Gastbeitrag

Debatte

De-Risking: Wie umgehen mit China?

Risikomanagement könne für deutsche Unternehmen bedeuten, mehr in China zu investieren, sagt Nicolas Zippelius (CDU) im Interview. Nils Schmid (SPD) warnt in seinem Gastbeitrag, sie dürften im Fall einer geopolitischen Krise nicht auf staatliche Rettung bauen. Zwei Standpunkte zum richtigen Vorgehen beim De-Risking.

Ein deutscher und ein chinesischer Container als Symbol für das De-Risking der deutschen Wirtschaft

12.08.2024

Gastbeitrag Nils Schmid: „Unternehmen müssen die geopolitischen Risiken bei ihren Entscheidungen stärker berücksichtigen“

Der jahrzehntelange Aufstieg der Volksrepublik China hat die Welt dramatisch verändert. Deutschland trägt dieser Tatsache in seiner Politik Rechnung. Wir wissen, dass wir die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wirtschaftlich und bei der Eindämmung von Klimawandel und Konflikten brauchen. Wir wissen aber auch um die zunehmend autoritären Tendenzen in China und verschließen nicht unsere Augen vor Menschenrechtsverletzungen, Wettbewerbsverzerrungen und der aggressiver werdenden Außenpolitik Pekings. Seit 2023 definiert unsere China-Strategie die künftige Ausrichtung der deutschen China-Politik. Ein zentrales Prinzip für uns ist dabei, dass es keine rein nationale, sondern nur eine europäisch ausgerichtete und abgestimmte China-Politik geben kann.

Qualifiziertes De-Risking

Um Abhängigkeiten zu verringern und Diversifizierung zu fördern, unterstützen wir eine wachstums- und innovationsfördernde Standortpolitik in der EU und in Deutschland zur Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit. Dazu gehört auch die Vertiefung des EU-Binnenmarkts, eine Kapitalmarkt- und Bankenunion sowie die grüne und digitale Transformation. Darüber hinaus unterstützen wir eine aktive und ambitionierte Handelspolitik der EU zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Diversifizierung. Handelsabkommen müssen zügig finalisiert und ratifiziert werden.
Die EU muss ebenfalls den fairen Wettbewerb auf dem europäischen Markt sicherstellen. Daher begrüße ich, dass China im Streit über Strafzölle auf E-Autos eingelenkt hat und bereit ist, in Verhandlungen mit der EU zu treten. Ein Verhandlungsergebnis muss in jedem Fall wirksam gegen schädliche Subventionierungen sein. Doch auch die Kooperation mit China ist ein grundlegendes Element der Strategie. Die Wirtschaftsbeziehungen bleiben zentraler Bestandteil der bilateralen Zusammenarbeit. Wir wollen auch nicht die wirtschaftliche Entwicklung Chinas behindern, sondern setzen uns für ein qualifiziertes De-Risking ein. Dies umfasst die Verringerung von Abhängigkeiten in kritischen Bereichen, die Betrachtung wirtschaftlicher Entscheidungen auch unter geopolitischen Aspekten und die Steigerung unserer Resilienz. Ein De-Coupling, wie von manchen gefordert, lehnen wir ab.

Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale

Klar ist aber auch, dass Unternehmen die geopolitischen Risiken bei ihren Entscheidungen stärker berücksichtigen müssen. Es kann nicht sein, dass im Falle einer geopolitischen Krise die Erwartung vorhanden ist, dass automatisch staatliche Mittel zur Rettung von Unternehmen zur Verfügung stehen. Wir erwarten daher von den Unternehmen, dass sie sich im Rahmen der bestehenden Risikomanagement-Prozesse konkret mit relevanten chinabezogenen Entwicklungen und Risiken auseinandersetzen.
Es bedarf also einer differenzierten Politik gegenüber China. Die Bundesregierung sieht in China gleichzeitig einen Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. Ziel muss es sein, in einer multipolaren Welt den Multilateralismus in seinem Wortsinn zu stärken. Denn nur eine zielgerichtete und gleichberechtigte Zusammenarbeit ermöglicht, Wohlstand zu mehren und die zivilisatorischen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.

Nils Schmid ist seit 2018 außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

Nils Schmid

ist seit 2018 außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

„Bei aller chinesischen Rhetorik sollten Europa und Deutschland selbstbewusster agieren“

„Mit seiner Größe, seiner finanziellen und wirtschaftlichen Stärke und mit seiner rasant wachsenden militärischen Macht entwickelt sich China zur größten Herausforderung seit dem Ende der Sowjet-Zeiten, auch ideologisch.“ So steht es im Positionspapier zur Chinapolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nicolas Zippelius sagt, was daraus folgen sollte.

