Illustration: Mann steht mit Fernglas auf einer gezeichneten Glübirne, die von einer Hand gehalten wird.
22.02.2023    Christian Buchholz
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Neben steigenden Produktions- und Energiekosten ist der Personal- und Fachkräftemangel aktuell die größte Herausforderung für deutsche Unternehmen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie zur Absicherung von Mitarbeitenden aus Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die das Marktforschungsinstitut „Heute und Morgen“ in Zusammenarbeit mit dem Versicherer AXA Anfang 2023 herausgegeben hat. Die Studie wurde im Herbst 2022 unter 500 Unternehmen durchgeführt und zeigt, dass die Herausforderungen für 70 Prozent der Personalverantwortlichen in den deutschen Firmen zugenommen haben.

Mit bAV und bKV punkten

Fachkräfte zu finden und diese auch langfristig an sich zu binden erfordert ein Höchstmaß an Kreativität und ist längst zu einem entscheidenden Faktor für den Geschäftserfolg geworden. Doch was können Personalerinnen und Personaler neben einem attraktiven Gehalt anbieten? Ein möglicher Hebel sind Corporate Employee Benefits (CEB) – also Zusatzleistungen, mit denen Unternehmen die Zufriedenheit und Produktivität ihrer Beschäftigten steigern können.

Dass sich diese Zusatzleistungen für Unternehmen rechnen, zeigt die KMU-Studie ebenfalls. So schätzen drei von vier Arbeitgebenden die betriebliche Altersvorsorge (bAV) als wirksames oder sehr wirksames Mittel zur Personalgewinnung und -bindung ein.

Allerdings: Bislang wird die bAV nur von knapp der Hälfte der befragten Unternehmen angeboten, die betriebliche Krankenversicherung (bKV) lediglich von 15 Prozent. Dabei bewerten 96 Prozent der Unternehmen, die dieses Angebot unterbreiten, eben diese Firmenvorteile als sehr wirksames Recruitingmittel.

Auf die Wünsche der jungen Talente eingehen

Dass Unternehmen heute neben dem Gehalt attraktive Zusatzleistungen anbieten wollen, bestätigten 86 Prozent. Denn für viele Firmen sind diese Benefits auch eine Alternative, um den Mitarbeitenden in Krisenjahren, in denen eine Gehaltserhöhung vielleicht gerade nicht drin ist, trotzdem etwas Gutes zu tun. Das hält die Produktivität hoch und die Fluktuation gering.

Doch warum bieten dann nicht viel mehr Unternehmen die Mitarbeitenden-Absicherungen als Zusatzleistungen neben zum Beispiel einer leistungsorientierten Zusatzzahlung oder flexiblen Arbeitszeitmodellen an, um Fachkräfte für sich zu gewinnen oder zu binden? „Das liegt vor allem daran, dass in den vergangenen zwei Jahren 84 Prozent der Unternehmen keine Informationen zu den bAV-Angeboten und 77 Prozent der Firmen keine Informationen zu bKV-Angeboten erhalten beziehungsweise aktiv eingeholt haben“, sagt Dr. Fredrick Krummet, der beim Versicherer AXA den Bereich Corporate Employee Benefits verantwortet.

Laut Krummet wünschen sich jedoch über drei Viertel der Arbeitgeber entsprechende Informationen, gern auch von einem zentralen Ansprechpartner. „Deshalb ist für uns als Versicherer ein ganzheitlicher Beratungsansatz zur Mitarbeitendenabsicherung wichtig“, so Krummet. Er sieht erhebliche Vertriebspotenziale, wenn die Versicherungsbanche mit verbesserten Informationsangeboten sowie passgenaueren und vor allem weniger komplexen Vorsorgeangeboten auf die Unternehmen und deren Beschäftigte zugeht.

Individuelle Situation ist entscheidend

Dabei sollten die Wünsche und veränderten Anforderungen der jungen Fachkräfte und Talente nicht außer Acht gelassen werden. Die Bandbreite an Mitarbeitenden-Angeboten ist riesig. Welche Angebote schlussendlich für die Fachkräftegewinnung zünden, ist aber von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich und hängt vor allem von der jeweiligen familiären und finanziellen Situation der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers ab.

Neben den klassischen Vorsorgeangeboten wie eine bAV oder bKV können beispielsweise auch flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice oder zur Workation, ein Zuschuss zum Monatsticket für Bus und Bahn oder das Mitbringen des Hundes zur Arbeit entscheidende Benefits sein.

