Shoppen über viele Kanäle
17.05.2021
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Erinnern Sie sich? Wenn wir noch vor etwa 15 Jahren eine Espressomaschine, einen Lippenstift oder ein neues Jackett kaufen wollten, fuhren wir in die Stadt, besuchten unser Lieblingsgeschäft – das in der besten Lage mit dem attraktiven Schaufenster und der netten Verkäuferin –, ließen uns ausführlich beraten, gingen wieder nach Hause, um noch eine Nacht über die Entscheidung zu schlafen, und kamen am nächsten Tag wieder, um das begehrte Produkt zu kaufen.

Wenn ich heute eine neue Espressomaschine benötige, schaue ich auf Instagram nach den neuesten Trends, öffne die Produktseite des gewünschten Geräts auf der Anbieter-Website, scrolle noch einmal kurz durch die Produktbeschreibung und klicke dann auf „Kaufen“. Deutlich schneller!

Persönliche Kundenbeziehungen entstehen auch online

„Aber auch deutlich unpersönlicher“, könnten Sie mir vorwerfen. Das stimmt allerdings nicht. Denn auch beim digitalen Einkauf werden Unmengen an Daten über den potenziellen Käufer erfasst, damit er persönlich angesprochen werden kann. Beim Besuch eines Online-Shops hat der Kunde die Möglichkeit, mit einem Chatbot zu kommunizieren, den Kundenservice per WhatsApp zu kontaktieren, seine Kundenkarte per App einzuscannen und vieles mehr.

Auch durch den Besuch auf Instagram, bei der Journey durch den Onlineshop, bei einer Frage an Siri oder Alexa und in den Hunderten weiteren Kanälen, über die Kunden sich mit Informationen versorgen, werden Daten erfasst. Sein Standort, die verwendeten Geräte und Browser, die gesuchten Produkte, andere Anfragen und Suchen, der Kontaktzeitpunkt und Tausende weitere Informationen ergeben ein exaktes Bild seiner Persönlichkeit und aktuellen Situation. Und so kann er auch auf seiner digitalen Shopping-Reise – genau wie früher im Ladengeschäft – persönlich angesprochen, mit maßgeschneiderten Informationen versorgt und vom Kauf überzeugt werden.

Hohe Kundenerwartungen

Im gleichen Maße wie die digitale Händler-Kunden-Beziehung hat sich auch das umgekehrte Verhältnis verändert. Denn auch die Erwartungen der Kunden an das Einkaufserlebnis sind deutlich gestiegen.

Eine Kundin, die sich über einen bestimmten Lippenstift auf TikTok und Instagram informiert, möchte gar nicht mehr unbedingt auf eine Firmen-Website gehen, um dort zu kaufen. Das Kauferlebnis soll ganz individuell – bestenfalls wird ihr gleich die richtige Lippenstiftfarbe zu dem Kleid vorgeschlagen, das sie zuvor gekauft hat – und vor allem störungsfrei und unkompliziert sein.

Daten sind die Basis

Wie kann ein Anbieter diesen Wunsch nach höchst individueller Betreuung bei perfekter und schneller digitaler Reise nun erfüllen?

Bei der Lösung dieses Problems spielen die Kundendaten, also sein Kontext, eine große Rolle. Schon vor 15 Jahren war klar: Je besser ich meinen Kunden kenne, desto erfolgreicher kann ich ihm etwas kaufen. Aber heute gibt es deutlich mehr Möglichkeiten, Informationen über den Kontext des Kunden zu sammeln.

Die Zauberformel für das perfekte digitale Kundenverhältnis heißt Contextual Commerce. Hierbei geht es darum, dem Kunden Informationen zu liefern, die exakt zu seinem Kontext passen. Damit wird er persönlich und deutlich emotionaler angesprochen und zum Kauf motiviert.

Wie funktioniert Contextual Commerce?

Schauen wir uns den Käufer eines Jacketts, in unserem Beispiel heißt er Michael, einmal genauer an. Michael ist verheiratet, hat zwei Kinder, arbeitet als Disponent bei einer Logistikfirma, fährt in seiner Freizeit gern Mountainbike und ist mit seiner Familie in drei Wochen zu einer Hochzeit eingeladen.

