Ein Kernelement der digitalen Transformation im medizinischen Bereich sind unsere Gesundheitsdaten. Eine bessere Patientendaten-Verfügbarkeit entlang des Versorgungspfads zahlt unmittelbar auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität und Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten in Deutschland ein. Im Kontext einer interprofessionellen und intersektoralen Versorgung können digital verfügbare Patientendaten dafür sorgen, dass einzelne Versorgungsschritte zeitlich optimal aufeinander abgestimmt werden.
Digitale Patientendaten bringen viele Vorteile
So können beispielsweise Doppeluntersuchungen vermieden werden, Hilfsmittel oder Folgeversorgungen können rechtzeitig geplant beziehungsweise bestellt oder gefertigt werden. Zahlreiche Beispiele lassen sich für eine unmittelbare Optimierung der Versorgungsprozesse aufzeigen, die sich aus einer funktionierenden Vernetzung der Leistungserbringer, der Kostenträger und der Leistungsempfänger ergeben. Ziel ist es, die Gesundheitsversorgung durch die Digitalisierung effizienter und effektiver zu gestalten.
Doch leider klaffen heute Zielbild und Status quo noch weit auseinander. Viele kleine Stellschrauben wurden in den vergangenen Jahren bereits durch die Politik adressiert. Hierzu hat das Bundesgesundheitsministerium seit 2019 in der letzten Legislaturperiode insgesamt drei große Digitalisierungsgesetze auf den Weg gebracht:
- das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG),
- das Patientendatenschutzgesetz (PDSG) und
- das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG).
Es wurden auch eine Vielzahl von Einzelregelungen umgesetzt. Aus Sicht der Kritiker ist dabei aber kein roter Faden ersichtlich, sodass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits sehr früh im laufenden Jahr 2022 angekündigt hat, einen Strategieprozess mit den Stakeholdern aus der Gesundheitswirtschaft zu erarbeiten und die Umsetzung bereits beschlossener Weichenstellungen voranzutreiben.
Bisher zu wenig Nutzerinnen und Nutzer der ePA
Diese Entwicklungen sind positiv und wichtig. Allerdings dürfen wir dabei den entscheidenden Aspekt der Akzeptanz digitaler Tools im Rahmen der Gesundheitsversorgung und Versorgungsverwaltung nicht aus dem Blick verlieren. Stand heute haben sich laut TI-Dashboard der Gematik rund 521.205 Versicherte in Deutschland eine elektronische Patientenakte (ePA) heruntergeladen und installiert. Das entspricht etwa 0,63 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese Zahl verdeutlicht, dass die Menschen in Deutschland in der Breite noch keine Vorstellung davon haben, wie wertvoll die ePA für sie sein kann.
Die ePA steht als individueller Ablageort für alle persönlichen Gesundheitsdaten im Zentrum der digitalen Transformation des Gesundheitssystems. Die bisherige Zurückhaltung der Nutzerinnen und Nutzer hat vermutlich verschiedene Ursachen. Einerseits sind in der Zwischenzeit nahezu alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte an die Telematik-Infrastruktur angebunden, andererseits haben sie bislang in den meisten Fällen nur Zugriff auf das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM). Ihre Praxisverwaltungssoftwaresysteme (PVS) besitzen häufig noch keine Schnittstellen zur ePA der Versicherten, sodass Stand heute in den meisten Praxen auch keine Daten in die ePA der Versicherten überführt werden können. Die mangelhafte Interoperabilität der Teilsysteme verhindert hier also ganz klar die Entstehung einer praktischen Erlebniswelt für die User.
Es fehlt an Begeisterung und Akzeptanz
Die Voraussetzung für eine funktionierende digitale Vernetzung im Gesundheitssystem ist die Begeisterung der Menschen für die Technologie – und das Vertrauen in diese. Versicherte müssen an die bereitgestellte digitale Infrastruktur sowie die datenschutzrelevanten Vorkehrungen und die sinnvolle und verantwortungsvolle Nutzung ihrer Gesundheitsdaten durch Forschung und gegebenenfalls Entwicklung glauben.
Seitens der Leistungserbringerinnen und -erbringer muss sich die Bereitschaft verfestigen, den Umgang mit digitalen Instrumenten in der Gesundheitsversorgung, aber auch im Praxis- und Patientenmanagement zu pflegen und gegebenenfalls einzuüben.
Darüber hinaus muss datenanalytische Kompetenz in allen relevanten Berufsausbildungs- und Studienkonzepten für Gesundheitsberufe integriert sein. Eine Modifikation des geltenden Datenschutzrechts und seiner Aufsichtsstruktur in den Bundesländern könnte hier schon einen wesentlichen Beitrag leisten. Gleichzeitig muss die Patientendatensouveränität weiter gestärkt und bekannt gemacht werden, sodass sich perspektivisch auch plattformökonomische Angebote im virtuellen Gesundheitsraum der Bundesrepublik herausbilden können.
Wir sind auf einem guten Weg Richtung Digitalisierung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Entwicklung einer nationalen Strategie für die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist. Die Politik kann und muss die Interoperabilität der zusammenwirkenden Systeme im Gesundheitswesen herstellen und gewährleisten. Und schließlich müssen die Patientinnen und Patienten sowie die Leistungserbringerinnen und -erbringer für die Nutzung dieser Systeme begeistert werden.
Denn nur ein lebendiges digitales System mit einem funktionierenden Datenaustausch zwischen allen Akteurinnen und Akteuren kann sicherstellen, dass auch die Gesundheitsdaten auf individueller und aggregierter Ebene in einem notwendigen Umfang verfügbar sind, um die Digitalisierung greifbar zu machen. Health Data Analytics kann dann einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität und Versorgungssicherheit leisten, wenn
- die Informationen fließen können,
- ihre Verfügbarkeit gegeben ist und
- die beteiligten Akteurinnen und Akteure über die notwendige Kompetenz verfügen, um mit Gesundheitsdaten gewinnbringend umzugehen.
Dahingehend gibt es noch einiges zu tun.