Die DUB UNTERNEHMER-Akademie veranstaltete vor gut einem Jahr den DUB Digital Think Tank zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Experten wie der deutsche „KI-Papst“ Wolfgang Wahlster standen auf der Bühne, um fernab von dystopischen Science-Fiction-Szenarien über das reale Potential von KI zu sprechen.
Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können: Die Bundesregierung hatte kurz zuvor den detaillierten Plan zur Förderung von KI präsentiert. Rund 500 Millionen Euro wurden zur Ertüchtigung der deutschen Wirtschaft und Verwaltung im Bereich KI bereitgestellt. Damit soll sich das Land künftig neben den Vorreitern USA und China behaupten. Eine Linie, die trotz Corona weiter verfolgt wird: Der Finanzplan für die Jahre 2022 bis 2024 sieht einen Anstieg der Investitionen in KI und den Ausbau von Kommunikationstechnologie vor.
Die Maxime des KI-Think-Tanks lautete: „Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz ist einfacher als man denkt.“ Durch Corona mussten sich Unternehmer zusätzlich schnell mit dem Umstieg auf digitale Geschäftsmodelle beschäftigen. Doch wie lassen sich Datensätze sinnvoll nutzen? Woran scheitert zuweilen der Einsatz KI-basierter Tools? Und: Ist die Nutzung der Technologie durch Corona wirklich gestiegen? Dies sind die Themen der Expertenrunde im DUB Digital Business Talk.
Der Hype um Künstliche Intelligenz
Reinhard Karger hat eine stärkere Integration von KI in den Arbeitsalltag beobachtet. Er ist Sprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und beschäftigt sich seit 35 Jahren mit theoretischer Linguistik, Künstlicher Intelligenz, Bewusstseinsphilosophie sowie digitaler Innovationskultur und Wissenschaftsgeschichte.
Für ihn ist der aktuelle Hype auf die neue Arbeitskultur zurückzuführen. „Flurgespräche in allen Ehren, aber durch die Arbeit von Zuhause aus hat man auch automatisch mehr Zeit und Ruhe, um sich über Arbeitsprozesse Gedanken zu machen. Der Schritt zur Auseinandersetzung mit KI ist dann viel kürzer, als wenn man sich in alten Arbeitsmustern befindet“, so Karger.
Das DFKI wurde 1988 gegründet. Es hat mittlerweile 20 Forschungsschwerpunkte und entwickelt KI-Systeme für Bereiche wie Sprachsysteme, Robotik oder Wirtschaftsinformatik. Karger: „Diese Entwicklung macht Mut, dass Europa in naher Zukunft nicht nur kleine und größere, sondern am Ende auch entscheidende Probleme durch leistungsstarke KI lösen kann.“
Aufschwung in Europa
„Ich erlebe es das erste Mal, dass Unternehmen während einer Krise direkt zu technologischen Lösungen greifen und mehr Wert auf Innovation legen“, sagt Christophe Hocquet. „In Europa wurde in der Vergangenheit während einer wirtschaftlichen Flaute gerade bei Forschung und Innovation gespart.“ Er erklärt sich diesen Umschwung durch die enorme Unsicherheit, die Covid-19 mit sich bringt, und nennt ebenfalls den branchenübergreifenden Umzug ins Homeoffice als Grund. Hocquet arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Tech-Branche und war zuletzt CEO von Brille24/EssilorLuxottica.
Als Gründer des Tech-Start-ups Natif.ai ist er seit April 2020 für den Bereich Strategy & Business Development verantwortlich. Das Unternehmen ist ein Spin-off des DFKI und entwickelt auf Basis neuer Deep-Learning-Errungenschaften eine KI-basierte Dokumentenverarbeitung. Unternehmen, die sich bereits mit der Automatisierung von Arbeitsprozessen beschäftigt haben, seien meist die ersten, die sich mit KI auseinandersetzen. Das bestätigt auch Karger. Der Unterschied zwischen Automatisierung und KI liege zwischen der Ausübung von klaren Befehlen auf der einen und dem Erkennen von Mustern sowie der Entwicklung von Handlungsempfehlungen auf der anderen Seite.
Datensätze nutzen
Karger versichert, dass die Nutzung von KI kein Hexenwerk sei. Dafür müsse aber zunächst der Algorithmus trainiert werden. Das wiederum bedeutet, dass ein Mensch seine Arbeitszeit investieren muss. Sprich: Eine standardisierte KI-Lösung für alle Gelegenheiten gibt es noch nicht. Schließlich hat jedes Unternehmen andere Ziele und Ansprüche. Die KI muss dementsprechend mit eigenen Datensätzen gefüttert werden.
Das ist für Karger auch die größte Hürde, an der solche Vorhaben bei kleinen und mittelständischen Unternehmen scheitern: „Man muss sich Zeit nehmen, um sich genügend über KI, deren Schnittstellen, die Datenverarbeitung und den Arbeitsaufwand zu informieren. Es gibt keine Allzweck-KI.“ Trotzdem will er Unternehmern Mut machen: „Wir, aber auch andere Anlaufstellen, bieten Know-how bei Fragen rund um KI an. Sobald man weiß, wohin die Reise gehen soll, sind die nötigen Arbeitsprozesse relativ klar.“
Wieviel kostet das?
Durch die Individualisierung ist für Hocquet auch der Mythos entstanden, dass KI teuer sei. Die finanziellen Mittel für die Nutzung und der Arbeitsaufwand seien dabei in Wirklichkeit erschreckend niedrig. Je nach Einsatzbereich werden am anderen Ende Kapazitäten gespart – vor allem, wenn es um den Bereich KI-gestützte Automatisierung geht, auch Hyperautomatisierung genannt. Durch diese Verbindung entstehen sich stetig verbessernde Handlungsabläufe, die sich auf der Basis von komplexer Mustererkennung vollziehen.
Hocquet: „Meine Botschaft ist, dass es bereits für wenig Geld Lösungen gibt, die den Arbeitsalltag um einiges erleichtern. Unsere Kunden sind begeistert von den Möglichkeiten, die eine automatische Informationsverarbeitung von schriftlichen Dokumenten bietet. Es ist fast wie eine Superpower, die mit der Zeit immer besser wird.“
Neugierig bleiben
Das Einspielen von Datensätzen ist leichter als gedacht und der Einsatz von KI ist also nicht teuer. Doch wo sollte ein Mittelständler anfangen? „Immer neugierig bleiben und sich über die neuesten Entwicklungen informieren“, sagt Karger. „Es gibt unzählige kostenlose KI-Tools, die man einfach mal ausprobieren kann. DeepL basiert beispielsweise auf KI und ist das beste Textübersetzungstool der Welt.“ Zusätzlich sollte jeder Unternehmer in sich gehen und sich fragen, welche Prozesse er innerhalb seiner Firma als lästig und langwierig empfindet. Das sei meist der beste Startpunkt für den Einsatz von KI.
Diesem Ansatz kann Hocquet nur zustimmen: „Jeder Unternehmer sollte prüfen, welche Arbeitsprozesse bereits durch regelbestimmte Software übernommen wird, weil man an diesen Stellen am einfachsten KI implementieren kann.“ Des Weiteren solle darauf geachtet werden, Mitarbeiter in den Prozess einzubeziehen und ihnen klarzumachen, dass eine KI ihre Arbeit nicht ersetzt, sondern ihnen mehr Zeit für sinnvollere Tätigkeiten verschafft.