Gastbeitrag Nils Schmid: „Unternehmen müssen die geopolitischen Risiken bei ihren Entscheidungen stärker berücksichtigen“
Der jahrzehntelange Aufstieg der Volksrepublik China hat die Welt dramatisch verändert. Deutschland trägt dieser Tatsache in seiner Politik Rechnung. Wir wissen, dass wir die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wirtschaftlich und bei der Eindämmung von Klimawandel und Konflikten brauchen. Wir wissen aber auch um die zunehmend autoritären Tendenzen in China und verschließen nicht unsere Augen vor Menschenrechtsverletzungen, Wettbewerbsverzerrungen und der aggressiver werdenden Außenpolitik Pekings. Seit 2023 definiert unsere China-Strategie die künftige Ausrichtung der deutschen China-Politik. Ein zentrales Prinzip für uns ist dabei, dass es keine rein nationale, sondern nur eine europäisch ausgerichtete und abgestimmte China-Politik geben kann.
Qualifiziertes De-Risking
Um Abhängigkeiten zu verringern und Diversifizierung zu fördern, unterstützen wir eine wachstums- und innovationsfördernde Standortpolitik in der EU und in Deutschland zur Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit. Dazu gehört auch die Vertiefung des EU-Binnenmarkts, eine Kapitalmarkt- und Bankenunion sowie die grüne und digitale Transformation. Darüber hinaus unterstützen wir eine aktive und ambitionierte Handelspolitik der EU zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Diversifizierung. Handelsabkommen müssen zügig finalisiert und ratifiziert werden.
Die EU muss ebenfalls den fairen Wettbewerb auf dem europäischen Markt sicherstellen. Daher begrüße ich, dass China im Streit über Strafzölle auf E-Autos eingelenkt hat und bereit ist, in Verhandlungen mit der EU zu treten. Ein Verhandlungsergebnis muss in jedem Fall wirksam gegen schädliche Subventionierungen sein. Doch auch die Kooperation mit China ist ein grundlegendes Element der Strategie. Die Wirtschaftsbeziehungen bleiben zentraler Bestandteil der bilateralen Zusammenarbeit. Wir wollen auch nicht die wirtschaftliche Entwicklung Chinas behindern, sondern setzen uns für ein qualifiziertes De-Risking ein. Dies umfasst die Verringerung von Abhängigkeiten in kritischen Bereichen, die Betrachtung wirtschaftlicher Entscheidungen auch unter geopolitischen Aspekten und die Steigerung unserer Resilienz. Ein De-Coupling, wie von manchen gefordert, lehnen wir ab.
Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale
Klar ist aber auch, dass Unternehmen die geopolitischen Risiken bei ihren Entscheidungen stärker berücksichtigen müssen. Es kann nicht sein, dass im Falle einer geopolitischen Krise die Erwartung vorhanden ist, dass automatisch staatliche Mittel zur Rettung von Unternehmen zur Verfügung stehen. Wir erwarten daher von den Unternehmen, dass sie sich im Rahmen der bestehenden Risikomanagement-Prozesse konkret mit relevanten chinabezogenen Entwicklungen und Risiken auseinandersetzen.
Es bedarf also einer differenzierten Politik gegenüber China. Die Bundesregierung sieht in China gleichzeitig einen Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. Ziel muss es sein, in einer multipolaren Welt den Multilateralismus in seinem Wortsinn zu stärken. Denn nur eine zielgerichtete und gleichberechtigte Zusammenarbeit ermöglicht, Wohlstand zu mehren und die zivilisatorischen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.