Recruiting-Strategie

Employer-Branding für Mittelständler: Eine KI-Firma setzt neue Maßstäbe

Fachkräftemangel in der IT? Für knecon Technologie ist das kein Problem. Drei Führungskräfte des Softwareentwicklers erklären, wie sie die besten Talente finden, welche Rolle Künstliche Intelligenz dabei spielt und warum das Siegel „Arbeitgeber der Zukunft“ das Employer-Branding stärkt.

06.12.2023

Auf jede IT-Fachkraft auf Jobsuche warten rein rechnerisch zweieinhalb offene Stellen. Das besagen die jüngsten Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft für das Jahr 2022. Unternehmen brauchen beim Recruiting also gute Argumente, um gefragte IT-Spezialistinnen und -Spezialisten von sich zu überzeugen. Gerade kleineren und mittelgroßen Firmen fällt es oft schwer, eine starke Arbeitgebermarke zu entwickeln und sich im Wettbewerb um die besten Talente zu behaupten.

Begehrte Fachkräfte finden und binden

„Gehälter, wie sie bei vielen Konzernen üblich sind, können wir nicht zahlen“, sagt etwa Detlef Horn, Executive Vice President Business Development beim Softwareentwickler knecon Technologie mit rund 50 Mitarbeitenden. Trotzdem gelingt es dem Mittelständler, offene Stellen mit Fachkräften wie Software-Developern, Data-Analysten und Data-Scientisten zu besetzen. knecon entwickelt und betreibt eine vollautomatische Datenanalyseplattform. Sie ermöglicht es Unternehmen und Behörden, aus unstrukturierten Daten die gewünschten Erkenntnisse herauszufiltern.

2023 gewannen die Mannheimer zahlreiche neue Kunden und heuerten zehn zusätzliche Spezialistinnen und Spezialisten an. Wie knecon sein Employer-Branding stärkt und so begehrte Fachkräfte findet und bindet? Das erklären neben Detlef Horn auch der CEO des Unternehmens, Dr. Jean-Michel Locarnini, und HR-Managerin Elli Mohr.

Detlef Horn

ist Executive Vice President Business Development bei knecon und der Kopf hinter der Technologie des Softwareentwicklers

Jean-Michel Locarnini

Der CEO stieg 2016 bei knecon ein und kümmert sich um die strategische Ausrichtung des Unternehmens

Elli Mohr

rekrutiert als HR-Managerin bei knecon IT-Fachkräfte und entwickelt das Employer-Branding weiter

Sie entwickeln mit knecon seit rund 20 Jahren Software. Bremst Sie der IT-Fachkräftemangel aus?

Detlef Horn: Nein, wir hatten nie Probleme, die richtigen Mitarbeitenden zu finden. Unsere Technologie ist sehr innovativ und in Europa einzigartig. Wir brauchen Fachleute, die ein hohes Maß an Kreativität mitbringen. Und umgekehrt schätzen unsere Mitarbeitenden sehr, dass sie bei uns kreativ arbeiten und Neues mitgestalten können. Jean-Michel Locarnini: Dazu vielleicht ein Beispiel: Wir arbeiten zurzeit daran, unsere Lösung als Standardplattform für die Entwicklung von KI-Applikationen zu etablieren. Unsere Mitarbeitenden haben geschaut, was der zunehmende Einsatz von KI für unser Business bedeutet und wie wir die Technologie in unsere Lösungen integrieren können.

Wie gehen Sie beim Recruiting von IT-Fachleuten vor?

Elli Mohr: Wir verfolgen unterschiedliche Ansätze. Zum einen versuchen wir, Werkstudierende zu finden, die dann nach dem Examen bei uns bleiben. Sie sprechen wir direkt an der Hochschule an, beispielsweise haben wir eine Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Darüber hinaus nutzen wir die einschlägigen Portale. Außerdem setzen wir auf Mund-zu-Mund-Propaganda, indem unsere Mitarbeitenden in ihrem Bekanntenkreis für uns werben. Und einen Top-Mitarbeiter haben wir auch schon mal über das Arbeitsamt entdeckt.

Setzen Sie beim Recruiting auch Künstliche Intelligenz ein?

Mohr: Ja, allerdings nur, um potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. Anschließend suchen wir zeitnah den persönlichen Kontakt, denn wenn wir mit jemandem direkt sprechen, überzeugen wir meist sehr schnell. Am Anfang hat der Einsatz der KI allerdings noch nicht so richtig Früchte getragen. Sie ging für unsere Zwecke nicht individuell genug vor. Aber wir lernen dazu und justieren allmählich besser.

knecon ist 2023 als „Arbeitgeber der Zukunft“ des Deutschen Innovationsinstituts für Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgezeichnet worden. Wie nutzen Sie das Siegel für Ihr Employer-Branding?

