Kolumne

Geldanlage in Krisenzeiten

Kurz- oder weitsichtig investieren – was ist jetzt der richtige Ansatz?

Martin Hofberger, geschäftsführender Partner bei Barius Capital Management, rät vom überstürzten Rein und Raus an der Börse ab. Es erscheint ihm lohnender, gezielt in zukunftsträchtige kleinere Unternehmen zu investieren – auch in solch unsicheren Zeiten, wie wir sie momentan erleben.

10.10.2022

Auch wenn in der Finanzwelt allgemein anerkannt ist, dass Market-Timing keine empfehlenswerte Investmentstrategie darstellt, praktizieren derzeit viele Investoren genau das. Sie scheinen weitere kurzfristige Kursverluste zu antizipieren und halten sich mit Investitionen zurück oder steigen sogar aus. Ihre „gefühlte“ Stimmung ist derart negativ, wie ich sie seit der globalen Finanzkrise vor rund 14 Jahren nicht mehr wahrgenommen habe.

Spielt ihnen unser menschliches, intuitiv schutzsuchendes Verhalten einen Streich oder wissen sie es dieses Mal einfach besser?

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Verzweiflung macht sich breit

Nach der Effizienztheorie sind alle verfügbaren Informationen bereits in den Märkten eingepreist. Wer nun also weiter fallende Aktienkurse erwartet, muss annehmen, dass in naher Zukunft noch schlechtere Nachrichten über Unternehmen hereinbrechen. Natürlich können die Märkte weiter fallen. Aber ehrlich gesagt: Wer weiß schon, was morgen passiert?

Meiner Erfahrung nach sind kurzfristige Annahmen zum Marktgeschehen nicht die fundamentalen Treiber von Aktieninvestments, wenn man Zeiträume von fünf bis zehn Jahren betrachtet. Man darf also jetzt nicht den Fehler machen, die aktuelle Lage überzubewerten und in den Investmentannahmen zu weit in die Zukunft zu extrapolieren.

Ökonomie versus Astrologie?

Meiner Ansicht nach haben makroökonomische Vorhersagen eine geringe Halbwertszeit. Für richtige Kapitalmarktprognosen muss man zu viele Einflussfaktoren korrekt vorhersehen und selbst die sogenannten „unknown unknowns“ erkennen. Schon der Ökonom John Galbraith sagte: „Die einzige Funktion von ökonomischen Vorhersagen ist die Astrologie gut aussehen zu lassen!“

Illustration Martin Hofberger, Barius Capital
Martin Hofberger: Er ist geschäftsführender Partner der Barius Capital Management und Experte für globale Kapitalmärkte und Unternehmensbeteiligungen. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Investmenterfahrung. Zusammen mit Götz Mäuser gründete er 2018 Barius Capital Management und initiierte den Aktienfonds Barius European Opportunities (ISIN DE000A2JF873), der langfristig in skalierbare Wachstumsfirmen im Segment der Small und Micro Caps in Europa investiert

Wir bei Barius fokussieren uns deshalb stattdessen auf die mikroökonomische Analyse einzelner Unternehmen. Unserer Erfahrung nach ist die Treffsicherheit von Annahmen bei ausgewählten kleineren Firmen deutlich höher. Unsere Prognosen beruhen auf einer geringeren Anzahl leichter zu bestimmender Parameter. Im Segment der Small und Micro Caps schauen wir uns Firmen an,

  • die in einem Nischenmarkt tätig sind,
  • die über ein Geschäftsmodell verfügen und
  • von einem Management-Team geführt werden.

Dadurch erhöht sich die Berechenbarkeit gegenüber international agierenden Konglomeraten mit vielen „Unternehmen im Unternehmen“.

Stabile Geschäftskonzepte setzen sich durch

Selbst in diesen widrigen Zeiten finden wir Qualitätsunternehmen, die sich positiv und berechenbar weiterentwickeln können. So haben wir beispielsweise in unserem konzentrierten Portfolio drei Unternehmen, die Vorteile aus dem Software- und Healthcare-Markt kombinieren. Beide Märkte gelten als krisenresistenter und unterliegen langfristigen Aufwärtstrends.

Der Rückenwind durch eine softwarebasierte Digitalisierung in Krankenhäusern und Arztpraxen wird uns noch lange begleiten. Die hohen Wettbewerbsvorteile sowie der wiederkehrende Umsatz bei as-a-Service-Modellen bei Softwareprodukten sorgen für gleichmäßige Erträge über lange Zeiträume. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wachsen diese Unternehmen langfristig – auch im Umfeld von Rezessionen und erhöhten Inflationsraten.

Gesplittete Investments anstelle von Market-Timing

Auch wir wissen nicht, wie sich deren Aktienkurse kurzfristig durch prozyklisches Marktverhalten verändern werden. Wenn wir jedoch unsere konservativ berechnete langfristige Zielrendite von 10 bis 15 Prozent pro Jahr schon heute einkaufen können, lohnt es sich dann noch Market-Timing zu betreiben? Möglicherweise lässt sich in wenigen Monaten dadurch eine noch höhere Rendite erzielen. Oder liegt dann womöglich die vielzitierte Bodenbildung bereits hinter uns und wir haben den Einstiegszeitpunkt verpasst?

In meinen Augen trennt sich hier Investieren von Spekulieren. Wir steuern gegen, indem wir regelmäßig zu unterschiedlichen Zeitpunkten gezielt in Unternehmen investieren oder kurzfristige, irrationale Volatilitäten im Markt spontan auszunutzen.

Fazit: „Hin und Her macht Taschen leer“ ist eine alte Börsenwahrheit. Das Schielen nach kurzfristigen Ein- oder Ausstiegszeitpunkten ist Spekulieren. Ein disziplinierter, regelbasierter Einsatz in der strategischen Asset-Allocation kontrolliert kurzfristige Impulse, um die erhofften, langfristigen Marktrenditen zu realisieren. Und: Die Berechenbarkeit der Entwicklung ausgewählter kleiner Unternehmen ist erfolgversprechender als die von kurzfristigen makroökonomischen Kapitalmarkttrends.