Hand aufs Herz: Wer weiß schon, welche finanziellen Belastungen im Pflegefall drohen? Da hilft ein Blick in die jährliche Information der Deutschen Rentenversicherung, die alle Versicherten erhalten, die mindestens 27 Jahre alt sind und fünf Jahre Beitragszeiten erworben haben. Die in der Renteninformation in Aussicht gestellten Altersbezüge können dann in Relation zum Eigenanteil an den Kosten in der stationären Pflege gesetzt werden. „Die betrugen bei einer Aufenthaltsdauer von bis zu zwölf Monaten, trotz der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, zuletzt im Bundesdurchschnitt 2.519 Euro pro Monat“, sagt Anne Kristina Vieweg, Pflege-Geschäftsführerin beim Verband der Privaten Krankenversicherung.
Rücklagen sind ohne Pflegezusatzversicherung schnell aufgebraucht
Wenn die Rente von Seniorinnen und Senioren nicht zur Deckung des Eigenanteils reicht, müssen sie auf ihre Ersparnisse zugreifen. Sind diese aufgezehrt, übernimmt der Staat die Kosten – wenn weder Ehegatten noch unterhaltspflichtige Kinder zur Kasse gebeten werden können. Und bei der Misere handelt es sich nicht um Einzelfälle. „Jeder dritte Bewohner – 32,5 Prozent – einer stationären Pflegeeinrichtung kann den Eigenanteil an den Pflegekosten aus der Rente nicht mehr bezahlen“, so Helmut Kneppe, Vorstandsvorsitzender Kuratorium Deutsche Altershilfe, in einem Beitrag für den Informationsdienst epd sozial.
Eine wichtige ergänzende Säule
Vor diesem Hintergrund setzt sich der PKV-Verband für eine neue Säule sozialer Sicherung im Pflegefall ein: die kapitalgedeckte betriebliche Pflegeversicherung. Das Erfolgsmodell betrieblicher Vorsorge biete sich auch zur besseren Absicherung des Pflegerisikos an – als ergänzende Säule zur gesetzlichen Pflegeversicherung, sagt Thomas Brahm, der Vorsitzende des PKV-Verbands. Ob das Modell ankommt, erfragten im Auftrag des Verbands zum Jahresanfang die Meinungsforscher von Civey bei rund 2.500 Erwerbstätigen.
Die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Mehr als 80 Prozent der Befragten glauben nicht, dass die gesetzliche Pflegeversicherung im Bedarfsfall ausreichen wird. 75 Prozent fänden es gut, wenn ihre Arbeitgeberin oder ihr Arbeitgeber eine betriebliche Pflegeversicherung als Zusatzleistung anböte. Und die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 18 und 29 Jahren würden eine solche Absicherung mit knapp 88 Prozent noch mehr schätzen. Dies zeigt auch, dass diese Zusatzversicherung im sich verschärfenden Fachkräftemangel ein gutes Instrument für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sein kann. „Zudem wären betriebliche Modelle sozialpolitisch sehr hilfreich, weil bei einem frühen Beginn die individuelle Pflegevorsorge sehr langfristig und mit entsprechend niedrigen Beiträgen aufgebaut werden könnte“, sagt PKV-Pflegeexpertin Vieweg.
Pflegezusatzversicherung statt Diensthandy oder Jobticket
Weitere Ergebnisse der Erhebung: Fast 55 Prozent der Befragten fänden eine Pflege-Zusatzversicherung als Incentive wertvoller als ein Diensthandy oder ein Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr. Und überraschende 35,5 Prozent betrachten eine mögliche betriebliche Pflegezusatzversicherung sogar für wertvoller als eine Gehaltserhöhung.
Bei einem unlängst in Berlin vom PKV und Partnern ausgerichteten Pflegegipfel äußerten sich Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft positiv zu einer zusätzlichen Pflegesäule. Petra Lindemann, Geschäftsführerin des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC): „Betriebliche Pflege-Vorsorgelösungen sind eine tarifpolitische Antwort auf den demografischen Wandel.“ Damit ließen sich viele Menschen gegen das Pflegerisiko absichern. Die Chemiebranche ist dabei ein Vorreiter: Bereits seit 2021 sind durch die tarifliche Einigung der Sozialpartner mittlerweile mehr als 440.000 Beschäftigte über ein betriebliches Modell im Pflegefall mit monatlich bis zu 1.000 Euro abgesichert.
Wegweisende Lösungen
Roland Angst, Manager bei der Deutschen Telekom und Präsident des ULA e. V. – Deutscher Führungskräfteverband, empfiehlt: „Die gesetzliche Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der Pflegekosten im Alter ab. Jeder sollte daher zusätzlich privat vorsorgen. Die passenden Vorsorgewege müssen aus Sicht der Führungskräfteverbände vielfältig gestaltet sein. Betriebliche Pflegezusatzversicherungen können wegweisende Lösungen sein.“
Aus der Politik kommt ebenfalls Zustimmung. Christine Aschenberg-Dugnus, parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, etwa findet es ganz wichtig, „dass die zukünftige Finanzierung auch generationengerecht ist, und das haben wir nur mit weiteren, kapitalgedeckten Säulen“. Und Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPDBundestagsfraktion, lobt die betriebliche Pflegevorsorge der Chemiebranche: „Klasse, dass es möglich ist, solche Regelungen in Tarifverträgen zu verankern.“
Der Gesetzgeber ist bislang untätig
Bislang hat der Gesetzgeber allerdings noch keine Regelungen beschlossen, die mehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber motivieren, eine betriebliche Pflegeversicherung anzubieten. Immerhin können Unternehmen Aufwendungen dafür als Sachzuwendungen ansetzen. Bis zu 50 Euro pro Monat und Mitarbeitenden bleiben steuer- und sozialversicherungsfrei.