Frau mit Smartphone vor einer Berliner U-Bahnhaltestelle
31.08.2021
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Zur Person

Matthias Wahl vom BVDW

Matthias Wahl

ist seit 2015 ehrenamtlicher Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft. Der studierte Betriebswirt ist Sprecher der Geschäftsführung von RMS Radio Marketing Service

Wie steht es um die Digitalisierung in Deutschland?

Matthias Wahl: Die Digitalisierung ist in Deutschland noch stark ausbaufähig. Der Digital Economy and Society Index 2020 zeigt, dass Deutschland im europäischen Vergleich bei der Digitalisierung nur auf Platz zwölf und damit im Mittelfeld zu finden ist. Bei der Inanspruchnahme von E-Government-Diensten belegt Deutschland mit einer Quote von nur 49 Prozent lediglich den 26. Platz. Illustration zum DUP-WahlcheckDie Coronapandemie hat uns abermals eindringlich vor Augen geführt, dass die Bundes­regierung die Digitalisierung verschlafen hat und in manchen Bereichen – etwa digitale Bildung, E-Government, Umgang mit Daten und -Datenschutz – wenig digitale Kompetenzen vorhanden sind.

Was erwarten Sie von der nächsten Bundesregierung?

Wahl: Wir erwarten vollen Einsatz und höchste Aktivität bei der Digitalisierung. Die Digitalisierung muss ein zentrales Thema der nächsten Bundeskanzlerin oder des nächsten Bundeskanzlers werden. Zudem muss es künftig einen Digitalisierungsvorbehalt für Gesetze geben, damit die Digitalisierung stets mitgedacht wird. Ein Digitalministerium mit eigenen Projekten und einer Prüfbefugnis ist darüber hinaus ausschlaggebend und dringend notwendig. Wir benötigen eine neue Struktur, damit die Digitalisierung, die sich durch alle Themen und Lebensbereiche zieht, stärker wahrgenommen und auch umgesetzt wird. Zudem muss es bei Digitalisierung sowie Datennutzung, -schutz und -sicherheit stärkere Aufklärungsarbeit geben. Der BVDW hat bereits zehn Schlüsselthemen formuliert, die bedacht werden sollten. Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung unter anderem die Datenwirtschaft sowie Innovationen in Deutschland fördert statt sie zu beschneiden. Es muss eine angemessene Balance zwischen Chancen und Risiken geben.

Welche Parteien setzen sich in ihren Programmen mit der digitalen Transformation gut auseinander, welche nicht?

Wahl: Letztendlich haben alle Parteien erkannt, dass die Digitalisierung ein wichtiges Thema ist. So verwenden CDU/CSU 196-mal das Wort ,digital‘, die SPD benutzt es 92-mal, die Grünen verwenden 161-mal und die FDP 133-mal. Digitalisierung ist somit ein entscheidender Baustein aller Wahlprogramme – aber in unterschiedlichen Ausprägungen und mit unterschiedlichen Fokuspunkten. Es ist an sich positiv, dass alle demokratischen Parteien sich mit Digitalisierung und digitaler Transformation auseinandersetzen. Dies ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Jahre auch nicht verwunderlich.

Aus Sicht der Digitalen Wirtschaft sind in den verschiedenen Wahlprogrammen sinnvolle und weniger sinnvolle Forderungen zu erkennen. Für die Digitale Wirtschaft ist es insbesondere wichtig, dass die Themen Datenverarbeitung, Datenschutz und Datensicherheit sowie Innovationsförderung handhabbar gestaltet werden. Hier noch restriktivere Forderungen aufzustellen, die Unternehmen in Deutschland belasten, ist nicht zielführend. Wir brauchen zwar Sicherheit für alle, aber auch Flexibilität, um wirtschaftlich in einer sich rasant verändernden Welt mithalten zu können.

Was fehlt Ihnen in puncto Digitalisierung in den Wahlprogrammen der Parteien?

Wahl: Auf den ersten Blick können wir sagen, dass die Kernthemen meist identifiziert werden, aber konkrete Forderungen oftmals ausbleiben. Wohingegen in anderen Bereichen klare Ziele bis zu einem festgelegten Erfüllungsdatum gefordert werden, bleiben die Aussagen zur Digitalisierung meist schwammig. Was uns darüber hinaus fehlt, ist ein ganzheitliches Konzept, das auch umgesetzt werden kann. Alle Parteien haben die zentralen Themen der Digitalisierung erkannt – etwa Breitbandausbau, Bildung, Verwaltung, Datenschutz, Cybersecurity – und haben Antworten für die Themenfelder gefunden. Allerdings werden die eher kleinteilig und relativ vage formuliert. Was wir von der neuen Bundesregierung brauchen, ist ein Schritt in Richtung einer einheitlichen, umfassenden Digitalstrategie für unser Land.

31.08.2021
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