Bert Flossbach im Interview
„Eine Korrektur wäre für uns eine Kaufgelegenheit“
Die Aktienkurse klettern von einem Rekordstand zum nächsten. Experten warnen vor starken Korrekturen. Diese Konstellation muss vor allem Verwalter von Multi-Asset-Fonds vor große Herausforderungen stellen. Wir haben Bert Flossbach, Gründer und Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, nach seiner Einschätzung gefragt.
21.05.2021
Dr. Bert Flossbach
gründete 1998 die Vermögensverwaltung Flossbach von Storch und ist seitdem Vorstand.
Wann erwarten Sie eine Korrektur oder sogar das Platzen einer Blase an den Aktienmärkten?
Dr. Bert Flossbach: Eine Blase an den Aktienmärkten sehen wir nicht, auch wenn sich der fast lineare Anstieg der vergangenen zwölf Monate so wohl eher nicht fortsetzen dürfte. Aktien bleiben unserer Meinung nach langfristig die attraktivste Anlageklasse, auch wenn die Bewertung inzwischen langjährige Höchststände erreicht hat. Kurz- bis mittelfristig gilt das aber nicht. Das größte Risiko sehen wir in einem nachhaltigen Zinsanstieg, den wir aber nicht erwarten.
Zumindest eine steigende Inflation ist ja derzeit schon im Gespräch.
Flossbach: Es ist nicht auszuschließen, dass ein Wiedereröffnungsboom auch die Inflation nach oben treibt und Investoren daraus mittelfristig Handlungsbedarf für die Notenbanken ableiten. Damit wäre das alte Narrativ der „Zinswende“ wiederbelebt und der Aktienmarkt anfällig für eine Korrektur. Da eine echte Zinswende aber gravierende Kollateralschäden mit sich brächte, würde sie sich selbst ihrer Existenzberechtigung berauben. Insofern wäre eine daraus resultierende Korrektur keine Trendwende am Aktienmarkt, sondern eher eine Kaufgelegenheit.
Welche Aktienmärkte oder Branchen halten Sie zurzeit für überbewertet?
Flossbach: Derzeit ist in Marktkommentaren viel von der „Großen Rotation“ zu lesen. Gemeint ist ein Favoritenwechsel von klassischen Wachstumswerten zu konjunkturzyklischen Aktien. Während die oft hochbewerteten Aktien von Wachstumsunternehmen als Verlierer des gestiegenen Zinsniveaus gelten, profitieren die Titel konjunkturzyklischer Unternehmen von der Aussicht auf eine baldige Wiederöffnung der Wirtschaft. So lautet jedenfalls die gängige These, die wir aber für gefährlich halten: Wer Aktien von Fluggesellschaften, Hotel- und Gastronomieketten, Reiseveranstaltern, Ölunternehmen, Banken und anderen besonders konjunktursensitiven Unternehmen kauft, sollte unseres Erachtens weitreichendere Gründe haben als das nahende Ende des Lockdowns.
Aber die Verlierer der Schließungen und des Stillstandes profitieren doch von einer Wiedereröffnung der Wirtschaft?
Flossbach: Ja, das ist aber nicht neu und deshalb auch schon weitgehend in den Kursen enthalten. Natürlich können auch einzelne Aktien in diesen Bereichen interessant sein, wenn die Qualität der Unternehmen so gut ist, dass man sich über ihren langfristigen Fortbestand keine Sorgen machen muss. Man sollte allerdings vermeiden, das ganze Portfolio umzuschichten, um diesem Trend hinterherzulaufen.
Dienen denn Rentenpapiere noch der Stabilisierung des Depots – wo es doch auf weiten Strecken kaum Zinsen gibt?
Flossbach: Unser anlagestrategisches Weltbild geht schon seit vielen Jahren von dauerhaft niedrigen Zinsen aus. In einem solchen Umfeld bieten unseres Erachtens vor allem liquide Sachwerte wie Aktien attraktive Chancen. Das gilt zumindest für langfristige Anleger. Im Anleihebereich funktioniert der klassische Ansatz, Papiere zu kaufen, bis zum Laufzeitende zu halten und die Kupons zu kassieren, nicht mehr. Mit einer opportunistischen, sehr aktiven und flexiblen Anlagestrategie lassen sich aber noch positive Renditen erzielen. Es ist aber schwieriger geworden, mit Anleihen Diversifikationseffekte zu erzielen.
Welche Anleihen sind für Sie zurzeit interessant?
Flossbach: In unserem größten Fonds, dem Fonds Flossbach von Storch – Multiple Oportunities – haben wir die Anleihepositionen nahezu komplett zurückgefahren, da wir derzeit kaum Chancen sehen. Das kann sich aber wieder ändern.
Wie sichern Sie dann Ihr Portfolio vor jähen Verlusten ab?
Flossbach: In Marktphasen wie etwa beim Corona-Crash im Frühjahr 2020 haben wir phasenweise Derivate eingesetzt, um den Aktienanteil vor Kursverlusten zu schützen. Es half jedoch vor allem, dass wir bei jeder unserer Anlageentscheidungen unsere Investment-Leitlinien beachten: So sorgen wir stets für ausreichend Kasse, um flexibel zu bleiben. Auch die Diversifikation spielt eine wichtige Rolle, im Corona-Crash hat vor allem der Goldanteil die Wertentwicklung gestützt. Zudem stellen wir hohe Qualitätsanforderungen an Unternehmen, in die wir investieren: Wir fokussieren auf erstklassige Unternehmen mit soliden Bilanzen und vorhersehbaren Erträgen. Solche Aktien fielen während des Crashs vor einem Jahr weniger stark als der Durchschnitt. Zu guter Letzt müssen bei jedem Investment die Bonität des Emittenten sowie Preis und Wert stimmen. Dies alles begrenzt die Risiken.
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