Zunehmend gewinnen auch familienfreundliche Benefits für die Mitarbeiter wie spezielle Betreuungsangebote für Kinder oder mehr Kinderkrankentage im Jahr immer mehr an Bedeutung. Noch einen Schritt weiter gehen Arbeitgeber, die Familien mit Mentoring-Programmen zur Seite stehen. Im Kampf um Fachkräfte können sich Unternehmen mit ihrer Arbeitgebermarke hervortun, indem sie für Eltern attraktiver werden. Für kinderlose Fachkräfte fallen diese Angebote hingegen nicht ins Gewicht und werden für sie kaum ein Grund sein, sich für ein bestimmtes Unternehmen zu entscheiden. Es gilt also eine gelungene Balance aus verschiedenen Benefits zu finden.

Jeder und jede Beschäftigte hat ein ganz persönliches Spannungsfeld zwischen Privat- und Berufsleben. Beide Welten bestmöglich miteinander zu vereinbaren ist leichter gesagt als getan. Doch es gibt innovative Anbieter wie das Berliner Start-up Voiio, das Mitarbeitende und Unternehmen genau dabei unterstützt. Über eine Online-Plattform, aber auch mit persönlicher Beratung versorgt Voiio seine Kundinnen und Kunden in allen Lebenslagen laut eigener Aussage „mit Tausenden qualitätsgeprüften Services und Angeboten“, zum Beispiel für die Kinderbetreuung oder die Pflegeberatung für die Eltern oder aber Voiio vermittelt Unterstützung bei der Krisenintervention im Todesfall.

Mobilitätsbudget bietet riesiges Potenzial

Dass sich die Ansprüche an Mitarbeitenden-Benefits verändern, zeigte sich nicht nur in der Coronapandemie, als plötzlich das Thema Gesundheit für Arbeitnehmende und ihre Unternehmen deutlich an Relevanz gewann. Jüngere Menschen fragen zudem immer öfter nach dem Sinn ihrer Arbeit – Stichwort Purpose. Sie wünschen sich Benefits mit einem sozialen oder nachhaltigen Impact.

„Im Grunde haben Unternehmen in diesem Bereich große Möglichkeiten, ihrer Corporate Social Responsibility nachzukommen und als Katalysator neue Verhaltensweisen zu fördern“, sagt Sabine Hammes, CEO des Start-ups Lofino. Sie sieht insbesondere im veränderten Mobilitätsverhalten eine der größten Herausforderungen derzeit.

Mobilität wird individueller, flexibler und nicht nur durch politische Vorgaben auch nachhaltiger. Darin sieht Lofino großes Potenzial. „Ein Mobilitätsbudget bietet viele Möglichkeiten für Mitarbeitende, ihre berufliche wie private Mobilität flexibel zu gestalten“, so Hammes. Neben dem Aspekt der Mitarbeiterzufriedenheit böten derartige Angebote den Unternehmen zusätzlich große Potenziale, Kosten zu sparen.

Portraitfoto Dr. Frederick Krummet

Dr. Frederick Krummet

ist Leiter des Geschäftsfelds Corporate Employ­ee Benefits beim Versicherer AXA

„Wir müssen überzeugen“

Mit welchen Maßnahmen kleine und mittlere Unternehmen dem Fachkräftemangel begegnen können, hat der Versicherer AXA in einer Studie untersucht. Dr. Frederick Krummet, Leiter des Geschäftsfelds Corporate Employee Benefits (CEB), über die Erkenntnisse.



Für 70 Prozent der Unternehmen ist Personalmangel ein großes Problem. Wie können Arbeitgebende für bestehende und künftige Beschäftigte attraktiver werden?

Frederick Krummet: Ein ordentliches Gehalt, genügend Urlaub, ein vernünftiger Arbeitsplatz und Karrierechancen waren in der Vergangenheit ausreichend, um Mitarbeitende an sich zu binden. Heute stehen Arbeitgebende massiv unter Druck, Personal zu finden und für sich zu begeistern. Sie sollten weiterhin daran arbeiten, ihre Marke zu stärken und sich gegenüber potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern als attraktives Unternehmen zu positionieren.

Durch ein starkes Employer Branding und die dazu passenden Maßnahmen lässt sich ein positives Image schaffen, um im Wettbewerb zu bestehen. Hierzu gehören neben der Festlegung von Unternehmenswerten oder dem Aufbau einer bestimmten Unternehmenskultur auch das Angebot von finanziellen Anreizen, flexiblen Arbeitszeitmodellen oder Zusatzleistungen wie Jobticket, Firmenwagen, Firmenhandy und innerbetrieblichen Gesundheitsmaßnahmen. Ein echtes Differenzierungsmerkmal bieten dabei die Zusatzleistungen in der Mitarbeitendenabsicherung, um als Arbeitgebender noch attraktiver zu werden. Dies zeigt auch unsere aktuelle Studie, in der 78 Prozent der 500 befragten Entscheidungsträger von kleinen und mittleren Unternehmen die betriebliche Altersversorgung als wirksam zur Mitarbeitergewinnung und -bindung nennen.

