Unternehmen sind seit dem 1. Januar verpflichtet, Krankschreibungen digital entgegenzunehmen. Denn für Arbeitnehmende ist zum Jahreswechsel die Verpflichtung zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform entfallen.
Das heißt allerdings nicht, dass Angestellte von der Pflicht einer Krankmeldung befreit sind. Weiterhin gilt, dass man unverzüglich den Arbeitgeber darüber informieren muss, das und wie lange man krankheitsbedingt ausfällt.
Ein Zettel statt drei Zettel
Für Arbeitnehmende ändert sich nun vor allem eines: Sie bekommen von der behandelnden Ärztin beziehungsweise vom behandelnden Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr in dreifacher Ausführung, sondern nur noch ein Exemplar für die eigenen Unterlagen.
Die Arztpraxis übermittelt die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) am Tag der Ausstellung bis Mitternacht an die Krankenkasse. Zur Datenübertragung nutzen Praxen die Telematik-Infrastruktur. Die Krankenkasse wiederum stellt die eAU dem Arbeitgeber zur Verfügung – allerdings nicht automatisch, sondern nur, wenn dieser die Informationen proaktiv abruft.
Wichtig zu wissen ist: Die Daten stehen erst einen Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse zum Abruf bereit. Um die eAU abrufen zu können, muss der Arbeitgeber zudem den Beginn der Krankschreibung kennen. Daher sollten Angestellte das auf der AU vermerkte Datum mitteilen.
Der Arbeitgeber erfährt über die eAU
- den Beginn und das voraussichtliche Ende der Krankschreibung,
- das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
- ob es sich um eine Erst- oder Folgemeldung handelt sowie
- ob Grund der Krankschreibung ein Arbeitsunfall ist.
Wie bisher auch werden keine Informationen zur Diagnose weitergegeben.
Nicht alle nehmen am neuen eAU-Verfahren teil
Allerdings gilt das eAU-Verfahren nur für gesetzlich Versicherte. Wer privat versichert ist, muss weiterhin eine Krankschreibung in Papierform beim Arbeitgeber und bei der Krankenversicherung einreichen.
Zudem übermitteln längst noch nicht alle Leistungserbringer die Informationen digital an die Krankenkassen. Bisher nehmen nur Arztpraxen und – im Falle eines stationären Aufenthalts – Krankenhäuser am eAU-Verfahren teil.
Physiotherapeuten, Reha-Einrichtungen, Psychotherapeuten sowie Ärzte im Ausland stellen weiterhin den altbekannten „gelben Schein“ aus. Auch Meldungen zum Beschäftigungsverbot bei Schwangeren sowie bei Erkrankungen eines Kindes können bisher nicht elektronisch an den Arbeitgeber übermittelt werden.
Worauf müssen sich Unternehmen nun einstellen?
Und das heißt in der Praxis: Personalverantwortliche müssen jetzt zum einen selbst tätig werden, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Bisher waren Arbeitnehmende laut Paragraf 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes verpflichtet, diese spätestens nach dem dritten Tag der Krankmeldung vorzulegen.
Zum anderen müssen Personalverantwortliche nun zwei verschiedene Verfahren vorhalten, um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Belegschaft zu verarbeiten – eines für die eAU, eines für die papierbasierte Form. Damit ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung also mit Mehraufwand verbunden.
Probleme mit der eAU sind vorprogrammiert
„Wir befürchten, dass nicht alle Arbeitgeber ab Januar technisch und organisatorisch in der Lage sein werden, die AU digital abzurufen und weiterhin Papierausdrucke von ihren Arbeitnehmern fordern werden“, sagt Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Denn Nachfragen von Patienten in Arztpraxen sowie von Arbeitgebern bei der KBV ließen darauf schließen, dass viele über die Umstellung des Verfahrens gar nicht oder nur unzureichend informiert seien.
Kriedels Empfehlung an niedergelassene Ärzte: Diese sollten selbst entscheiden, ob sie vorerst vorsichtshalber weiterhin die AU-Bescheinigung für den Arbeitgeber ausdrucken, um nachträgliche Anfragen von Patienten – und damit Mehraufwand – zu vermeiden.
Falls es Probleme bei der Übermittlung der Daten im elektronischen Verfahren gibt, könnten Arbeitgeber allerdings alternativ auch die Bescheinigung als Beweis für die Arbeitsunfähigkeit akzeptieren, die Arbeitnehmende für ihre Unterlagen bekommen. In dem Fall müssen Angestellte allerdings zwingend die Diagnose auf dem Durchschlag schwärzen. Denn diese darf der Arbeitgeber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht kennen.
Warum gibt es die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Der rechtliche Rahmen für die eAU wurde bereits im September 2019 geschaffen – und zwar mit dem dritten Bürokratieentlastungsgesetz. In diesem wurden bis dahin analoge Vorgänge festgelegt, die mithilfe digitaler Verfahren effizienter und damit auch kostengünstiger abgewickelt werden sollten.
Doch die Pilotphase zur eAU zeigte laut KBV, dass von Entlastung nicht die Rede sein kann. Aus dem Bürokratieindex für die vertragsärztliche Versorgung geht hervor, dass der Arbeitsaufwand in Praxen erheblich steigt. „Anstatt also die Praxen zu entlasten, hat die bisherige Digitalisierungspolitik sie bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweislich noch weiter belastet“, sagt Kriedel.
Ein Grund dafür: der elektronische Signier- und Versandvorgang dauert zu lange. „Pro Fall verursacht das digitale Verfahren der eAU aktuell 50 Sekunden mehr bürokratischen Aufwand als die papiergebundene Bescheinigung“, sagt Professor Volker Wittberg, Leiter des Nationalen Zentrums für Bürokratiekostenabbau. „Bei jährlich etwa 90 Millionen ausgestellten eAU summiert sich dies auf 1,25 Millionen Stunden mehr Bürokratie in den Praxen.“
Unter anderem angesichts dessen fordert Kriedel: „Um tatsächliche Verbesserungen für die ambulante medizinische Versorgung zu erzielen, müssen die weitere Implementierung und auch die Weiterentwicklung der Telematik-Infrastruktur von jetzt an nutzerorientiert vonstattengehen. Jegliche digitale Anwendung ist vollumfänglich zu erproben, bevor sie im Praxisalltag landet.“