Mein Weg zur Entwicklung eines eigenen Bots für Objectives and Key Results (OKRs) begann vor fünf Jahren mit dem Versuch, einen Alexa-Skill zu kreieren – eine Art „Was-würde-Marco-sagen-Skill“. Dieser erste Versuch stieß jedoch sowohl auf technische als auch finanzielle Herausforderungen. Als dann ChatGPT vor einem Jahr das Licht der Welt erblickte, war mir sofort klar, dass ich einen neuen Versuch wagen würde. Und schnell merkte ich, dass es deutlich einfacher ist, einen OKR-Bot mit ChatGPT zu programmieren als einen Alexa-Skill.
Die Entscheidung, überhaupt einen OKR-Bot zu entwickeln, war von dem Wunsch getrieben, aktiv neue Wege zu beschreiten. Denn klar ist, dass KI auch die Beratungsbranche umkrempeln wird. Umso wichtiger ist es deshalb, möglichst früh selbst Erfahrungen zu sammeln und Angebote zu entwickeln. Oder anders ausgedrückt: Man sollte sich lieber selbst kannibalisieren und daraus seine Lehren ziehen, bevor es andere tun. Langfristig wird der Einsatz von generativer KI im Beratungsgeschäft dabei helfen, Hilfestellungen und Beratungsleistungen zu skalieren und viel mehr Menschen innerhalb eines Unternehmens zugänglich zu machen statt nur dem Top-Management und einigen Führungskräften.
Learning 1: Kein Bot mit generativer KI kann alles
Die Entwicklung des Bots war ein Weg voller technischer und konzeptioneller Herausforderungen. Ursprünglich als ein Tool gedacht, das Unternehmen dabei hilft, OKRs besser zu formulieren, entwickelte sich der Bot mehr zu einem Sparringspartner, der bei der Entwicklung guter Ziele hilft. Aktuell kann der Bot vor allem für drei Bereiche eingesetzt werden: für die Verbesserung der Formulierung von Zielen, für Feedback zu bestimmten OKR-Sets und für allgemeine Fragen zum Thema OKR. Teile ich dem Bot meine Zielformulierung mit, kann er dezidiert Feedback geben, was an der Formulierung gut ist und was nicht. Wenn ich bestimmte Fragen zu meinen OKR-Sets habe, kann er auch darauf dezidiert eingehen. Und natürlich kann er ganz allgemeine Fragen zum Thema OKR beantworten – Fragen, für die ich früher eine klassische Ask-Me-Anything-Session abgehalten hätte.
Learning 2: Bedürfnisse hinterfragen
Bei der Programmierung war die entscheidende Frage, die ich mir immer wieder gestellt habe: Mit welcher Intention wird der Bot genutzt? Was will der Benutzer oder die Benutzerin dieses Bots erreichen? Um das zu erfahren, habe ich einerseits zahlreiche Ask-Me-Anything-About-OKR-Sessions aus unserem Podcast transkribiert. Darüber hinaus habe ich die ersten Interaktionen der Zielgruppe mit dem Bot in Protokollen analysiert, um besser zu verstehen, welche Herausforderungen Nutzerinnen und Nutzer mit dem Bot lösen wollen. Aus diesem Prozess sind letztlich auch die drei Kategorien entstanden: Fragen stellen, Feedback geben, Formulierungen verbessern.
Learning 3: Mehr als nur einen Bot mit generativer KI
Das größte Learning während des Entwicklungsprozesses bestand darin, dass ich mich dafür sensibilisiert habe, wie der eigentliche Kommunikationsprozess mit dem Bot aussieht. Ich habe mich hierfür gefragt: Wer redet eigentlich mit wem über was? Stellt man sich diese Frage, wird schnell klar, dass es je nach Einsatzzweck und Intention der Bot-Nutzung unterschiedliche Pfade braucht. Das wiederum bedeutet, dass man nicht nur einen, sondern mehrere Bots benötigt, die mit unterschiedlichem Content gefüttert und für dedizierte Fragestellungen trainiert werden. Diese werden dann am Ende de facto zu einem Bot zusammengeschaltet, aber dahinter liegen unterschiedliche Pfade für die einzelnen Intentionen.
Das Potenzial und die (heutigen) Grenzen generativer KI
Derzeit ist der OKR-Bot eher ein Assistent, der seine Nutzerinnen und Nutzer durch den Prozess der Zielsetzung leitet. Er bietet Feedback, stellt kritische Fragen und hilft dabei, Ziele klarer und prägnanter zu formulieren. Der Bot dient damit derzeit vor allem dazu, grundlegende und häufig gestellte Fragen zum Thema OKR zu beantworten und OKRs zu verbessern. Langfristig sehe ich großes Potenzial zum Beispiel für eine Premium-Version des OKR-Bots.
Diese könnte nicht nur bei der Formulierung, sondern auch bei der Entwicklung von Zielen basierend auf unternehmensspezifischen Daten helfen. Dann wäre der Bot mehr als nur ein Assistent, dann würde er den Prozess der Zielsetzung federführend leiten. Darüber hinaus nutzen wir unseren OKR-Bot auch nachgelagert, beispielsweise wenn es um den Roll-out von OKRs in Unternehmen geht. Gerade bei der Implementierung ist die Skalierung des Wissens enorm hilfreich, weil der Bot so den jeweiligen Mitarbeitenden dabei helfen kann, OKRs besser zu verstehen und anzuwenden.
ChatGPT trennt die Spreu vom Weizen
Durch die Entwicklung eines OKR-Bots habe ich zwei wesentliche Erkenntnisse gewonnen: Erstens bremst fehlende Digitalisierung die Nutzung Künstlicher Intelligenz, da Daten deren Grundlage sind. Fehlen diese, ist der individuelle Einsatz von generativer KI in Unternehmen eingeschränkt. Zweitens erfordert der Einsatz von KI Aufgeschlossenheit und Fehlertoleranz. Die erste OKR-Bot-Version war fehlerhaft, doch Iterationen führten zu Verbesserungen. Beide Faktoren – solide Datenbasis und Fehlertoleranz – zeichnen fortschrittliche Unternehmen aus. Generative KI nützt diesen besonders, bietet aber auch traditionellen Firmen Aufholchancen, wenn sie sich innerhalb der nächsten 24 Monate intensiv damit auseinandersetzen.
Bei der KI-Anpassung an verschiedene Unternehmen wurde mir die Bedeutung von dokumentiertem und explizitem Wissen klar. Vision, Strategien und Ziele müssen einheitlich verstanden werden. Oft fehlt es an explizitem, einheitlichem und dokumentiertem Wissen, was die Entscheidungsfindung durch KI erschwert. Gleichwohl sehe ich optimistisch in die Zukunft unserer Branche. Gute Beraterinnen und Berater werden in Kombination mit Künstlicher Intelligenz deshalb weiterhin gebraucht. Vielleicht sogar mehr denn je.