Arbeiten im Alter

Sind Unternehmen auf den demografischen Wandel vorbereitet?

Chinas Bevölkerung altert noch weit dramatischer als die deutsche. Wissenschaftler untersuchen, wie sich Unternehmen auf diesen demografischen Wandel vorbereiten können. Die – auch kulturellen – Unterschiede in beiden Ländern sind beträchtlich.

Ein älterer chinesischer Büroarbeiter schaut an der Kamera vorbei aus dem Fenster, als Symbol für den demografischen Wandel

13.08.2024

Sieben Millionen Arbeitskräfte verliert Deutschland bis 2035, wenn die Babyboomer in Rente gehen. Nichts im Vergleich zu China und dessen Kampf gegen den demografischen Wandel: Dort scheiden laut Reuters in den kommenden zehn Jahren rund 300 Millionen Erwerbstätige aus dem Arbeitsleben aus.

Was das Problem verschärft: In China gehen die Menschen bislang so früh in den Ruhestand wie in kaum einem anderen Land: Männer mit 60, Frauen in Bürojobs mit 55, Fabrikarbeiterinnen noch mal fünf Jahre früher. Nur Universitätsprofessorinnen und -professoren arbeiten bis 65, 70 oder gar 75. Für alle anderen wird bis 2029 das Renteneintrittsalter schrittweise angehoben, flexibel und auf freiwilliger Basis.

Mitarbeitende lange halten

In Deutschland suchen Unternehmen als Reaktion auf den demografischen Wandel Strategien gegen den Arbeitskräftemangel. Jürgen Deller, Professor für Wirtschaftspsychologie, erforscht, was Organisationen tun können, damit Mitarbeitende ihnen möglichst lange gesund und motiviert erhalten bleiben. Mit seinem Team erstellt er den „Later Life Workplace Index“ (LLWI), der Firmen und Verwaltungen eine Einschätzung ermöglicht, wie gut sie auf eine alternde Belegschaft vorbereitet sind.

„Wichtige Aspekte sind etwa Gesundheitsmanagement, Wissenstransfer und der Übergang in den Ruhestand“, sagt Deller. Auch in China bestehe großes Interesse an diesem Thema, so Deller. Allerdings seien dort die Rahmenbedingungen oft gänzlich anders als in Deutschland. Einige Beispiele zeigen die Unterschiede zwischen beiden Ländern. Etwa in der Gesundheitsvorsorge: „Bei uns liegt das Thema ganz klar in der Verantwortung des Managements“, so Deller.

Jie Yang, Professor an der Guilin University of Electronic Technology, der in der Volksrepublik zum LLWI forscht, sagt: „In China steigt seit 2015 der Stellenwert des Gesundheitsmanagements in staatlichen Unternehmen, der Regierung und in öffentlichen Einrichtungen.“ In vielen Organisationen richteten zudem Gewerkschaften sportliche Aktivitäten für die Belegschaft aus, um deren Gesundheit zu fördern.

Systematik versus Sympathie

Damit kein Wissen verloren geht, wenn ältere Mitarbeitende ausscheiden, wenden Organisationen in Deutschland laut Deller zahlreiche Methoden an: „Unternehmen versuchen, eine Systematik zur Wissensspeicherung aufzubauen.“ In China werden Teams oft mit Mitarbeitenden verschiedener Altersgruppen gebildet. „So können erfahrene Mitarbeitende jüngere anleiten und umgekehrt die jüngeren ihren älteren Kolleginnen und Kollegen neue Impulse geben“, so Yang.

Und auch beim Thema Übergang in den Ruhestand gibt es deutliche Unterschiede. Hierzulande reduzieren ältere Arbeitnehmende ihre Stundenzahl oft. Eine ähnliche Altersteilzeit existiert in China nicht. Dafür aber eine andere Praxis: Dort ist der Pool an jüngeren Mitarbeitenden groß, die Jugendarbeitslosigkeit lag 2023 bei 14,9 Prozent. Um Jüngeren einen Karrieresprung zu ermöglichen, ist vor allem in staatlichen Organisationen in China eine Art interner Ruhestand üblich. „Dabei wird älteren Mitarbeitenden in gehobenen Positionen eine höhere Vergütung angeboten, wenn sie ihren Posten jüngeren überlassen, damit diese die Chance zum Aufstieg bekommen“, erklärt Yang.

 

 

 

 

 

Porträtfoto eines Professors aus Deutschland

Prof. Dr. Jürgen Deller

hat eine Professur für Wirtschaftspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg inne

Porträtfoto eines Professors aus China

Prof. Jie Yang

ist Professor an der Business School der Guilin University of Electronic Technology