eine Euro-Münze zerfällt in ihre Einzelteile
05.06.2023
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Noch vor wenigen Wochen machte sich in der deutschen Wirtschaft frühsommerlicher Optimismus breit: Die Konsumenten trotzen der Inflation! 45 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher gaben wieder mehr Geld für Konsum aus. Parallel dazu sanken die Energiekosten.

Und dann doch die Hiobsbotschaft: Laut Statistischem Bundesamt schrumpfte die heimische Ökonomie im ersten Quartal 2023 um 0,3 Prozent.

Damit ist der derzeitige News-Cycle das Spiegelbild der nachrichtlichen Ambivalenz der vergangenen Monate: Hoffnungsschimmer und Leberhaken im steten Wechsel. Und es macht keinen wirklichen Unterschied, ob wir die Nachrichtenportale in Deutschland, Frankreich oder England durchforsten. Denn auch in den anderen Ländern schlagen Ökonominnen und Ökonomen sowie Unternehmerinnen und Unternehmer Alarm.

Deutsche Sorgen, nordische Coolness

Doch wie gehen die einzelnen Länder mit der unsicheren Wirtschaftslage um? Einblicke gewährt der Report „The State of Spending“, für den das Marktforschungsinstitut Censuswide im Auftrag von Pleo 3.500 Entscheiderinnen und Entscheider kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) aus sieben europäischen Ländern befragte. Genauer gesagt: aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Schweden und Dänemark.

In der Umfrage fällt auf, dass sich insbesondere deutsche KMU schlecht für eine Rezession gerüstet sehen: Gerade einmal ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass sie gut für eine anhaltend schlechte Wirtschaftslage gewappnet sind. Das ist erst einmal nicht verwunderlich: Die vergangenen Krisen haben an den finanziellen Reserven des deutschen Mittelstands gezehrt.

Konkret bedeutet das: Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer glauben, dass sie in einer neuerlichen Krise selbst mit finanzieller Unterstützung – etwa durch Regierungsinitiativen oder private Darlehen – durchschnittlich fünf weitere Monate im Normalbetrieb weiter arbeiten und überleben könnten.

In den anderen europäischen Ländern sieht dies etwas anders aus. In Schweden gibt beispielsweise rund die Hälfte der Unternehmerinnen und Unternehmer (47 Prozent) an, gut auf eine neuerliche Krise vorbereitet zu sein. In Großbritannien sagen dies 45 Prozent.

Keinen Überblick über die Firmenfinanzen

Als einen zentralen Grund für diese Unsicherheit nennen viele deutsche Entscheiderinnen und Entscheider die unzureichende Übersicht über die eigenen Firmenfinanzen. Nur 37 Prozent sehen sich in diesem Bereich gut aufgestellt.

Ein erschreckender Wert, schließlich ist die Übersicht über die eigenen Firmenfinanzen und den Cashflow entscheidend für die wirtschaftliche Gesundheit. Ohne einen guten Überblick kann keine Unternehmerin und kein Unternehmer fundierte Entscheidungen über Runway, Sparzwänge oder Investitionen treffen. Und so hat beinahe jedes dritte deutsche KMU Probleme mit der Aufstellung und Planung von Budgets.

Damit befindet sich die deutsche Unternehmenslandschaft erstaunlicherweise im europäischen Mittelfeld. 47 Prozent der französischen Unternehmen hatten und haben Probleme, ihre Budgets zu planen. In Großbritannien sind es 44 Prozent. Andersherum haben, laut eigenen Angaben, 52 Prozent der schwedischen und 48 Prozent der dänischen Unternehmen ihre Finanzen im Griff.

Brennpunkt IT

Gründe für die finanziellen Transparenzprobleme sehen viele Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Finanzsoftware.

