt Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Insofern solle man das Land nicht unberücksichtigt lassen. Jedoch werde China immer noch als „Schwellenland“ geführt, weil der Markt nicht frei zugänglich ist und die Währung nicht frei konvertierbar, so Stephan. Der staatlichen Einflussnahme sollten sich potenzielle Investoren bewusst sein. Dies gelte auch für Handelshemmnisse der westlichen Welt.
Anlegerinnen und Anleger müssen Risiken bei chinesischen Aktien beachten
Staatseingriffe und Handelseinschränkungen wie die jüngst von der EU beschlossenen Strafzölle auf chinesische E-Fahrzeuge sind nicht die einzigen Risiken, die seit geraumer Zeit den Aktienmarkt im Reich der Mitte belasten und so etwa den Höhenflug des Hongkonger Aktienindex Hang Seng stoppten (siehe Grafik unten). Stephan: „Der chinesische Aktienmarkt hat nicht gut performt. In den vergangenen zwölf Monaten ist der Aktienindex MSCI China leicht gefallen, während der Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets und der MSCI World kräftig zulegen konnten.“
Volatilität und Unsicherheit als ständige Begleiter
Weitere Hemmschuhe sind unter anderen der stark ins Wanken geratene Immobilienmarkt, die oft deutlich schwankenden Aktienkurse, eine mangelnde Transparenz der börsennotierten Unternehmen, die Wechselkursrisiken der chinesischen Währung Yuan und nicht zuletzt der schwelende Konflikt um Taiwan. Doch will Stephan den chinesischen Aktienmarkt nicht abschreiben: „Sollte es gelingen, die Konjunktur anzukurbeln, könnte sich eine gewisse Erholung bei chinesischen Aktien einstellen. Vor diesem Hintergrund wären chinesische Industriewerte, der nichtzyklische Konsum und Technologie interessant.“ Aber die Erholung lässt auf sich warten. Der Binnenmarkt läuft schwach, der Export kommt zunehmend unter Druck. So zeigt sich Stephan zurzeit skeptisch.
Chinas Börsen haben einige Schwergewichte zu bieten. Da ist etwa Alibaba, ein E-Commerce-Player mit einer marktstarken B2B-Plattform, dem Bezahldienst Alipay sowie Cloud-Services. In letzterem Bereich liefert sich Alibaba eine Wettbewerbsschlacht mit einem weiteren China-Riesen: Tencent, dessen Kurs auf Sechsmonatssicht um rund 40 Prozent zulegen konnte. Tencent ist ein Tech-Konglomerat mit nach eigenen Angaben mehr als einer Milliarde Kunden weltweit und notierte zuletzt zu einem 2024er-Kurs- Gewinn-Verhältnis von rund 20.
Chinesische Unternehmen erobern internationale Märkte
Aufmerksamen Zuschauenden fiel während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland der Schriftzug BYD in der Bandenwerbung auf. BYD – Slogan: „Build Your Dreams“ – ist ein chinesischer Hersteller von E-Fahrzeugen und Batterien und konnte Tesla im vierten Quartal 2023 die Weltmarktführerschaft bei E-Autos abnehmen. In den vergangenen fünf Jahren legte die BYD-Aktie um fast 500 Prozent zu.
Anleger, die im Reich der Mitte investieren wollen, vor Einzeltiteln aber zurückscheuen, können auf ein vielfältiges Angebot aktiv gemanagter Fonds oder Exchange Traded Funds (ETFs) zugreifen. Voraussetzungen sind sehr viel Risikofreude und Geduld, um eine nachhaltige Erholung der chinesischen Wirtschaft und der Aktienkurse abwarten zu können.