Dass die Arbeitsmethoden sich verändert haben, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Dass Unternehmen umdenken müssen, auch. Aber was bedeutet das konkret? Welche ersten Schritte können gerade kleinere Firmen in das Morgen der Arbeit unternehmen? Werden Avatare und Mixed Reality persönliche Treffen ersetzen? Und was ist mit der Datensicherheit? Zwei Experten liefern die Antworten.
Exklusivinterview
Ohne Cloud kein New Work?
Die Zukunft der Arbeit hat längst begonnen. Und sie wird stetig weiter verändert. Ein Gespräch mit Marianne Janik von Microsoft und Peter Arbitter von der Telekom über das Morgen und Übermorgen der Arbeit, deutsche Angst um die Daten – und die Macht der ersten 100 Tage.
27.12.2021
Marianne Janik
ist seit November 2020 Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland. Die Juristin hat zuvor unter anderem für Daimler-Benz gearbeitet
Peter Arbitter
leitet bei Telekom Deutschland den Portfolio- und Produktmanagementbereich des B2B-Geschäfts. Zuvor war er für das Cloudgeschäft bei Microsoft verantwortlich sowie zwölf Jahre bei Siemens tätig
Hat die Coronapandemie dem Cloud-Computing tatsächlich zum endgültigen Durchbruch verholfen?
Marianne Janik: Corona, insbesondere die Lockdowns, haben work from home massiv eingefordert. Daher sahen wir anfänglich besonders die „Teams“-Nutzung massiv steigen. Parallel aber haben immer mehr Unternehmen neue Businessprozesse und Arbeitsmethoden eingeführt und sich die Vorteile der Cloud zunutze gemacht. Man hat die Coronaphase zum Anlass genommen, um sich intensiver mit den Cloud-Themen auseinanderzusetzen. So gesehen, lautet die Antwort auf Ihre Frage also: ja. Peter Arbitter: Auch von mir ganz klare Zustimmung. Corona ist für die Digitalisierung ein Katalysator. Es fällt mir keine Facette ein, in der das nicht der Fall war. Das gilt auch für das Cloud-Computing, das damit den endgültigen Durchbruch geschafft hat. Die Pandemie hat aufgezeigt, wie wichtig es für Unternehmen ist, dynamisch auf Entwicklungen reagieren zu können – etwa die kleineren Geschäfte, die über Nacht einen Online-Shop eingerichtet hatten.
Bleibt es beim nur einmaligen Coronaeffekt oder ist das eine irreversible Entwicklung?
Arbitter: Es mag sein, dass die Geschwindigkeit der Adaption abnimmt, aber die Verwendung wird weiter steigen.
In welchen Unternehmensbereichen können Cloud-Anwendungen besonders helfen?
Arbitter: Resilienz und Dynamik, das sind die wesentlichen Vorteile der Cloud. Natürlich gibt es Bereiche, die diese Eigenschaften besonders brauchen. Ein Beispiel dafür sind saisonale Geschäfte: Mit der Cloud hat man deren Dynamik und die Kostenentwicklung im Griff. Janik: Ich denke, die Frage müsste eher sein, wo die Cloud nicht zur Effizienzsteigerung beiträgt. Ob Produktion, ob Sales, ob Marketing, ob Finanzen, ob Logistik – es gibt überall Beispiele.
Welche Hausaufgaben müssen vor allem kleinere Unternehmen eventuell noch machen, um das Thema Cloud tatsächlich anzugehen?
Arbitter: Im Idealfall sollten einzelne Arbeitnehmer als Meinungsbildner eingebunden werden. Einfach weil so Bedenken und Sorgen ausgeräumt werden können. Und wenn man sich für ein Tool entschieden hat, müssen Mitarbeiter auch geschult werden. Janik: Die ersten 100 Tage sind entscheidend. Wichtig ist es, alle Mitarbeiter abzuholen über Webinare, On-Site-Trainings und so weiter. Und zuvor gilt: Mit einem Partner evaluieren und Klarheit schaffen, in welchen Bereichen die Cloud die Effizienz erhöht oder die Kosten reduziert und wie man einen integralen Cloud-Shift hinbekommt.
Was ist ein Beispiel für einen klassischen Stolperstein bei der Cloud-Implementierung?
Arbitter: Das ist der gefühlte Kontrollverlust. In der Vergangenheit hatte man Systeme, die man sehen konnte. Im Vergleich dazu fühlt sich die Cloud für einige nicht gut an. Manche haben auch Datensicherheitsbedenken. Diese halte ich für völlig unnötig. Denn ohne die geschützte Cloud ziehen Sie immer den Kürzeren gegen die hochgerüstete andere Seite.
