die Welt leidet unter dem Klimawandel
05.07.2022    Madeline Sieland
  • Drucken

Dass es einen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand des Menschen und der Umgebung gibt, in der er lebt, ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Der Allgemeinmediziner Per Fugelli schrieb 1993: „Der Patient Erde ist krank. Globale Umweltprobleme können ernsthafte Konsequenzen für die Gesundheit des Menschen haben.“ Damit gilt er als Begründer des Konzepts „Planetary Health“. In der breiteren Öffentlichkeit ist das Thema allerdings erst in den letzten Jahren präsenter geworden.

Der bekannteste Vertreter der Planetary-Health-Bewegung in Deutschland ist der Mediziner und Wissenschaftsjournalist Dr. Eckart von Hirschhausen. Er hat 2020 die Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet, um den engen Zusammenhang von Klima- und Gesundheitsschutz zu erforschen.

Die Folgen des Klimawandels sind schon längst sichtbar

Von Hirschhausen betrachtet die Klimakrise als medizinischen Notfall. In einem Interview mit dem „Ärzteblatt“ sagte er: „Als Arzt habe ich gelernt, dass der Mensch maximal 41 Grad Körpertemperatur aushalten kann. Wir hatten letztes Jahr bereits 42 Grad in Deutschland. Es starben Tausende Menschen durch Hitzewellen, wir bekommen Malaria, West-Nil-Fieber und andere Tropenkrankheiten zurück, und der ganze Wahnsinn der fossilen Brennstoffe von Braunkohle bis Diesel kostet enorm viele Lebensjahre durch den Dreck, den wir einatmen.“

Eine Aussage, die sich durch konkrete Zahlen untermauern lässt. Denn die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zeigen sich auch in Deutschland schon längst. So ist beispielsweise die Zahl der Todesfälle infolge von Hautkrebs zwischen 2000 und 2020 um 53 Prozent gestiegen. Flüssigkeitsmangel führte laut Statistischem Bundesamt 2020 dazu, dass hierzulande 108.000 Menschen im Krankenhaus behandelt wurden; rund 3.300 von ihnen starben – achtmal mehr als noch im Jahr 2000.

Klimaschutz schützt die Gesundheit

Laut einer Studie, die Anfang 2021 in „The Lancet Planetary Health“ veröffentlicht wurde, könnten jedes Jahr etwa 150.000 frühzeitige Todesfälle hierzulande verhindert werden – wenn das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen erreicht wird. Denn Nachhaltigkeitsbestrebungen führen unter anderem zu einer besseren Luftqualität, mehr körperlicher Bewegung – etwa durch weniger Autofahrten – und zu einer gesünderen Ernährung.

Angesichts dessen betont Dr. med. Christian Schulz, Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit: „Dieser Bericht zeigt, wie stark die Klimakrise bereits jetzt mit unserer Gesundheit verknüpft ist. Durch eine konsequente Ausrichtung der Politik am Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, profitieren die Menschen in Deutschland schon jetzt durch bessere Luft und hochwertigere Lebensmittel. Darüber hinaus vermeiden wir Kosten im Gesundheitssystem.“

Umweltverschmutzung fordert neun Millionen Tote – pro Jahr

Dass insbesondere schadstoffbelastete Luft ein enormes Gesundheitsrisiko birgt, zeigt nun auch eine internationale Studie, an der unter anderem Experten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München beteiligt waren. Demnach sterben jedes Jahr weltweit neun Millionen Menschen vorzeitig infolge von Umweltverschmutzung.

Allerdings hätten, so die Forscherinnen und Forscher, früher vor allem Luftschadstoffe aus Haushalten, Wasserverschmutzung und unzureichende sanitäre Einrichtungen zum frühzeitigen Tod geführt. Heute hingegen treiben in erster Linie Schadstoffe und Schwermetalle wie Blei und Quecksilber, die Industrie, Verkehr und Landwirtschaft in die Luft emittieren, die Todeszahlen in die Höhe.

Gesundheitswesen als unterschätzter Treiber des Klimawandels

Was unterschätzt wird: Auch das Gesundheitswesen hinterlässt einen gewaltigen CO2-Fußabdruck. „Wäre das Gesundheitswesen ein Land, würde es als fünftgrößter Emittent von Treibhausgasen gelten“, sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland. Auf dem Deutschen Ärztetag im Herbst 2021 wurde daher beschlossen, dass das deutsche Gesundheitssystem bis 2030 klimaneutral werden soll.

Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Pharmakonzerne, Hersteller von Medizintechnik und die anderen Player der Branche sind aktuell für 4,4 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Damit ist der CO2-Fußabdruck der Branche größer als der des Schiff- und Flugverkehrs. Bewusst ist das kaum jemandem. Laut „Healthcare-Barometer 2022“ von PwC wissen nur 13 Prozent der Deutschen, in welchem Maße das Gesundheitswesen selbst zum Klimawandel beiträgt.

„Der Gesundheitssektor, der häufig als nachhaltig per se betrachtet wird, ist dies in keinem Fall“, sagt Burkhart. „Seien es Energie- oder Wasserverbrauch oder die nicht unerheblichen Abfallmengen – das deutsche Gesundheitswesen ist alles andere als gut gerüstet für die Zukunftsziele. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die Gesundheitsbranche Anreize erhält, energie- und ressourcenschonender zu arbeiten. Ein erster Ansatz könnte eine neue Krankenhausfinanzierung sein, die keine Anreize bietet, immer mehr Fälle zu generieren.“

Bewusstsein für Gesundheitsgefahren bei Ärzten bisher gering

Das „Healthcare-Barometer 2022“ zeigt auch, dass 87 Prozent der Deutschen gesundheitliche Auswirkungen infolge der Klimakrise fürchten. Am häufigsten genannt wurden von den Befragten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma und andere Atemwegserkrankungen, Allergien sowie gefährlichere Insektenstiche aufgrund einer sich verändernden Fauna.

„Neben den direkten Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen bedrohen uns die indirekten Folgen der Klimakrise: etwa die Zunahme von Infektionskrankheiten durch zerstörte Ökosysteme oder der eingeschränkte Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln weltweit“, sagt Sevilay Huesman-Koecke, Head of Business Development Health Industries bei PwC.

Wie real die Bedrohungen bereits sind, zeigt eine Umfrage der Stiftung Gesundheit im Auftrag der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit mit dem Centre for Planetary Health Policy unter 20.000 Ärztinnen und Ärzten. Drei Fünftel der Befragten beobachtet bereits gesundheitliche Auswirkungen von Hitzewellen bei den eigenen Patientinnen und Patienten.

Das Problem wurde also grundsätzlich erkannt, aber: Nur die wenigsten tun aktiv etwas dagegen. Denn das Bewusstsein für die Gesundheitsgefahren infolge der Klimakrise ist in der deutschen Ärzteschaft bisher gering ausgeprägt. Nur 27 Prozent sehen darin wirkliche Probleme und Gefahrenpotenzial für die eigenen Patientinnen und Patienten. Lediglich 16 Prozent passen beispielsweise die Medikation ihrer Patientinnen und Patienten während Hitzewellen an, obwohl extreme Temperaturen gravierende Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben. Dazu passt, dass sich bisher nur 17 Prozent der Ärztinnen und Ärzte zum Umgang mit klimasensiblen Erkrankungen fortbilden.

05.07.2022    Madeline Sieland
  • Drucken
Zur Startseite