Welchen Wandel sehen Sie bei den Ansprüchen, die insbesondere jüngere Arbeitnehmende an ein Unternehmen stellen?

Krummet: Junge Arbeitnehmende möchten sich heutzutage noch mehr mit ihrem Arbeitgebenden identifizieren. Neben einer ausgeglichenen Work-Life-Balance, einer flexiblen Einteilung des Arbeitsorts und der Arbeitszeit geht es auch um Themen wie Nachhaltigkeit. Die junge Generation ist in ihren Vorstellungen sehr klar. Gleichzeitig denken junge Mitarbeitende auch heute schon an die Zukunft. Instrumente der Mitarbeitendenabsicherung, wie die der bAV und der bKV, spielen bei jungen Mitarbeitenden in der Wahl des Arbeitgebenden eine immer größere Rolle. Die Unternehmen setzen diese Maßnahmen aber noch viel zu selten ein.

Was hindert Personalverantwortliche, die Möglichkeiten von bAV und bKV einzusetzen?

Krummet: Personalverantwortliche haben eine große Bandbreite an Aufgaben. Insofern ist es nachvollziehbar, dass Versicherungsprodukte zur Mitarbeitendenabsicherung nicht als zentrales Fokusthema von Personalverantwortlichen angesehen werden. Viele fühlen sich auch nicht genügend informiert, weshalb sie auch einen zu hohen Aufwand und zu hohe Kosten befürchten. Dabei sind die bAV und die bKV durch die staatlichen Förderungen für Arbeitgebende sogar günstiger als eine vergleichbare Gehaltserhöhung.

Ist der Aufwand für das Personalmanagement tatsächlich so hoch wie in vielen Unternehmen befürchtet wird?

Krummet: Der Aufwand ist wesentlich geringer als gedacht. Das bestätigen uns die Unternehmen, die bereits eine bAV oder bKV anbieten. Für die Verwaltung der Verträge werden digitale Portale genutzt, sodass Mitarbeitende schnell und unkompliziert für die Zusatzleistungen an- und abgemeldet werden können. Die Lohn- und Gehaltsabrechnung kann weiterhin über die herkömmlichen Personalprogramme erledigt werden. Nahezu alle Programme sind in Bezug auf eine bAV oder bKV automatisiert. Die Abrechnung von Versicherungsleistungen erfolgt in der Regel direkt zwischen Mitarbeitenden und dem Versicherer. In Summe bleibt der Aufwand für das Personalmanagement also überschaubar.

Was können Versicherer tun, um ihre Angebote noch besser zu vermitteln?

Krummet: Unsere Studie unter kleinen und mittleren Unternehmen hat gezeigt, dass mehr als drei Viertel der Befragten keine Information über die bAV oder bKV erhalten oder eingeholt haben. Das zeigt, dass wir noch stärker informieren und überzeugen müssen, dass diese Instrumente einen echten Mehrwert für alle Beteiligten schaffen. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und Inflation können die bAV und bKV nicht nur ein entscheidendes Argument für die Gewinnung von Personal sein, sondern auch ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den bestehenden Mitarbeitenden sein.

Welche neuen Trends werden den Bereich CEB künftig prägen?

Krummet: Corporate Employee Benefits wie die bAV, die bKV und die internationale Krankenversicherung werden weiterhin den Bedarf des Unternehmens und der Mitarbeitenden in den Fokus rücken. Es wird auch in Zukunft um Prävention, Gesundheits-, Invaliden-, Todesfallschutz und die Absicherung im Alter gehen. Insbesondere der Gesundheitsschutz wird in den Betrieben weiter an Bedeutung gewinnen – nicht zuletzt durch die Anforderungen der Generation Z und die Auswirkungen des demografischen Wandels.

Auch das Thema Nachhaltigkeit wird weiterhin prägend für Unternehmen sein. Die Regulatorik mit der Corporate Sustainability Reporting Directive zur Berichterstattung und dem Lieferkettengesetz wird immer stärker in die Betriebe hineinwirken. Diese Entwicklungen werden wir als Produktgeber und Versicherer entsprechend begleiten. Künftig werden Benefit-Konzepte noch stärker gesellschaftspolitische Trends aufgreifen. Wir sehen uns mit unseren Lösungen gut aufgestellt und können auch in Zukunft echte Mehrwerte für unsere Kunden schaffen.

22.02.2023    Christian Buchholz
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