Die Verpflichtung zur Dokumentation seiner Pflegeleistungen kostet Pflegepersonal unnötig viel Zeit. Laut einer Erhebung der gemeinnützigen Klinikmanagementgesellschaft Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) Europe nehmen Dokumentationstätigkeiten 36 Prozent der täglichen Arbeitszeit in Anspruch. Die Autoren Oswald und Goedereis kommen zu dem Schluss, dass die Digitalisierung der pflegerischen Dokumentation viel Potenzial beinhaltet. Gleichzeitig gibt es in vielen Einrichtungen und für Pflegedienste immer noch Papierformulare, die ausgefüllt werden müssen. Dies birgt viele Probleme – von der Lesbarkeit der Handschrift und dem Teilen mit Beteiligten im Betreuungsprozess über den schnellen Zugriff und das Update in Echtzeit bis hin zur Auswertung, Qualitätssicherung und Archivierung.
Eine erste Evolutionsstufe war der Stations-PC, um den alle Pflegekräfte konkurrieren und der heute noch vielfach Standard ist. Zumindest kann die Dokumentation dort digital erfasst werden, nachdem beim Klienten Daten handschriftlich aufgenommen wurden. Legendär ist die berühmte Zettelwirtschaft oder das Protokoll auf dem Handrücken. Der Zeitverzug von der Aufnahme bis zur Eingabe führt häufig zu Informations- und Qualitätsverlust. Aktuell erleben wir die Einführung mobiler Endgeräte, die eine Dokumentation direkt beim Klienten erlauben – sozusagen am „Point of Care“. Trotzdem nimmt die Dokumentation schnell 25 bis 36 Prozent der Arbeitszeit in Anspruch, konkret sind das mehr als zwei Stunden einer Acht-Stunden-Schicht.
Ohne Künstliche Intelligenz geht es nicht
Heute und in Zukunft können wir diese Prozesse mit Spracherkennung über Künstliche Intelligenz (KI) deutlich beschleunigen und damit Pflegekräfte zeitlich entlasten. Die Pflegekraft spricht ihre Dokumentation ein, und die mobile Applikation fügt die Vitalwerte und die Pflegedokumentation direkt an den richtigen Stellen ein. Zudem kann KI natürlich auch übersetzen, Dialekte erfassen und in der jeweiligen Landessprache in die Dokumentation einarbeiten. Dies ermöglicht auch Pflegekräften aus dem Ausland, eine mögliche fachliche Sprachlücke zu schließen. Ein Therapeut kann ein Beratungsgespräch, eine Pflegekraft ein Aufnahmegespräch aufzeichnen und sich automatisch eine Zusammenfassung vorschlagen lassen.
Künstliche Intelligenz ist eine Hilfe für Pflegekräfte, erfordert aber immer die Fachkraft, die am Ende den Vorschlägen zustimmt. So ist eine Zeitersparnis von einer Stunde pro Schicht möglich, was wiederum die Arbeitsbelastung reduziert und die Qualität erhöht. Die Zeitersparnis durch die Nutzung mobiler Endgeräte mit KI birgt das Potenzial einer echten Sprung-Innovation und nicht nur eine inkrementelle Verbesserung. Dies schafft Freiraum für die Pflegekräfte, die frei werdende Zeit für ihre Klienten zu nutzen, reduziert den Druck und macht die Pflege im Ergebnis einfach besser. Die Anzahl der Pflegekräfte pro Schicht reduziert dies heute jedoch noch nicht, da die Regularien Personalbemessungskennzahlen vorgeben.
Digitale Ökosysteme mit KI verbessern
Künstliche Intelligenz wird aber noch mehr leisten: Pflege muss geplant werden, egal ob Touren- oder Schichtplanung. Intelligente Digitalisierung kann hier nachhaltige Verbesserungen erzielen, denn Schichtplanung ist komplex und muss auf Arbeitszeitrichtlinien und Qualifikationen Rücksicht nehmen. Zudem hat jede Pflegekraft auch Wünsche aus dem privaten Umfeld an die Schichtplanung. Daher kann Künstliche Intelligenz helfen, die Schichtplanung besser, schneller und flexibler zu gestalten. Weiterhin entwickeln wir digitale Ökosysteme im Gesundheitswesen und öffnen unsere Softwareplattform Partnern, die mit Telemedizin oder Sensorik weitere Hilfestellung zur Verbesserung der Pflegesituation leisten können. Heißt: Der Haus- oder Facharzt kann sich aus der Praxis zuschalten und mithilfe der Pflegekraft die Televisite übernehmen. Dies ermöglicht flexible und zeitnahe Termine. Die Erkennung von Stürzen oder die Erfassung von Vitalwerten über Sensoren entlastet die Pflegekräfte ebenso.
Es gibt in der Europäischen Union nationale Telematik-Infrastrukturen im Gesundheitswesen, damit beispielsweise das E-Rezept, die Kommunikation und der Austausch von sensiblen Daten zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen sicher funktionieren kann. Dies ist Teil der digitalen Pflege und wird nun stückweise eingeführt. Digitale Ökosysteme umfassen aber auch Verwandte der Klienten, um sie in den Pflegeprozess einzubinden und Informationen einfacher und unkompliziert auszutauschen. Dies erspart den Pflegekräften viele telefonische Rückfragen in der Schicht und informiert die Beteiligten umfassender.
Handlungsbedarf vonseiten der Politik
New Work kommt dank der Digitalisierung also auch in die Pflege – mobil, innovativ, intelligent, flexibel und schneller. Heißt: Wie im privaten Bereich wird alles digital, mobil und einfacher; und trotzdem sicher und geschützt beim Umgang mit Gesundheitsdaten. Die Finanzierung und Anpassung der Regulatorik in der Pflege muss sich den neuen Entwicklungen stellen, hier besteht Handlungsbedarf vonseiten der Politik. Über die intelligente Digitalisierung kann ein Beitrag zur Verbesserung des Pflegenotstands geleistet werden und die Pflege als Beruf wieder attraktiver werden.