Ein Geldschein im Wert von 50 Millionen Mark.
14.04.2021    Martin Hintze
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Sie hat sich fest in das Bewusstsein der Deutschen eingebrannt: die Hyperinflation während der Weimarer Republik aus dem Jahre 1923. Jeder kennt die Briefmarken mit einem Briefporto von mehreren Millionen Mark oder die Geldscheine mit Nennwerten in Milliarden oder Billionen, für die man sich nur einen Sack Kartoffeln kaufen konnte.

Um die Ereignisse von damals zu verstehen und sie im Kontext der Gegenwart zu betrachten zu können, muss man jedoch auch die Geschehnisse vor 1923 kennen. Der erste Weltkrieg war verloren und durch Staats-(Kriegs-)anleihen, die man an die eigene Bevölkerung verkauft hatte, finanziert worden. Die Grundlage dafür war der Plan, die Schulden in Form von Reparationszahlungen (nach einem gewonnenen Krieg) aus den besiegten Gebieten einzutreiben. Insofern konnten sich die Deutschen eigentlich nicht beschweren, wenn die Siegermächte nach dem 1. Weltkrieg den gleichen Plan verfolgten und die Kriegsschulden durch Reparationszahlungen aus Deutschland einholen wollten.

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Kein Vertrauen in die eigenen Währung

Kolumnenkasten von Gerhard Michel

Die Reparationsforderungen der Alliierten waren hoch. Im Jahr 1923 war die Regierung der Weimarer Republik nicht mehr in der Lage, die in Gold fälligen Reparationen zu bezahlen oder Ersatzleistungen in Form von Wirtschaftsgütern zu erbringen. Daher besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, um die Zahlungen einzufordern. Die deutsche Regierung rief zum Streik auf und garantierte den Streikenden die Lohnfortzahlung. Diese Lohnfortzahlungen wurden in einer Währung (Mark) geleistet, die bereits vor 1923 inflationären Tendenzen ausgesetzt war.

Zu Beginn des 1. Weltkriegs hatte man in Deutschland den Goldstandart aufgehoben und die staatlichen Möglichkeiten zur Kreditaufnahme und zur Vermehrung der Geldmenge ausgeweitet. Bereits Ende 1921 wies die Mark noch ein Hundertstel ihres Wertes vom August 1914 auf. Die von den Weimarer Regierungen betriebene Geldvermehrung kulminierte während der Ruhrbesetzung in der Hyperinflation von 1923 und endete im totalen Vertrauensverlust der Bevölkerung an der eigenen Währung.

Drei Parallelen zu 1923

Illustration von Gerhard Michel

Gerhard Michel ist Investor und Finanzcoach. In Einzelcoachings, Seminaren und als Gastdozent vermittelt er die quantitative, fundamentale Aktien- / Unternehmensanalyse

Was hat die Hyperinflation von 1923 mit der heutigen Situation zu tun? Es gibt drei Parallelen: die Aufhebung des Goldstandards (Anfang der 70er Jahre), die Vermehrung der Geldmenge (während der Weltfinanzkrise 2007-2009 und in den Folgejahren) sowie Lohnfortzahlungen (Kurzarbeitergeld während der Coronakrise).

Droht uns also eine Hyperinflation wie vor fast 100 Jahren? Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Allerdings unterscheiden sich die weltpolitischen Gegebenheiten und die inflationären Auswirkungen der Gegenwart stark von den damaligen Gegebenheiten. Es gab keinen Weltkrieg und die entwickelten Volkswirtschaften befinden sich in einem regen, politischen und wirtschaftlichen Austausch. Die Folge: Über einen langen Zeitraum betrachtet sind die Preise sogar gefallen. Von 1973 bis 2020 ist die Inflationsrate in der Bundesrepublik von 6,8 auf 0,5 Prozent zurückgegangen. Warum ist das so?

Was für sinkende Preise sorgt

Es gibt drei deflationäre Faktoren, die in der Menschheitsgeschichte neu sind:

  1. Der freiwillige Verzicht auf Nachwuchs: In den entwickelten Volkswirtschaften sorgen weniger Konsumenten für eine geringere Nachfrage an Produkten und Dienstleistungen – dies wirkt preissenkend.
  2. Die Globalisierung: Der globale Warenaustausch sorgt dafür, dass Unternehmen ihre Kosten durch die Verlagerung von Betriebsstäten senken und Konsumenten die Preise der Produkte auf einem internationalen Markt vergleichen können.
  3. Der technologische Fortschritt: Auch die rasante Automatisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt führt zur Senkung von Produktionskosten. Die gesunkenen Kosten müssen anschließend an den Verbraucher weitergegeben werden, da dieser durch seine persönliche Digitalisierung ebenfalls agiler geworden ist.

Ob diese Faktoren die Inflation nur zeitweise drücken oder ob wir in ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte eingetreten sind, in der die Inflation für immer besiegt ist, ist offen.

Was schützt vor Inflation?

Da sich der Zeitpunkt einer galoppierenden Inflation nicht vorhersagen lässt, ist der von vielen als inflationssicher angepriesene Vermögenswert Gold kritisch zu sehen. Da Gold – gehalten im Portfolio – keinen Cashflow erzeugt und kein innerer Wert bestimmbar ist, ist der Kauf des Edelmetalls immer eine Spekulation. Ein Goldspekulant könnte zu Lebzeiten keine Hyperinflation erleben und säße dann auf einem Vermögenswert, der intrinsisch keinen Wertzuwachs erzeugt und dessen Preis nur von der Meinung der Marktteilnehmer abhängig ist.

Nicht alle Aktien bieten einen Inflationsschutz

Aktien dagegen können bereits in einer vorinflationären Zeit einen intrinsischen Wertzuwachs liefern. Denn Unternehmensgewinne steigern die Buchwerte der Unternehmen und/oder führen zu Dividendenausschüttungen. Der innere Wert eines Unternehmens lässt sich durch den Buchwert und den generierten Cashflow berechnen und macht Investorinnen und Investoren somit bei der Bewertung des Vermögenswertes, unabhängig von der Meinung der Marktteilnehmer.

Eine Unternehmensinvestition liefert jedoch nur dann einen nachhaltigen Inflationsschutz, wenn die Unternehmung auf der Basis ihrer Marge und ihrer Ertragskraft in der Lage ist, Preissteigerungen ihrer Produktionsfaktoren zu verkraften. Daher kommt der Ertragskraftanalyse bei der Bestimmung einer Unternehmensbeteiligung als inflationsgesichertem Anlageinstrument eine zentrale Bedeutung zu.

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14.04.2021    Martin Hintze
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