Gastbeitrag von Ulrich Leitermann

Signal Iduna-Chef fordert weniger Bürokratie, mehr Nachhaltigkeit

Als Verwalter von Anlagevermögen spielen Versicherer und Banken eine wichtige Rolle beim Klimaschutz. Das darf jedoch nicht so weit gehen, dass Mittelständler keinen Versicherungsschutz oder keine Kredite mehr bekommen, findet Ulrich Leitermann, Vorsitzender der Vorstände der Signal Iduna Gruppe.

05.12.2022

Kaum eine Branche spielt beim Klimaschutz eine so wichtige Rolle wie die Finanzindustrie. Im Auftrag ihrer Kundinnen und Kunden verwalten Versicherer und Banken riesige Vermögen und steuern im gewissen Maße mit ihren Investitionen auch die Richtung, in die sich unsere Wirtschaft bewegt. Allein deutsche Ver­sicherer verwalten ein Anlagevermögen von 1,7 Billionen Euro. Weil diese Gelder künftig stärker in nachhaltige Unternehmen und Geschäftsmodelle fließen und diese finanzieren, ist dies ein wichtiger Hebel für den Klimaschutz.

Nachhaltigkeit gehört zum Selbstverständnis der Signal Iduna

Das gilt ebenso für uns als Signal Iduna. Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Geschäftstätigkeit – und unseres Selbstverständnisses. Bereits bei unserer Gründung vor über 115 Jahren durch Handwerker und Gewerbetreibende spielte der Gedanke der gesellschaftlichen und ökonomischen Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist bis heute Teil unserer DNA.

Aus diesem Selbstverständnis heraus haben wir uns als eine der großen Versicherungsgruppen in Deutschland klare Nachhaltigkeitsziele gegeben. Auf Grundlage der ESG-Kriterien wollen wir bei Umwelt, Sozialem und der Unternehmensführung nachhaltig und verantwortlich wirtschaften – und das messbar machen. Dazu haben wir auf Basis der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sieben Handlungsfelder definiert, auf denen wir Nachhaltigkeit vorantreiben.

Klare Klimaziele

Ein Beispiel ist der Klimaschutz: In spätestens drei Jahren wollen wir als Unternehmen klimaneutral sein. Bezieht man die Kapitalanlage mit ein, mit der wir für unsere Kundinnen und Kunden insgesamt mehr als 100 Milliarden Euro investieren, haben wir uns vorge­nommen, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften.

Um diese Ziele zu unterstreichen, haben wir mit der Signal Iduna Lebensversicherung AG ein neues, komplett nachhaltig ausgerichtetes Unternehmen gegründet. Vom Start an können unsere Kundinnen und Kunden darauf vertrauen, dass wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltig handeln. Ein weiteres Beispiel: In Sachsen investieren wir über unser Tochterunternehmen Hansainvest Real Assets in den größten Solarpark Europas.

Versicherer sind nicht die Klimapolizei

Doch so wichtig die Rolle der Finanzindustrie beim Klimaschutz ist, dürfen wir bei der Regulierung und den gesetzlichen Anforderungen nicht übersteuern. Banken und Versicherer sind keine Klimapolizei – und sie dürfen von der Politik auch nicht in diese Rolle gedrängt werden. Unternehmen und Mittelständler müssen auch in Zukunft Zugang zu Krediten und Versicherungsschutz haben.

Grundsätzlich gilt, dass wir uns beim Klimaschutz nicht verzetteln dürfen. Mit einer Flut an neuen Regularien, Gesetzen und Vorschriften, die derzeit in Brüssel und Berlin erlassen werden, wird versucht, das Thema Nachhaltigkeit immer kleinteiliger und genauer zu erfassen und gesetzlich zu steuern. Das ist verständlich, wenn Kriterien für Nachhaltigkeit damit klarer, vergleichbarer und damit besser messbar werden.

Bei all den neuen Richtlinien, Normen und den dazugehörenden Regulierungsvorschriften muss man sich fragen: Ist das alles noch umsetzbar und zielfördernd? Oder entsteht hier gerade ein Bürokratiemonster, das am Ende möglicherweise zu weniger Nachhaltigkeit führt? Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, warnt bereits vor einem „Bürokratie-Wahnsinn“, der vor allem den Mittelstand treffe.

Fokus auf Klimaschutz

Anstatt mit einigen wenigen, dafür praktisch umsetzbaren Bestimmungen beispielsweise den Klimaschutz voranzubringen, werden sämtliche Nachhaltigkeitsparameter von sozialen bis zu gesellschaftlichen Aspekten in die Regularien mit eingewoben. Das Ergebnis ist ein Wust aus Verordnungen, den selbst Fachleute kaum noch durchblicken können. Weil die Unternehmen sich in alle Richtungen absichern sowie überbordende Dokumentationspflichten erfüllen müssen, werden die Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit so eher gebremst als beschleunigt. Am Ende haben wir viele Regeln, aber kaum praktische Veränderungen für mehr Nachhaltigkeit.

Damit ich nicht missverstanden werde: Mir geht es nicht darum, dass die Standards für Nachhaltigkeit ausgehöhlt oder verwässert werden. Auch ist es natürlich richtig, dass es verbindliche Normen und Defi­nitionen gibt, nach denen sich unsere Branche richten kann.

Aber bei all unseren Bemühungen dürfen wir unsere Ziele nicht aus den Augen verlieren: Ganz oben steht der Klimaschutz und die Erhaltung unserer Erde für kommende Generationen. Statt immer neuer und kleinteiliger Regularien, die am Ende niemand mehr versteht, bräuchten wir weniger, dafür aber praxis­taugliche Bestimmungen. Was für den nachhaltigen Konsum gilt, trifft auch auf die Nachhaltigkeitsregulierung zu: Weniger ist mehr!

Ulrich Leitermann

ist seit 2013 Vorsitzender der Vorstände der Signal Iduna Gruppe. Er studierte Betriebswirtschaft und ergänzte den Abschluss als Diplom-Kaufmann durch Examina als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Ab 1997 leitete er bei den Dortmunder Signal Versicherungen als Vorstandsmitglied das Ressort Finanzen