Nicolas Zippelius

Nicolas Zippelius

ist China-Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Welche politischen Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht jetzt angeraten, um die deutsche Abhängigkeit von China wirksam zu begrenzen?

Nicolas Zippelius: Es wird ein Bündel an Maßnahmen benötigt: Beginnend bei der Analyse kritischer Abhängigkeiten, über die Festlegung sicherheitsrelevanter Technologien hin zu der Stärkung des europäischen Wirtschaftsstandorts. Im ersten Bereich müssen wir durch Handels- und Investitionsschutzabkommen neue Produktions- und Absatzmärkte sowie mit Hilfe von Rohstoffpartnerschaften neue Bezugsquellen für Rohstoffe erschließen. Die Ratifizierung bspw. der ausverhandelten Investitionsschutzabkommen der EU mit Vietnam und Singapur wäre kurzfristig zu realisieren und die Verhandlungen mit anderen Staaten zu priorisieren. Bei kritischen Branchen wäre eine selektive Re-Regionalisierung ein zusätzlicher Baustein, um Abhängigkeiten zu mindern. Die sicherheitspolitische Dimension muss im Bereich der kritischen Infrastruktur und bei Schlüsseltechnologien stets prioritär mitgedacht werden. Unsere Wertepartner machen es vor: Japan hat ein entsprechendes Ministerium für Wirtschaftssicherheit eingerichtet. In Deutschland setze ich mich für die Einrichtung eines Chinakompetenzzentrums ein.

Wie groß ist die Gefahr, dass auf ein De-Risking von deutscher Seite Maßnahmen Chinas folgen?

Zippelius: China betreibt mit seiner Strategie der „Dual-Circle Economy“ bereits seit längerer Zeit ein De-Risking, bei dem ein möglichst unabhängiger Binnenmarkt und eine auf Exporte ausgerichtete Außenwirtschaft angestrebt werden. Bei aller chinesischen Rhetorik sollten wir in diesen Fragen selbstbewusster agieren: Europa und Deutschland sind sehr wichtig für den chinesischen Exportmarkt. Wenn die EU-Staaten ihre China-Politik koordinieren, sind alle auch gegenüber möglichen chinesischen Maßnahmen besser gewappnet.

Der chinesische Markt bietet große Chancen auch für deutsche Unternehmen. Wie können sie diese nutzen, ohne in zu große Abhängigkeit zu geraten?

Zippelius: Wie in jeder guten Strategie sollte das Chancen-Risiken-Verhältnis stimmen! Vor dem Hintergrund sich verändernder politischer Rahmenbedingungen in China muss dies laufend evaluiert werden. Im Hinblick auf China als Produktions- und Absatzmarkt lohnt auch der Blick auf andere aufstrebende asiatische Staaten. Von politischer Seite wollen wir Rezipro­zität mit China, also gleichwertige Voraussetzungen zum Beispiel bei Investitionen und Marktzutritten, um einseitige Abhängigkeiten deutscher Firmen zu verhindern.

2023 haben deutsche Unternehmen so viel in China investiert wie nie zuvor – auch, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Kann so ein De-Risking gelingen?

Zippelius: Der Anstieg ist Ausdruck der wirtschaftlichen Dynamik. Das Fehlen einer solchen Dynamik in Deutschland muss uns zu denken geben: Um diesen Trend umzukehren, bedarf es struktureller Reformen in Deutschland! Für manche Unternehmen bedeutet De-Risking in diesem Kontext auch zusätzliche Investitionen, um deutsche und chinesische Standorte im Krisenfall zu entkoppeln und unabhängig voneinander betreiben zu können.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen?

Zippelius: Die Beziehungen zwischen Deutschland und China bestehen seit über 50 Jahren und sind für beide Staaten in vielen Bereichen wichtig. Wir haben als CDU/CSU-Bundestagsfraktion in unserem Strategiepapier ausgeführt, was ich persönlich so zusammenfassen würde: Wir wollen ein gutes, aber kein naives Verhältnis zu China! Deshalb setzen wir uns neben einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit dafür ein, dass wir kritische Abhängigkeiten reduzieren, Lieferketten diversifizieren und unsere Standortbedingungen im globalen Wettbewerb stärken.