Kolumne

Strategie

Investieren nach der Zinswende

Nach Jahren des Siechtums und des Leidens gibt es endlich wieder Zinsen für den waidwunden Sparer. Doch ist die Zinswende ein Grund zum Jubeln? Nein – überhaupt nicht, sagen Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun von der Neunundvierzig Honorarberatung. Die Inflation in historisch hoher Dimension sorge weiterhin für ein Abschmelzen der Kaufkraft von Zinsanlagen.

05.01.2023

Es sieht so aus, als habe sich der tiefsitzende Verdacht bestätigt, dass der Kapitalmarkt ein Casino ist, in dem man als Privatkunde nur verlieren kann.

Durch die Zinswende hat sich NICHTS an den Grundlagen rationalen Investierens geändert

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Wenn man genauer hinsieht, hat sich durch die Zinswende (fast) gar nichts geändert. Im Gegenteil. Das Jahr 2022 war geradezu eine Lehrstunde, die noch einmal in aller Klarheit Folgendes gezeigt hat: Zum rationalen und evidenzbasierten Investieren gibt es keine überzeugende Alternative.

Aber schauen wir uns das einmal näher an.

1. Tagesgelder, Sparbucheinlagen und Anleihen bieten nur  Scheinsicherheit

Tagesgelder, Sparbucheinlagen und Anleihen sind nicht geeignet, um Ihre Kaufkraft langfristig nach der Inflation zu erhalten.

2020 lag die Inflation bei 0,5 Prozent; die Verzinsung der meisten Kontoeinlagen lag bei ‑0,5 Prozent. In Summe lag der Kaufkraftverlust auf Erspartes damit bei minus 1,0 Prozent.

Heute bekommen Sie auf ein optimal verzinstes Festgeld circa 2,5 Prozent; die Inflation liegt bei rund 10 Prozent. In Summe liegt Ihr Kaufkraftverlust damit nun bei minus 7,5 Prozent pro Jahr.

Worin besteht jetzt genau die Verbesserung für den Sparer? Es bleibt dabei: Aktien bleiben nach wie vor die deutlich geeignetere Anlageklasse, um Kapital nach Inflation zu erhalten.

2. Rationale Investoren streuen über alle Branchen und über alle Regionen weltweit

Der starke Rückgang in Tech-Werten, aber auch in Schwellenländeraktien im Laufe des vergangenen Jahres ist eine klare Erinnerung an eine einfache Tatsache: Wetten auf Einzelwerte, Branchen oder Länder erhöhen das Risiko signifikant – ohne dass sich die erwartete Rendite verbessert.

Kluge Anleger sollten breit gestreut investieren – nicht spekulieren.

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld Nachdenken“

3. Gold oder Kryptos eignen sich nur sehr bedingt als Fluchtwährung

Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat Gold unter hohen Schwankungen auf Dollar-Basis 10 Prozent verloren. Dass deutsche Anleger ungeschoren mit plus/minus null davongekommen sind, liegt nur daran, dass der Dollar gegenüber dem Euro stark aufgewertet hat. Gold bleibt eine irrationale Ersatzwährung, von der man meinetwegen ein paar Münzen für den Tag nach dem Weltuntergang im Keller vergraben kann. Eine rationale Investition ist es aber nicht.

Und „das neue Gold“ – die Kryptos? Bitcoin und Ethereum haben auf Euro-Basis seit Kriegsbeginn rund 50 Prozent verloren; ein sicherer Hafen und Fluchtwährung sehen anders aus.

4. Das größte Risiko für das Vermögen sind Emotionen und eine toxische Finanzindustrie

Diese Tatsache gilt heute mehr denn je. Lassen Sie sich nicht verunsichern. Denn im Umfeld von Energiepreis-Schock, Inflation und Krieg kommen auch die Untergangspropheten, Westentaschen-Kostolanys und andere selbst ernannte Gurus wieder aus ihren Löchern. Ihr (ekliges) Geschäftsmodell: Sie predigen Ihnen erst die Sintflut – und verkaufen Ihnen dann einen Platz auf einer vermeintlichen Rettungsinsel. Die Ergebnisse für Ihr Vermögen werden auch diesmal wieder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verheerend sein.

Aber auch wenn Sie selber entscheiden: Hütten Sie sich vor emotionalen Entscheidungen – etwa dem Kardinalfehler, in Krisenphasen Aktienbestände zu verkaufen. Wenn Sie an „Anlegerstress“ leiden: Schalten Sie den Finanzinformationskanal ab, gehen Sie zum Laufen oder Meditieren oder lassen Sie sich einfach von jemand Netten in den Arm nehmen.

Fazit

Wenn Sie in Ihrem Portfolio gut aufgestellt sind, dann machen Sie am besten das, was oft am schwierigsten ist: nichts. Gegebenenfalls denken Sie darüber nach, Ihre Aktienquote ein Stück zu erhöhen.

Wenn Sie immer noch Cash vor sich her schieben, Ihr Depot aus intransparenten Finanzprodukten, Zertifikaten, aktiven Fonds oder anderen scheinbar tollen Ideen besteht: Hören Sie endlich mit dem Unfug auf und legen sich ein weltweit sauber diversifiziertes ETF-Portfolio zu. Wie das geht, erfahren Sie etwa in Gerd Kommers Klassiker: „Souverän Investieren für Einsteiger“. Oder in meinem Buch „Über Geld nachdenken“.

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

PS.: Abonnieren Sie gerne den Blog der Neunundvierzig Honorarberatung. Dann erhalten Sie in Zukunft alle Einladungen zu unseren Veranstaltungen sowie regelmäßig Impulse zum rationalen Umgang mit Geld.

Drei unserer Blogs, die Ihnen helfen können, in Krisenzeiten gelassen zu bleiben: