Digitale Anwendungen im Gesundheitswesen
03.07.2022    Janina Modes
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Bisher zählt Deutschland nicht zu den Pionieren der Digitalisierung. Wie weit auch das Gesundheitswesen in der digitalen Entwicklung hinterherhinkt, wurde mit Beginn der Coronapandemie besonders deutlich. Der steigende Entwicklungsdruck vonseiten der Patientinnen und Patienten sorgt seitdem allerdings für schnellere und tiefgreifende Veränderungen. 

Was bedeutet Plattformökonomie?

So gibt es politische Bestrebungen – etwa durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) –, digitale An­wendungen und Angebote wie die elektronische Patientenakte zu fördern. Von plattformbasierten One-Stop-Shop-Lösungen, wie sie unter anderem die Technologiefirmen Amazon und der chinesische Anbieter Ping An Good Doctor entwickeln, ist das deutsche Gesundheitswesen aber derzeit noch weit entfernt. Auf dem Weg zu einer effizient vernetzen Branche gilt es, einige Hürden zu nehmen.

Buchtipp

Gesundheit im Zeitalter der Plattformökonomie. Ziele. Herausforderungen. Handlungsoptionen.

Die Beiträge des Sammelbands beleuchten alle Facetten der Digitalisierungsbestrebungen im Gesundheitswesen – von KI und Cloud-Nutzung über Datensicherheit bis hin zum Einfluss der Generation Z.

Dr. Jens Baas (Hrsg.), MWV, 400 S., 69,95 Euro

Buchcover "Gesundheit im Zeitalter der Plattformökonomie"

Als Plattformökonomie werden internetbasierte Geschäftsmodelle bezeichnet, die Interessenten mit Anbietern auf einem digitalen Marktplatz zusammenbringen. Im Kontext des Gesundheitswesens bedeutet das, dass sich Leistungserbringer und Unternehmen zusammenschließen, um Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten zu schaffen. Zudem bietet sich so die Möglichkeit, Akteure des Gesundheitswesens – also medizinisches Personal, Apotheken, Kliniken – miteinander zu vernetzen, um dadurch all deren Informationen und Leistungen an einem Ort zu vereinen.

Netzwerkeffekt sorgt für Wachstum

Die Stärke der Plattformen liegt in der effizienten Nutzung von auf Künstlicher Intelligenz basierenden Analysen, die das Angebot der in der Plattform integrierten Unternehmen mit den Kundenwünschen zusammenbringen. Je mehr Nutzer und Unternehmen eine Plattform vereint, desto erfolgreicher ist sie. Dieser Netzwerkeffekt führt dann wiederum zum weiteren Wachstum.

Es gibt bereits zahlreiche Digitalkonzerne, die die Gesundheitsbranche für sich entdeckt haben. Amazon und der chinesische Anbieter Ping An Good Doctor sind nur zwei Beispiele. Sie arbeiten an One-Stop-Shop-Lösungen und versprechen Kunden Zugang zu zahlreichen Gesundheitsdienstleistungen aus einer Hand. Dazu zählen Präventionsangebote wie die Integration von Daten aus Wearables, Diagnoseangebote, eine Vermittlung von Behandlungsangeboten wie Videosprechstunden sowie die Lieferung von Medikamenten und anderem medizinischem Material.

Von der Konsumgüterindustrie lernen

Damit Plattformen ihr volles Potenzial der Vernetzung ausschöpfen können, braucht es viele Nutzer. Wie man diese gewinnt und bindet, können Plattformbetreiber von der Konsumgüterindustrie lernen. Denn da ist die Kundenorientierung die Grundlage für alle Unternehmensentscheidungen.

Die Gestaltung von Produkten und Prozessen orientiert sich möglichst nah an den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten. Wenn etablierte Leistungserbringer mit ihren eigenen Anwendungen Erfolg haben wollen, sollten auch sie vom Nutzer her denken. So kann ein ansprechendes User-Interface-Design die Angebote niederschwelliger gestalten und damit auch für weniger digitalaffine Nutzer attraktiv machen. Gamification-Elemente fördern zudem eine regelmäßige Nutzung von Anwendungen, was die Qualität der erhobenen Daten verbessert.

Daten sind die Währung

Je mehr Nutzer eine Plattform für sich gewinnen kann, desto mehr Daten generiert sie auch. Der Umgang mit diesem digitalen Rohstoff entscheidet darüber, wie erfolgreich eine Plattform ist. Die Betreiber müssen in der Lage sein, große Datenmengen zu speichern und zu verarbeiten. Durch das Management und die Analyse dieser Informationen können Unternehmen dann Rückschlüsse auf das Nutzerverhalten ziehen und ihre Services dementsprechend weiterentwickeln oder weitere innovative Dienstleistungen für das Gesundheitswesen entwickeln.

Genau hier liegt großes Potenzial mit Blick auf die Qualität der Gesundheitsversorgung insgesamt. Denn wenn Künstliche Intelligenz in Zukunft Krankheiten dank Daten vorhersagen kann, könnte sie für Patientinnen und Patienten entsprechende Empfehlungen aussprechen oder gar Präventionsmaßnahmen einleiten. Dieses als Disease-Interception bekannte Konzept würde einen Paradigmenwechsel in der Medizin bedeuten: Statt um die Behandlung von Krankheiten ginge es um den Erhalt der Gesundheit.

03.07.2022    Janina Modes
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