Für die Europäische Union (EU) ist das Emissionshandelssystem ein entscheidendes Mittel, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Kritiker sehen darin dagegen eine moderne Form des mittelalterlichen Ablasshandels. Weil sich mit Emissionszertifikaten aktuell sehr viel Geld verdienen lässt – ohne dass immer allen Beteiligten klar ist, wie. „Der Markt für CO2-Zertifikate floriert und muss extrem skalieren. Er kann es aktuell aber noch nicht, wenn zum Beispiel von 15 Euro pro Zertifikat am Ende vielleicht nur 3 Euro bei einem Klimaschutzprojekt ankommen“, erklärt Adrian Wons, CEO und Co-Gründer des Berliner Start-ups Senken. Doch wo bleibt der Differenzbetrag, den ein Unternehmen freiwillig für so ein Zertifikat ausgegeben hat, um seine Treibhausgasemissionen zu kompensieren? Wons: „Bei verschiedenen Zwischenhändlern, die alle am Emissionshandel mitverdienen.“ Dieses Geschäftsmodell passe nicht zum eigentlichen Ziel und gehe zulasten von Klimaschutzprojekten, die mit dem Geld eigentlich unterstützt werden sollten.
Wons will mehr Transparenz in den Markt bringen. Deshalb hat er mit seinem Unternehmen Senken 2021 die weltweit erste digitale Handelsplattform für Emissionszertifikate gebaut, die auf Basis der fälschungssicheren Blockchain-Technologie funktioniert. „Wenn ein Unternehmen über unsere Plattform eine tokenisierte Transaktion durchführt, kann es genau nachverfolgen, dass sein Geld direkt beim Projekt selbst ankommt und kein weiterer Intermediär oder Broker zwischengeschaltet ist.“ Nach Abzug der Gebühr in Höhe von zehn Prozent, die Plattformanbieter Senken einbehält, kommen so von zum Beispiel 15 Euro Einsatz je Zertifikat am Ende 13,50 Euro bei einem durch Senken evaluierten Klimaprojekt an.
Mehr Transparenz, bessere Standards
Seit 2005 existiert das European Union Emissions Trading System (EU ETS). Deutsche und europäische Unternehmen erhalten seither je nach Industriezweig eine bestimmte Menge an Emissionsrechten, die sie verkaufen oder kaufen können. Überschreiten sie ihre zulässige Grenze, müssen sie zusätzliche Rechte erwerben. So entsteht ein Anreiz, Emissionen zu reduzieren und umweltfreundliche Technologien zu nutzen.
Anfang Januar vermeldete die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), eine Behörde im Umweltbundesamt, dass Deutschland 2023 mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten rund 18,4 Milliarden Euro eingenommen hat. Damit lagen die Einnahmen 40 Prozent über denen des Vorjahres. Sie fließen vollständig in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), mit dem die Bundesregierung ihre Energiewende- und Klimaschutzmaßnahmen finanziert.
In Zukunft könnte das Plus auf der Habenseite sogar noch größer ausfallen – wenn erheblich mehr Unternehmen den Blockchain-basierten Emissionshandel nutzen. Dann könne der Markt laut Wons tatsächlich skalieren und vor allem transparenter werden. „Auf dezentralen Datenbankstrukturen lassen sich außerdem Datenmengen zu jeder Transaktion hinterlegen, die zum Beispiel von einer Künstlichen Intelligenz analysiert werden könnten. Das würde die Qualitätsstandards beim Emissionshandel erheblich verbessern“, prognostiziert der Senken-CEO.