Es genügt ein kurzer Blick hinter die Kulissen eines deutschen Krankenhauses, um zu verstehen, wie sehr das Gesundheitssystem zum Klimawandel beiträgt. Laut Schätzung von Organisationen wie Practice Greenhealth fallen allein pro Krankenhausbett täglich durchschnittlich 13 Kilo Müll an.
Das ist nur ein Beispiel von vielen, die zeigen, dass es im Gesundheitswesen in puncto Nachhaltigkeit noch viel Luft nach oben gibt. Aktuell hat es global betrachtet einen Anteil von 4,4 Prozent an den CO2-Emissionen. Das geht aus einer Erhebung der NGO „Health Care Without Harm“ aus dem Jahr 2019 hervor. Wäre das Gesundheitswesen ein Land, hätte es damit den fünftgrößten CO2-Fußabdruck. Höchste Zeit also für eine Kurskorrektur.
Sustainable Health zum Thema machen
Fragt sich nur, wie die Branche mit ihrer Verantwortung umgeht. „Ein nachhaltiges Umdenken ist bitter nötig“, erklärt Dr. Uwe Heckert, Geschäftsführer von Philips DACH. „Unsere Gesundheit auf Kosten der Umwelt zu erhalten funktioniert nicht.“
Mit dem Klimawandel häufen sich Extremwetterereignisse, die Atmosphäre heizt sich auf, die Ökosysteme verändern sich. Und die Folgen bekommt der Mensch direkt zu spüren. „Schlechtere Umweltbedingungen haben sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Deshalb müssen wir alles daransetzen, die Versorgung so schnell wie möglich klimagerecht zu gestalten“, so Heckert. Das niederländische Gesundheitsunternehmen Philips nimmt bei diesem Bestreben eine Führungsrolle ein und agiert selbst seit 2020 klimaneutral. Bis 2025 will es seine Energie vollständig aus erneuerbaren Quellen beziehen.
Auch digitale Risiken beachten
Die Herausforderungen im Gesundheitswesen beschränken sich aber nicht nur auf den hohen CO2-Ausstoß und die Abfallmengen. Hinzu kommen die Pandemie, der demografische Wandel und der Fachkräftemangel. Verheißungsvolle Lösungsansätze verspricht die digitale Transformation. Studien des Digitalverbands Bitkom sowie der Strategieberatung Accenture prognostizieren, dass das CO2-Einsparungspotenzial durch Informations- und Kommunikationstechnik bei bis zu 28 Prozent liege. Die Unternehmensberatung McKinsey geht davon aus, dass Digitalisierung 42 Milliarden Euro weniger Ausgaben und eine um 61 Prozent gesteigerte Produktivität ermöglichen würde.
Doch die Digitalisierung birgt auch Risiken. So beschreibt beispielsweise das Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit den sogenannten Rebound-Effekt: Einsparpotenziale von Effizienzsteigerungen können demnach nicht beziehungsweise nur teilweise verwirklicht werden. Innovative IT-Produkte steigern zwar die Effizienz, die entstandenen Freiräume führen aber zu zunehmenden Nutzungen und zeitgleich zu einem größeren Ressourcen- und Energieverbrauch – und damit zu höheren Treibhausgasemissionen.
Diese Effekte gilt es laut Heckert zu verhindern: „Die Kunst ist, die digitale Transformation so zu gestalten, dass sich der Verbrauch von Energie und natürlichen Ressourcen deutlich verringert. Denn es ist wenig sinnvoll, dass die potenziellen Einsparungen in Milliardenhöhe, die durch die Digitalisierung erzielt werden können, am Ende für Zwecke genutzt werden, die der Nachhaltigkeit zuwiderlaufen.“
Circular Economy als Lösungsansatz
Wie lässt sich also eine Medizin für alle erreichen, ohne für noch mehr CO2-Ausstoß zu sorgen? Eine Option wäre die Circular Economy – ein wichtiger Begriff im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit. Gegenwärtig basieren nur 8,6 Prozent der weltweiten Produktion auf den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft. Mithilfe solcher Modelle könnten aber die weltweiten Emissionen um bis zu 40 Prozent gesenkt werden.
Bei Philips steht gleich zu Beginn des Designprozesses nicht nur die Frage im Fokus, welchen Mehrwert die neue Lösung bringen soll, sondern auch, wie der Einsatz von Materialien vermieden oder reduziert werden kann – wie also mit einem Minimum an Ressourcen, idealerweise wiederverwendeten, der notwendige Output geschaffen werden kann.
Bei Philips wird Medizintechnik von der Entwicklung bis zur Produktion konsequent einem Prüfsystem unterzogen, das auf die Kriterien der Ressourcenschonung sowie die Vermeidung schädlicher Inhaltsstoffe fokussiert ist, aber den Innovationsaspekt nicht vernachlässigt. Gleichzeitig gelte es, die Lebensdauer medizinischer Großgeräte gezielt mit Soft- statt nur mit Hardware zu verlängern und ausgemusterte Geräte fachgerecht wiederaufzubereiten oder zumindest vor deren endgültiger Entsorgung recycelbare Rohstoffe herauszuziehen.
„Diese Kreisläufe erhalten den Wert des Produkts, verbrauchen weniger endliche Rohstoffe und reduzieren Abfälle“, erklärt Heckert. Philips setzt dieses Prinzip bereits um – etwa bei neuen MRT-Geräten, die statt bisher 1.500 nur noch sieben Liter Helium zur Kühlung des supraleitenden Magneten verbrauchen.
Change-Management ist wichtig
Transformationsprozesse sind eine Herausforderung, die viele Menschen erst einmal verunsichert. Umso wichtiger ist deshalb das Change-Management. „Wenn die Beteiligten nicht von Anfang an mitgenommen werden, können Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsprojekte schnell Schiffbruch erleiden“, sagt Heckert. Von Akzeptanz und Motivation hänge es ab, ob Veränderungsprozesse gelingen.
Krankenhäuser, die das verstanden haben, schaffen eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und Räume, in denen alle Beteiligten Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam gestalten. Sie ermutigen Mitarbeitende, Herausforderungen anzunehmen. Je größer das Vertrauen ist, mit den neuen Anforderungen Schritt halten zu können, desto höher ist auch die Veränderungsbereitschaft.