Mohr: Wir sind extrem stolz auf die Auszeichnung, denn sie beweist, dass sich unsere kontinuierliche Personalarbeit und die Entwicklung unserer Arbeitgebermarke auszahlt. Wir nutzen das Siegel für unser Employer-Branding, beispielsweise auf unserer Karriereseite und unseren Social-Media-Kanälen. Und wir erzählen natürlich Bewerberinnen und Bewerbern davon. Für sie ist die Auszeichnung als „Arbeitgeber der Zukunft“ ein Beleg, dass hinter dem, was wir ihnen über unsere Werte erzählen, wirklich etwas steckt. Locarnini: Darüber hinaus war die Resonanz unserer Investoren auf das Siegel äußerst positiv. Für sie bedeutet die Bestätigung unserer Zukunftsfähigkeit eine Sicherheit für ihre Investitionen. Außerdem erhoffen wir uns davon eine Stärkung des Brandings „made in Europe“. Denn wir sind stolz darauf, dass unsere Plattform eine in Europa entwickelte Technologie ist und wir nicht immer abhängig davon sind, was aus Übersee kommt.

Mitarbeitende zu finden ist das eine, sie zu binden das zweite. Haben Sie eine hohe Fluktuation?

Horn: Überhaupt nicht. Unsere Firmenkultur mit Werten wie Respekt, Mut, Exzellenz und Innovation ist ein wichtiger Teil unseres Employer-Brandings. Neue Mitarbeitende sind immer begeistert, wie offen sie vom gesamten Team empfangen werden. Es gibt kaum Hierarchien, und wir pflegen eine Kultur des Lernens sowie eine offene Kommunikation. Wir befähigen die Mitarbeitenden, Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört, dass sie auch mal Fehler machen dürfen. Wichtig ist, diese im Nachhinein zu besprechen und zu korrigieren. Darüber hinaus bieten wir eine ganze Reihe von Benefits, zum Beispiel zwei Tage Sonderurlaub pro Jahr, die für jegliche religiöse oder politische Ausrichtung eingesetzt werden können, sowie regelmäßige Team-Events. Mohr: Gerade aufgrund des Fachkräftemangels in der IT legen wir viel Wert darauf, die verschiedenen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Wer weiter entfernt wohnt, kann beispielsweise zu 100 Prozent remote arbeiten. Auch hybrides Arbeiten ist möglich. Das erleichtert es beispielsweise Eltern, die Betreuung ihrer Kinder zu gestalten. Uns ist außerdem wichtig, dass sich unsere Mitarbeitenden auch einmal außerhalb des Arbeitsumfelds zu Themen abseits der Arbeit austauschen können. Deshalb schaffen wir Raum für Begegnungen in einer lockeren Atmosphäre. Wir gehen zum Beispiel mal gemeinsam Gokart fahren oder bestellen nach der Arbeit eine Runde Pizza für alle. So stärken wir das Teamgefühl.

Wie handhaben Sie die Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden?

Mohr: Uns und unseren Mitarbeitenden ist es wichtig, das Fachwissen im Team immer up to date zu halten. Deshalb hat jede und jeder ein Weiterbildungsbudget und entscheidet selbst, wie er oder sie es einsetzen möchte. Ob sie Online-Kurse buchen, einen Fachkongress oder eine Messe besuchen oder eine Fachzeitschrift abonnieren möchten – sie wählen selbst aus, was sie benötigen und was für ihre Arbeit gerade wichtig ist.

Wie gelingt Ihnen das Onboarding für Mitarbeitende, die vollständig remote arbeiten?

Mohr: Wir legen Wert darauf, dass neue Mitarbeitende die Kolleginnen und Kollegen sowie unsere Unternehmenskultur hier vor Ort kennenlernen. Deswegen laden wir sie zu Beginn immer für einige Tage ins Büro ein. Horn: Außerdem haben wir alle zwei Jahre ein großes Event für das gesamte Team. Vergangenes Jahr waren wir beispielsweise alle zusammen in der Schweiz. Diese Treffen stärken den persönlichen Austausch und dienen dazu, alle über die Unternehmensstrategie auf dem Laufenden zu halten.

Nach dem deutlichen Wachstum 2023 – wie wollen Sie Ihr Team und Ihr Unternehmen weiterentwickeln?

Horn: Viele Unternehmen möchten im Bereich Künstliche Intelligenz etwas tun, verfügen aber nicht über das nötige Know-how. Deshalb wollen wir unsere Plattform als Standard-Entwicklungsumgebung etablieren, mit der Firmen auch ohne KI-Kenntnisse Applikationen mit KI-Services bauen können. Außerdem möchten wir weiter wachsen, im deutschsprachigen Raum, aber auch in Osteuropa. Denn dort finden wir Fachkräfte mit sehr gutem Know-how und Synergieeffekte für die Entwicklung neuer Themen. Unser Ziel ist es deshalb, zu einem virtuellen Unternehmen zu werden. Wir brauchen ganz neue Konzepte für flexibles, letzten Endes virtuelles Arbeiten. Dann ist es unerheblich, ob die Mitarbeitenden bei uns im Büro sitzen oder an irgendeinem anderen Ort in Europa.