Ein kräftiges Gehäuse mit farblich abgesetztem Drehring darauf, markante Leuchtziffern oder -indexe: eine Taucheruhr! Das erkennen auch Uhren-Laien sofort. Und sie wissen, dass der Träger kein Sporttaucher sein muss. Schließlich sind Armbanduhren heute mehr Ausweis von Stil und Lebensgefühl als Instrumente zur Zeitmessung. Und die Taucheruhr ist seit jeher der Kontrapunkt zu Anzug und acht Stunden im Büro. Sie steht für Urlaub am Strand, je eine Prise Abenteuer und Maskulinität – und nicht zuletzt für den Luxus, gegen äußere Einflüsse verlässlich gewappnet zu sein.
Schließlich ist das Hauptmerkmal der Taucheruhr – ihre Wasserdichtigkeit – eine technische Meisterleistung. Es war Rolex, das mit seiner „Oyster“ in den 1920er-Jahren eine wassersporttaugliche Uhr einführte und ihre zunehmend drucksicheren Nachfolger durch spektakuläre Tiefsee-Aktionen populär machte. Mit der Entwicklung der Drucklufttauchgeräte, etwa zeitgleich mit dem Beginn des Jet-Zeitalters, wurde das Erkunden exotischer Unterwasserwelten zum Freizeitvergnügen und Inbegriff exklusiver Fernreisen.
Rolex’ „Submariner“ erschien 1953, genau wie Blancpains „Fifty Fathoms“, wobei Letztere sich noch mehr an Profitaucher wandte und erst 1956 durch die freizeitliche „Bathyscaph“ ergänzt wurde. Spätestens seit Beginn der 1960er-Jahre, als Sean Connery in vier „James Bond“-Filmen eine „Submariner“ trug – und das nicht nur in Badehose, sondern auch zum Smoking –, ist die Taucheruhr ein Lifestyle-Symbol. Sie steht für den souveränen Umgang mit gesellschaftlichen Konventionen bis hin zum bewussten Stilbruch.
Und die Bauform der „Submariner“ mit aufgesetzter Drehlünette gilt als Idealbild der Gattung Taucheruhr. Dabei gibt es seit jeher auch Modelle, bei denen der Taucher-Drehring innen liegt, unter dem Glas, und über eine Krone bedient wird. Longines’ „Classic Diver“-Modelle oder die „Iron Walker“ von Wempe sind aktuelle Beispiele für dieses Konstruktionsprinzip.
Striktes Regelwerk
Was als Taucheruhr angeboten werden darf, ist genau reglementiert in der DIN 8306 und der weitgehend identischen internationalen Norm ISO 6425. Darin ist nicht nur die Druckfestigkeit des Gehäuses – mindestens 20 bar – vorgegeben, sondern auch ein amagnetisches Werk, die Resistenz gegen Schläge, die Leuchtkraft unter Wasser und die Zugfestigkeit des Armbands. Die muss 40 Kilogramm betragen. Im Zentrum steht die für den Taucher lebenswichtige Lünette: Zu Beginn des Tauchgangs wird deren markanter Nullpunkt auf dem Minutenzeiger ausgerichtet. So lässt sich unter Wasser die verstrichene Tauchzeit ablesen; mindestens die erste Viertelstunde trägt dafür minütliche Markierungen. Um ein versehentliches und extrem gefährliches Rückstellen zu verhindern, lässt sich die Lünette nur im Uhrzeigersinn drehen oder, wie bei manchen Innenlünetten, über die Krone fixieren.
Blaues Zifferblatt ist gut sichtbar
Die Farbe von Zifferblatt und Lünette ist nicht vorgeschrieben. Tatsächlich sind gerade die Signaltöne Rot und Orange unter Wasser weniger gut zu erkennen als ein kräftiges Blau. Da ist dann auch die neueste „Royal Oak Offshore Diver“ von Audemars Piguet im modischen Khakigrün gar nicht inkonsequent... Wichtig ist vor allem, dass Indexe und Zeiger auch im Trüben kräftig leuchten.
Es lässt sich der Charakter eines Zeitmessers für den sehr ernsthaften Unterwassereinsatz weiter unterstreichen: mit einer noch größeren Druckdichtigkeit sowieso, aber auch mit einem Heliumauslassventil, das die Uhr beim Auftauchen aus großen Tiefen vor Dekompressionsschäden bewahrt. Omegas „Planet Ocean 600 Chronograph“ beispielsweise zeigt die Vorrichtung unmissverständlich an der Gehäuseseite und bietet die Möglichkeit zur Kurzzeitmessung. Ein nostalgisches Kuriosum, aber nützlich ist der mechanische Wecker der „Polaris Mariner Memovox“ von Jaeger-LeCoultre: Unter Wasser erinnert er an das Ende der Tauchzeit, im Büro an das nächste Meeting.
Innerhalb der technischen Normierung müssen die Taucheruhren also gar nicht alle gleich aussehen. Und wer auf die offizielle Bezeichnung gern verzichten kann, weil sich mit seinem wasserdichten Produkt noch viel mehr unternehmen lässt, der kann auch mit der Abweichung vom Üblichen auf sich aufmerksam machen: Die Lünette der bis 30 bar wasserdichten „Seebataillon GMT“ von Mühle Glashütte ist beidseitig drehbar und scheint falsch herum beschriftet. Tatsächlich aber ist sie damit eine Alternative zur Tauchlünette, bietet einen frei wählbaren Countdown.
Klares Signal
Kaum ein Hersteller scheint im Moment ohne Taucheruhren auszukommen. Dort, wo sie schon in den Kollektionen etabliert sind, werden sie wieder in den Mittelpunkt der Kommunikation gerückt – wie bei Ulysse Nardin zum Beispiel, das sich jetzt seiner submarinen Tradition erinnert. Die denkbaren Gründe dafür sind mannigfaltig: Wo Rolex-Taucher kaum aufzutreiben sind und Audemars-Piguet-Produkte nicht mehr über Juweliere vertrieben werden, rücken andere hochwertige Marken in den Fokus von Käufern und Verkäufern. Der Trend zur stählernen Sportuhr bestimmt den Weltmarkt seit Jahren, und die Büro-Dresscodes erodierten auch schon vor Corona.
Derzeit verbinden sich vielleicht klassische Fliegeruhren mit noch mehr Urlaubssehnsucht als Diver. Aber die bieten noch einen weiteren Vorzug: So nostalgisch die Gestaltung auch ausfallen mag, weil die Hersteller in den Heckwellen der Retro-Welle klassische Erfolgsmodelle wieder auflegen, so sehr stehen viele auch für ein ganz zeitgemäßes Problembewusstsein: Über ihre tauchenden Kunden und Testimonials mit dem Problem der Meeresverschmutzung konfrontiert, engagieren sich etliche Hersteller im Umweltschutz und dokumentieren das bei der Materialauswahl und Gestaltung ihrer Taucheruhren. Wie gesagt: Man muss kein Taucher sein, um mit einem Diver am Handgelenk ein klares Signal zu setzen.