Die Erhöhung des Leitzinses sowie die Inflation haben es Start-ups in diesem und im letzten Jahr deutlich schwerer gemacht, an Risikokapital zu kommen. Viele Start-ups versuchen daher, mit dem bestehenden Kapital möglichst lange auszukommen – also ihre Burn-Rate zu minimieren oder Finanzierungen von bestehenden Investorinnen und Investoren zu erhalten, um Down Rounds zu vermeiden.
Doch wie steht es um Investitionen im hochtechnologischen Bereich?
Insgesamt waren DeepTech-Start-ups in Europa im vergangenen Jahr trotz des schwierigen Marktumfelds erfolgreich. Das spiegelt sich auch im eingesammelten Kapital wider: Europäische DeepTech-Start-ups haben 2022 rund 17,7 Milliarden US-Dollar erhalten. Damit ist DeepTech das Segment mit der zweitbesten Performance. Besser schnitt laut „The European Deep Tech Report 2023“ nur der Energie-Sektor ab.
Later-Stage-Fundings werden noch seltener
Und wie sieht die Marktlage speziell in Deutschland aus? Hier zeigt sich, dass die allgemeinen Entwicklungen, die bei Investments zu beobachten sind, auch für den DeepTech-Bereich gelten.
Insgesamt sind insbesondere Later-Stage-Fundings, bei denen es um höhere Investmentsummen geht – also um circa 50 bis 100 Millionen –, deutlich schwieriger zu bekommen als noch 2021. Dies wird dadurch verstärkt, dass Deutschland bei Later-Stage-Fundings schon immer relativ schlecht aufgestellt war.
Das liegt auch an der Mentalität, mit der Menschen jungen Firmen begegnen: Hierzulande lässt sich oft ein regelrechter Hype um erfolgreiche, kleinere Unternehmen beobachten. Der Enthusiasmus flaut jedoch oft ab, wenn die Firmen größer werden.
So gibt es in Deutschland deutlich weniger institutionelle Anlegerinnen und Anleger im Later-Stage-Bereich. Gelder kommen oftmals mehr aus den USA als aus Deutschland selbst. Das gilt auch für den DeepTech-Bereich.
DeepTech-Standort Deutschland: Forschungsstark, aber nicht mutig genug?
Deutschland ist durchaus forschungsstark und es gibt auch eine ganze Reihe kleinerer, erfolgreicher DeepTech-Unternehmen. Doch beim Einwerben größerer Fundings fangen für viele die Herausforderungen an.
Die Entwicklung komplexer technologischer Lösungen beansprucht häufig mehr Zeit und ist mit höherem finanziellen Aufwand verbunden als die Entwicklung vergleichsweise simpler Consumer-Produkte. Aus diesem Grund brauchen DeepTech-Unternehmen oftmals relativ hohe Investmentsummen und haben eine längere Time-to-Market. Das ist in Deutschland aufgrund der mangelnden Risikofreude ein Problem.
In Deutschland wird konservativer investiert als in den USA
Während in den USA immer noch die großen Visionen überzeugen und auch hochinnovative, auf Langfristigkeit ausgelegte Geschäftsmodelle ihre Chance bekommen, wird in Deutschland deutlich konservativer investiert.
Gerade in den vergangenen zwei Jahren haben Investorinnen und Investoren in Deutschland ein großes Augenmerk auf einen klaren und möglichst kurzen Weg zur Profitabilität gelegt. Was für andere Start-ups absolut Sinn machen kann, ist für DeepTech-Start-ups aufgrund der längeren Entwicklungszeiten oft nur schwer zu leisten.
Im Gegensatz zu den USA fehlt hier das Vertrauen in komplexe Technologien – und daher fehlen auch die passenden Investment-Vehikel, um diese zu unterstützen. Das Aufsetzen von speziellen Fonds oder anderen Optionen für Later-Stage-Fundings könnte die Situation in Deutschland massiv verbessern. Und das lohnt sich: So sind uns die US-Amerikaner – trotz einiger Fehlschläge – bei der Entwicklung innovativer Technologien deutlich voraus. Und das trotz Bemühungen wie beispielsweise im Rahmen des High-Tech Gründerfonds oder des Gründer-Programms EXIST.
KI, Space- und HR-Tech: Aktuelle Schlüsselbereiche im DeepTech-Segment
Wie sieht es in den einzelnen Teilbereichen des DeepTech-Investments aus? Aktuell erfährt in diesem Segment insbesondere Künstliche Intelligenz eine hohe Aufmerksamkeit. Hier hat jedoch ganz klar die USA die Nase vorn, sowohl bei der Technologieentwicklung als auch im Investment-Bereich.
Chancen für Deutschland bestehen in dem derzeit stark aufstrebenden Bereich der Satelliten-Technologien. Hier sind deutsche Unternehmen im Vergleich deutlich besser aufgestellt. Investorinnen und Investoren haben noch die Möglichkeit, früh genug einzusteigen, um das Thema zu besetzen.
Ein Dauerbrenner in Zeiten des Fachkräftemangels sind HR-Tech-Lösungen – beispielsweise für Skill Mapping, wie durch das deutsche Start-up Cobrainer, in das Wayra investiert ist.
Aktuell eher auf der Verliererseite stehen Anwendungen im Bereich Blockchain oder Krypto. Dies kann sich jedoch nach einer kleinen Durststrecke wieder drehen – insbesondere, da die Blockchain-Technologie weiterhin Chancen zur Entwicklung dezentraler, hochsicherer Infrastrukturen bietet.
Bei DeepTech-Investments zahlt sich ein langer Planungshorizont aus
DeepTech-Investments verfügen wie erwähnt über einige spezifische Herausforderungen – etwa tendenziell längere Planungs- und Entwicklungszeiten sowie einen hohen Kapitalbedarf. Im aktuellen Marktumfeld kann das Investorinnen und Investoren, die auf eine schnelle Profitabilität drängen, durchaus unruhig werden lassen.
Investorinnen und Investoren sollten daher mutiger werden. Sie sollten die langfristige Vision für den Einsatz der Technologien in den Blick nehmen und gleichzeitig die Kennzahlen, wie produktbezogene Kosten, Gewinnmarge et cetera, prüfen, um eine fundierte Basis für Investitionsentscheidungen zu haben. So können nicht nur Investorinnen und Investoren erfolgreich ihr Geld anlegen und aufstrebende Gründerinnen und Gründer unterstützen, sondern gleichzeitig Deutschland als DeepTech-Standort etablieren.