Sich nach außen hin als divers und offen präsentieren, im Unternehmen aber keine oder nur wenige Maßnahmen zur Förderung von Diversität umsetzen? Das ist keine gute Idee. „Wer das Gesagte intern wie extern nicht glaubwürdig lebt und den Worten keine Taten folgen lässt, schadet sich“, sagt Dr. Jörg Ehmer, CEO von Apollo Optik.
Er setzt sich seit Jahren aktiv für mehr Diversität ein. Was ihn dabei antreibt? „Mein Wertesystem. Es ist einfach falsch, Menschen ohne wirklich guten sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Vielseitigkeit ist bereichernd.“
Diversität hat viele Dimensionen
Das Problem dabei ist: Die Studie „Inclusion & Diversity“ von der Personalberatung Odgers Berndtson zeigt, dass es kein einheitliches Verständnis davon gibt, wer überhaupt zu „Randgruppen“ zählt und wen man gezielt fördern müsste, um ein Unternehmen diverser aufzustellen. Laut Studie wurden in der Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Förderung von Frauen etabliert, in 30 Prozent zur Unterstützung von Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft und in zwölf Prozent der Betriebe zur Förderung von LGBTIQ+.
Befragt wurden von Odgers Berndtson 560 Vorstandsmitglieder, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Aufsichtsratsmitglieder von meist mittelständischen Unternehmen.
„Unternehmen sollten Diversität inzwischen als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor erkannt haben und daher aus eigenem Antrieb Diversitätsziele festlegen und nachhalten“, sagt Victoria Wagner, Gründerin des Netzwerks BeyondGenderAgenda. „Unsere Diversitätsstudie ‚German Diversity Monitor‘ zeigt jedoch, dass dies bei vielen Unternehmen bisher noch nicht umfassend der Fall ist. So steht zum Beispiel oft nur Gender-Diversity im Fokus der Bemühungen; weitere Diversitätsdimensionen werden aber immer noch vernachlässigt.“
Brauchen Unternehmen einen Chief Diversity Officer?
Dass mithilfe eines Chief Diversity Officers Vielfalt in deutschen Unternehmen besser gefördert werden könnte, glaubt die Mehrheit der von Odgers Berndtson Befragten nicht. Zwar gewinnen die Aufgaben des Chief Diversity Officers an Bedeutung. Doch diese Aufgaben können – so sehen es zwei Drittel der Befragten – auch problemlos von der Personalvorständin oder dem Personalvorstand oder den Chief Procurement Officer übernommen werden.
Lediglich 30 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass in Organisationen mit mehr als 500 Mitarbeitenden explizit eine Position für einen Chief Diversity Officer geschaffen werden sollte.
Maßnahmen umsetzen statt nur darüber zu reden
„Diversität trägt maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bei. Da die oder der CEO die ökonomische Performance verantwortet, ist es wichtig, dass sie oder er als Vorbild vorangeht und Diversität zur Chefinnen- beziehungsweise Chefsache macht“, betont Wagner.
Bei Apollo Optik ist Diversity Chefsache. CEO Ehmer bezeichnet sich selbst sogar als Chief Diversity Officer – ohne, dass er den Titel offiziell trägt. Und die Liste der Maßnahmen und Initiativen bei Apollo Optik ist lang – von gut sichtbaren Regenbogen-Aufklebern an jeder Filialtür über Förderprogramme für Frauen in Führungsrollen bis hin zu Diversity-Trainings für alle, die im Unternehmen Personal einstellen. „Und der neueste Beitrag: unsere jüngst veröffentlichte Richtlinie zum Umgang mit Geschlechtsangleichungen, in der wir transsexuellen Menschen und allen Beteiligten Sicherheit und Unterstützung bieten“, berichtet Ehmer.
Mehr Diversität – ja, aber wie?
Was das Wichtigste ist, damit ein Unternehmen sich diverser aufstellen kann? Dazu hat der Apollo-Optik-Chef eine klare Meinung: „Von der Unternehmensspitze aus klarmachen, dass man ohne jedes Augenzwinkern für Diversität steht – und das dann durch konkrete Aktionen glaubhaft machen.“
Als Beispiele für solche Maßnahmen nennt Ehmer unter anderem:
- Equal Pay deutlich sichtbar umsetzen
- bei Bewerbungsprozessen unnötige Anforderungen streichen, die soziale Diversität hemmen könnten
- Menschen mit Handicap einstellen statt zähneknirschend eine Ausgleichsabgabe zu zahlen
„Es gibt nahezu endlose Möglichkeiten. Entscheidend ist, dass man etwas macht und nicht nur darüber redet“, so Ehmer.
Wird eine Diversitätstransformation angestrebt, empfiehlt Wagner zunächst den Status quo im Unternehmen zu erheben, um dann auf der Basis Diversitätsziele und eine -strategie entwickeln zu können. Wichtig dabei sei es, für die Umsetzung personelle wie finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen und die Transformation kommunikativ nach innen und außen zu begleiten.
„Hierbei sollte nicht nur Geschlechterdiversität, sondern es sollten gleichermaßen alle Diversitätsdimensionen wie Alter, soziale oder kulturelle Herkunft, Behinderungen sowie sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität berücksichtigt werden“, appelliert Wagner an Führungskräfte.
Diversität fördern, von Vorteilen profitieren
Wem es gelingt, eine echte Diversity-Kultur im Unternehmen zu implementieren, der profitiert – sowohl wirtschaftlich als auch im War for Talents.
„Bei divers aufgestellten Unternehmen arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Prägungen und Erfahrungen eng zusammen. Diese Vielfalt erzeugt Reibung, welche wiederum zu mehr Kreativität und somit auch einer höheren Innovationsrate führt“, sagt Wagner. Eine Vielzahl an unterschiedlichen Ideen, Perspektiven und Meinungen könne jedoch auch anstrengend sein und deren Management Zeit beanspruchen. „Dies kann im Gegensatz zur schnellen Entscheidungsfindung eines homogenen Teams zumindest zu Beginn als eher unkomfortabel empfunden werden.“
Doch langfristig – da sind sich Wagner und Ehmer einig – ist klar im Vorteil, wer bis zur obersten Führungsetage hin divers aufgestellt ist, ein inklusives Arbeitsumfeld bietet und Personen unterschiedlicher Prägung im Berufsalltag und in Entscheidungsprozesse aktiv einbezieht.