Alle diese Informationen sind aufgrund früherer Käufe, Suchanfragen, Routenplanungen, WhatsApp-Nachrichten bekannt. Die Art des Jacketts, das er sucht, sollte also zu seinem Lebensstil passen: sportlich und familienfreundlich, für eine Hochzeit passend sein, aber auch das Budget nicht sprengen. Dank des Remarketing werden ihm wahrscheinlich bereits Werbeanzeigen für Jacketts bei seiner nächsten Suche zum Beispiel in einem digitalen Wörterbuch angezeigt.

Aber Contextual Commerce geht noch deutlich weiter. Dem potenziellen Kunden können über alle Kanäle, die er nutzt, Informationen und Anzeigen zu einem gesuchten Produkt oder einer Dienstleistung präsentiert werden. Und zwar genau die Informationen, die perfekt zu seiner Persona passen. Fährt Michael also zum Beispiel an einem Herrenmodengeschäft vorbei, werden ihm sofort Angebote und Produkte für sportlich-elegante Jacketts in einer App präsentiert.

Das Ziel: den Kaufprozess verkürzen

So erhält der Kunde umfassenden Content (Bilder, Videos, Artikel), Geschichten rund um das erstrebte Produkt, Empfehlungen und vieles mehr, die direkt in seine eigene Story eingebettet werden. Das alles findet er ohne Umwege in Apps, die er regelmäßig nutzt.

Und der Clou am Contextual Commerce: Der verwendete Kanal bietet eine sofortige Kaufoption. Hat sich Michael also auf Instagram in ein Jackett „verliebt“, klickt er sofort auf „Kaufen“ und muss gar nicht mehr auf eine Shopseite wechseln, um seine Kaufentscheidung dort in die Tat umzusetzen. Der Kaufprozess, der bislang in fünf Schritte – Awareness, Interest, Consideration, Evaluation, Purchase – unterteilt war, erfährt nun eine enorme Abkürzung: Schon bei der ersten Idee zu einem Kauf (Awareness) kann der Kunde das Produkt in den Warenkorb legen und erwerben (Purchase).

Multichannel-Einkaufserlebnis

Das Einkaufserlebnis reduziert sich also nicht mehr auf ein Ladengeschäft oder einen Online-Shop, sondern kann in allen Kanälen umgesetzt werden. So kann Michael Siri auffordern, sportliche Jacketts für eine Hochzeit anzuzeigen, und im nächsten Schritt sagen: „Siri, kaufe das blaue Jackett der Marke XY.“ In allen Social-Media-Kanälen kann er das gewünschte Produkt über eine Schaltfläche „Kaufen“ erwerben. WhatsApp präsentiert Shoppable-Content inklusive einer Kauffunktion; Pinterest verfügt über eine Check-out-Funktion.

Jeder Kanal bietet dabei genau den Kontext, der die Persona des Kunden zielgenau anspricht. Somit werden über Alexa eventuell andere Informationen oder Produkte präsentiert als auf Instagram. Und Michael werden andere Jacketts angezeigt als dem (unsportlichen) Standesbeamten.

Empathie steigert Conversions

Je persönlicher die Kommunikation mit dem Kunden ist, desto empathischer wird er. Das war schon vor 15 und mehr Jahren so. Bei dem Herrenmodenverkäufer, der sich mit Michael über Fahrräder unterhielt, entschied sich Michael auch damals schon schneller zum Kauf. Und das hat sich bis heute nicht verändert: Dank der großen Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz wird der Kunde heute auf seiner Customer-Journey ganz in seinem individuellen Kontext begleitet und erhält einfache und schnelle Kaufmöglichkeiten. Das kontextuelle Einkaufserlebnis sorgt dafür, dass der Warenkorb direkt zum Kunden kommt und der Händler hohe Conversion-Rates erzielt.

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

Zur Person

Markus Rohmeyer von Novomind

Markus Rohmeyer

verfügt über einen breiten Erfahrungsschatz im B2C- und B2B-E-Commerce und im Bereich Product-Information-Management (PIM). Seit Januar leitet er als CPO den Vorstandsbereich Product-Management bei novomind, einem Anbieter von Commerce- und Customer-Service-Softwarelösungen

17.05.2021
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