Kolumne

Vermögensaufbau

Finanzplanung: Schnell überholt – aber dennoch sinnvoll?

Der Bereich Finanzplanung fristet seit vielen Jahren ein Schattendasein bei deutschen Finanzinstituten. Denn für Banken ist dies ein defizitäres Geschäft. Dementsprechend steht das Thema auch bei vielen Kunden nicht im Fokus. Zu Unrecht. Denn richtig verstanden, ist Finanzplanung ein wunderbares Instrument, um die passenden Prioritäten im Umgang mit seinem Vermögen zu setzen und dadurch Lebensqualität zu gewinnen.

14.08.2022

Aufseiten der Banken ist die Dienstleistung Finanzplanung nicht sonderlich profitabel. Es ist deutlich einfacher, dem Kunden schnell ein Produkt zu verkaufen oder im Portfolio Wertpapier A in Wertpapier B zu tauschen und damit eine Provision oder ein Agio zu generieren.

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Eine ausführliche Finanzplanung dagegen macht richtig Arbeit. Man muss sich von Kunden alle möglichen Daten und Unterlagen besorgen. Und die wenigsten Kunden haben alles sofort parat; nicht selten ist man wochenlang damit beschäftigt, alle Papiere zusammenzubekommen.

Alle Risiken berücksichtigen

Dann gilt es, sich durch diverse Verträge des Kunden zu arbeiten. Versicherungen, Kreditverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten und Zinssätzen, betriebliche Altersvorsorgeverträge, Immobilien – das Spektrum ist potenziell riesig.

Eine fundierte Finanzplanung berücksichtigt ebenso alle Risikoaspekte. Dabei kommen dann die Themen Berufsunfähigkeit, Absicherung der Familie im Todesfall, Vorsorgevollmacht und Testament auf den Tisch. Spätestens dann sind viele Berater weder sattelfest noch haben sie ein Netzwerk aus Spezialisten an der Hand, welche die benötigte Hilfestellung leisten.

Durch Interessenkonflikte leidet die Qualität der Finanzplanung

Finanzinstitute haben sehr häufig auch das Problem, sich den immensen Aufwand vom Kunden vergüten zu lassen. Tja, liebe Kollegen, wenn man die Kunden permanent daran gewöhnt, dass Bankberatung vermeintlich nichts kostet, ist es natürlich umso schwieriger, Beratung in Rechnung zu stellen.

Die Gebühren werden – im konventionellen Provisionsvertrieb – über die vertriebenen Produkte verdient. Deshalb sind viele dazu übergegangen, die Pläne so „aufzubereiten“, dass am Ende immer ein enormer Bedarf beim Kunden entsteht, gerade das Produkt umzusetzen, das am dringendsten verkauft werden muss. Das hat mit objektiver Beratung nichts zu tun. Die Planung führt so regelmäßig zu Fehlentscheidungen; ihre Zielsetzung verkehrt sich ins Gegenteil.

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld Nachdenken“

Finanzplanung „nervt“

Aufseiten der Kunden verursacht das Thema häufig negative Implikationen. Zum einen bedeutet es sehr viel Arbeit, die Unterlagen zusammenzusuchen. Zum anderen bereitet die schiere Beschäftigung mit Themen wie dem eigenen Ableben sowie den finanziellen Folgen für die Hinterbliebenen und der Erkenntnis, potenziell einmal nicht mehr handlungsfähig zu sein, oftmals Stress pur.

Viele Kunden merken auch, dass die Finanzplanung vielfach nur der Vorwand ist, etwas zu verkaufen, was de facto vonseiten der Finanzunternehmen – siehe oben – auch genauso gelebt wird.

Die Realität überholt die Planung oft viel zu schnell

Und wofür das Ganze dann – ist man geneigt zu fragen. Schon nach ein paar Wochen stimmt der Plan mit seinen vielen Annahmen über Renditen, Inflation und Kosten nicht mehr. Nach ein paar Jahren sind häufig viele Erwartungen obsolet, weil nicht nur die ökonomischen Annahmen, sondern eben auch das Leben anders kommt als geplant: Die berufliche Laufbahn ändert sich. Ein neuer Job mit anderem Gehalt erfordert ein Überdenken der Planungen. Oder es kommen Kinder dazu. Vielleicht scheitert die Ehe. Und schon kann man wieder neu rechnen.