Welche Tools helfen gerade kleineren Unternehmen dabei, künftig besser zusammenzuarbeiten?
Janik: Das Wichtigste ist, dass es nicht einfach ein „Konferenz-Tool“ ist, sondern es muss eine Kollaborationslösung sein, die es ohne Medienbrüche erlaubt, auf Dateien zuzugreifen, live die Bearbeitung von Dokumenten vorzunehmen und so weiter.
Je stärker die Vernetzung, desto mehr Angriffsfläche gibt es für Cyberkriminelle. Wie sicher ist die neue Arbeitswelt also?
Janik: Die Cloud-Anbieter und Microsoft insbesondere investieren Millionen, um die Cloud sowie die Applikationen sicher zu halten. Das bedeutet: Je konsequenter man in die Cloud geht, desto sicherer ist die neue Arbeitswelt. Arbitter: Ich beschreibe das mal martialisch: Wir befinden uns im Cyberkrieg; jede Seite rüstet massiv auf – Anbieter wie Verteidiger. Die Geschwindigkeit ist so hoch, dass Menschen ohne entsprechende Ausbildung keine Chancen haben. Sie wissen: Es gibt keine ungehackten Firmen, sondern nur welche, die vom Hackerangriff wissen, und welche, die es noch nicht herausgefunden haben. Die Hyperscaler-Cloud ist die sicherere Lösung, da sie auf höchstem Sicherheitsniveau betrieben wird.
Telekom und Microsoft arbeiten zusammen. Wie muss man sich das aus Kundensicht in der Praxis konkret vorstellen?
Janik: Microsoft generiert einen Großteil des Geschäfts über Partner – und die Telekom ist einer unserer wichtigsten strategischen Partner. Über die letzten Jahre haben wir das Business gemeinsam entwickelt, und die Telekom ist heute Partner für M365/Azure und Dynamics und seit Kurzem auch für Windows 365, den Cloud-PC. Die Telekom übernimmt den Vertrieb und Support für die Lösungen für alle ihrer Kunden im Mittelstand – sehr oft kombiniert mit den Leistungen der Telekom im Bereich Netzwerk, Beratung und Connectivity. Die Telekom ist einer der wichtigsten Partner, wenn es um die Digitalisierung des Mittelstands in Deutschland geht. Arbitter: Wir sind seit vielen Jahren strategische Partner. Vereinfacht gesagt, verbinden wir Microsofts Produkte mit unseren Telekommunikationsprodukten. Die Cloud braucht eine Netzinfrastruktur; ohne Netz keine Cloud. Auch kollaborative Lösungen brauchen das Netz. Wenn ich keinen Zugriff habe und Videos stoppen, dann liegt das nicht am Tool, sondern an meiner Netzverbindung beziehungsweise der Konfiguration meines Heimnetzes. Deshalb bieten wir das beste Netz, den Einrichtungsservice und auch die Sicherheitskomponente an.
Wenn es beim Thema Digitalisierung auch um Effizienz geht,welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei?
Janik: Ohne Digitalisierung gibt es keine Dekarbonisierung. Bis 2050 wollen wir bei Microsoft unseren gesamten CO2-Footprint zurückgegeben haben. Die Telekom hat ebenso ambitionierte Ziele, und die beiden CEOs sprechen regelmäßig dazu. Wir arbeiten gemeinsam daran, den Mittelstand beim Erreichen der Klimaziele zu unterstützen. In den nächsten Monaten werden Sie mehr dazu hören.
Wie sieht die Arbeitswelt 2025 aus?
Janik: Das hybride Arbeiten funktioniert dann wesentlich besser als 2021. Avatare und Mixed Reality sind keine Fiktion mehr, aber auch physische Meetings werden stattfinden. Im Rahmen der Klimadiskussionen werden viele Meetings auch unter CO2-Aspekten hybrid stattfinden, aber die fühlen sich dann gar nicht mehr so hybrid an. Es ist das „New Normal“. Arbitter: Innovationen werden immer schneller massenmarktfähig – Sprache transkribieren und übersetzen etwa, dann folgt das Thema Augmented Reality und Avatare. Das werden die nächsten Schritte in die Zukunft sein. Und die kommt – das zeigt die Erfahrung – immer schneller als gedacht.
Redakteur
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