  • 32 Prozent der deutschen KMU klagen über überstrapazierte Software – oder darüber, dass sie zu viele verschiedene Tools einsetzen (müssen).
  • 27 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider beschweren sich über zu komplizierte oder schwer zu bedienende Plattformen.
  • 30 Prozent der Bosse glauben, dass der Überfluss an Daten und Plattformen ihre Mitarbeitenden überlastet.

Und so ist es keine wirkliche Überraschung, dass Buchhaltung und Buchhaltungssoftware – neben Cybersecurity-Maßnahmen und Expansionsplänen – zu den Top-3-Investmentprioritäten kleiner und mittelständischer Unternehmen gehören.

Mit Personaleinsparungen gegen den Fachkräftemangel? 

Apropos Investmentprioritäten: Trotz des eingangs erwähnten Pessimismus vieler Unternehmerinnen und Unternehmer hinsichtlich ihrer Rezessions-Resilienz, verfolgen Firmen in ganz Europa ehrgeizige Pläne. Jedes vierte europäische Unternehmen hat das klare Ziel „Wachstum“ vor Augen. Gerade die Dänen sind dahingehend besonders ambitioniert, denn hier ist es sogar jedes dritte Unternehmen.

Aber auch die Verbesserung der Unternehmenskultur ist erklärtes Ziel vieler Entscheiderinnen und Entscheider. Deutschland und Spanien stechen in diesem Punkt hervor: 27 Prozent der deutschen und 29 Prozent der spanischen KMU wollen ihr Arbeitsumfeld deutlich verbessern. Angesichts des Fachkräftemangels ist dies in Deutschland keine überraschende Prioritätensetzung; im derzeitigen „Arbeitnehmermarkt“ muss der Arbeitgeber potenzielle Talente von sich überzeugen und dementsprechend investieren.

Paradoxerweise wollen deutsche Unternehmen jedoch im Krisenfall gerade bei den Personalkosten als erstes sparen. 34 Prozent der Unternehmen wollen zur Not die Bonuszahlungen und 32 Prozent die Mitarbeitenden-Benefits reduzieren oder streichen. Dieser Trend ist nicht Deutschland-exklusiv, sondern kann in allen Ländern beobachtet werden. Dennoch wird es interessant zu beobachten sein, wie Unternehmerinnen und Unternehmer das Spannungsverhältnis „besseres Arbeitsumfeld“ und „Einsparungen beim Personal“ aufheben wollen.

Und auch die erklärten Expansionsziele europäischer KMU könnten notfalls schnell hinterfragt werden. In der Krise gilt nämlich europaweit: Kostenkonsolidierung. So wollen sich, falls nötig, 23 Prozent der britischen und schwedischen sowie 21 Prozent der deutschen, französischen und spanischen Unternehmen aus (Neben-)Märkten zurückziehen und die eigenen Kernmärkte in den Fokus stellen.

Finanzplanung: der Dreh- und Angelpunkt

Doch ganz gleich ob Investment oder Sparmaßnahme, ob Wachstumsplan oder Gesundschrumpfung: Jeder Plan steht und fällt mit der Übersicht über die eigenen Firmenfinanzen. Schlechte Transparenz über die eigenen Zahlen kann zu falschen oder vorschnellen Entscheidungen führen. Und das ist – ganz gleich ob während einer Rezession oder einer Boom-Periode – ein Problem.

Wer es also aktuell trotz Zukunftssorgen schafft, seinen Tech-Stack für den Finanzbereich auf den Prüfstand zu stellen, zu modernisieren und – auf Basis der eigenen Bedürfnisse – zu verbessern, wird in jedem Fall zuverlässiger die Weichen für die Zukunft stellen.

Zur Person

Jens Leucke, Head of DACH beim FinTech Pleo

Jens Leucke

ist Head of DACH bei Pleo. Der studierte IT-Ingenieur hat mehr als ein Jahrzehnt an Führungserfahrung in der Tech-Branche. So war er unter anderem als Director Sales Midmarket bei Dell und als General Manager & Head of Sales DACH bei Freshworks tätig

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
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