Wir sind trotzdem der festen Überzeugung, dass eine Finanzplanung für sehr viele Kunden absolut sinnvoll ist. Man muss nur eine realistische Erwartungshaltung haben und die richtigen Ziele setzen sowie Schlüsse daraus ziehen.

Im Ernstfall gelassen bleiben

Es ergibt definitiv keinen Sinn, daraus abzuleiten, wie viel Vermögen man mit 75 oder 80 Jahren haben wird. Dazu sind die Zeiträume zu lang. Und die angenommenen Parameter müssen sich lediglich moderat ändern – und schon kommen völlig andere Ergebnisse heraus. Machen Sie mal eine Zinseszinsrechnung über 30 Jahre und nehmen Sie statt einer jährlichen Rendite von 4,5 Prozent beispielsweise 5,3 Prozent an: Die Ergebnisse werden sich nach einem längeren Zeitraum um Welten unterscheiden.

Eine Finanzplanung ist also keine detaillierte Karte des unbekannten Landes Zukunft. Eine gute Finanzplanung ist eher ein Kompass. Sie ist extrem hilfreich, um Mandanten dabei zu unterstützen, die Kurzfristigkeit des Tagesgeschäfts an den Kapitalmärkten auszublenden und sich auf die eigentlich wichtigen Fragen im Umgang mit Geld zu fokussieren: Warum ist Vermögen wichtig für mich? Für wen trage ich Verantwortung? Wie möchte ich leben?

Wenn man in der Planung auch Stressszenarien wie einen Börsen-Crash simuliert hat, gehen viele Kunden im Ernstfall mit Krisensituationen deutlich entspannter um, weil sie realisiert haben, dass ihre finanzielle Lebensplanung auch dann noch auf soliden Beinen steht. Solange man sich innerhalb gewisser Leitplanken bewegt, gibt das mehr Sicherheit, auch in schwierigen Phasen durchzuhalten.

Eine erste Finanzplanung ist nur der Anfang

Ein Plan sollte natürlich auch immer regelmäßig an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Das ist aber dann deutlich weniger aufwendig als das erste Erstellen einer Finanzplanung. Schließlich müssen nur die geänderten Parameter angepasst werden.

Vor allem – und das ist das Wichtigste – ist die Finanzplanung nur der erste Schritt und die Ausgangsbasis für viele weitere strategische Überlegungen, zum Beispiel:

  • Ist unsere Familie ausreichend abgesichert, wenn dem/der Hauptverdiener/in etwas passiert?
  • Kann ich es mir leisten, schon mit 62 Jahren in Rente zu gehen oder zwischendurch ein unbezahltes Sabbatical einzulegen?
  • Kann ich mir den Traum von der Ferienimmobilie in Italien wirklich leisten?
  • Ab wann kann und sollte ich damit beginnen, Vermögen in die nächste Generation steuerschonend zu übertragen, ohne dass ich Gefahr laufe, meine eigene Versorgung zu gefährden?
  • Muss ich Vorkehrungen treffen, damit ich meinen Kindern ein kostspieliges Auslandsstudium finanzieren kann?
  • Brauche ich ein Testament und eine Vorsorgevollmacht? Zu 98 Prozent lautet die Antwort: Ja, das brauchen Sie!
  • Wann macht es Sinn, über einen Unternehmensverkauf oder eine Unternehmensübergabe nachzudenken?

Diese Fragestellungen anzugehen, OHNE vorher eine komplette Übersicht über den finanziellen Status quo zu haben, ist nichts anderes als Stochern im Nebel und wird damit häufig zu Stückwerk. Exakt so sehen in der Regel die finanziellen Entscheidungen der meisten Menschen aus, die wir kennenlernen: eine Aneinanderreihung von Einzelentscheidungen und Ideen ohne erkennbares Gesamtkonzept – und oft auch ohne Sinn und Verstand.

Das wird Ihnen nicht passieren, wenn Sie frühzeitig die richtigen Weichen stellen, sich eine langfristige Strategie und einen Plan zurechtlegen und diesen dann mithilfe eines kompetenten Beraters Schritt für Schritt konsequent verfolgen. Genau dafür ist eine Finanzplanung der optimale Ausgangspunkt.

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

P.S.: Mehr zum Thema rationales Anlegerverhalten, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung und in Nikolaus Brauns Finanzratgeber „Über Geld Nachdenken“.

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