Kolumne

Investieren in Krisenzeiten

Inflationsschutz durch Aktien: Wie geht das?

Inflation, Rohstoffmangel, wacklige Lieferketten: In der Wirtschaft herrscht weiter Krisenstimmung. Doch es gibt nach wie vor Bereiche, in die sich Investitionen aus Aktionärssicht lohnen. Denn Inflationsschutz sei möglich, betont Martin Hofberger von Barius Capital Management. Er erklärt, worauf Anlegerinnen und Anleger jetzt besonders achten sollten.

07.06.2022

Die Wirtschaft in der westlichen Welt ist aktuell einem massiven Kostendruck durch Mangel an Vorleistungsgütern, verzerrte Lieferketten, Energiepreisschocks und langsam steigende Kapital- und Lohnkosten ausgesetzt. Die Inflationsrate in Deutschland erhöhte sich gemäß dem Verbraucherpreisindex im Mai 2022 um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat; die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte katapultierten sich von April 2021 bis April 2022 um 33,5 Prozent nach oben.  

Aus Aktionärssicht gilt es jetzt drei neuralgische Punkte bei einem Unternehmen ganz besonders zu hinterfragen: 

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Umsatz: Wie inelastisch ist das Absatzvolumen eines Unternehmens, wenn die Preise steigen? 

Gewinnmargen: Verfügt das Unternehmen über genügend Preissetzungsmacht, um gestiegene Kosten an die Kunden weiterzureichen?

Unternehmensbewertung: Welche Auswirkung hat ein erhöhter Abzinsungsfaktor durch gestiegene Kapitalkosten auf den Barwert künftiger Cashflows? 

Bei der Beantwortung dieser Fragen liegt der Fokus meist auf zwei Themen:

  • Der Branche, in der das Unternehmen tätig ist.
  • Und besonders darauf, wie ausgeprägt seine Wettbewerbsvorteile sind. Hier trennen sich schnell Spreu von Weizen.  

Sektoren wie beispielsweise die Airline-Branche unterliegen durchschnittlich niedrigen und zyklischen Margen. Die Marktstrukturen lassen kaum Wettbewerbsvorteile zu. Nachfragebedingt sind die Schwankungen hoch. Andere Sparten, wie die Software-Branche, profitieren von der dauerhaften Nachfrage, die zu hohen wiederkehrende Umsätzen führt. Denn auf Software kann man auch in Krisenzeiten nicht verzichten. 

Illustration Martin Hofberger, Barius Capital
Martin Hofberger: Er ist geschäftsführender Partner der Barius Capital Management und Experte für globale Kapitalmärkte und Unternehmensbeteiligungen. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Investmenterfahrung. Zusammen mit Götz Mäuser gründete er 2018 Barius Capital Management und initiierte den Aktienfonds Barius European Opportunities (ISIN DE000A2JF873), der langfristig in skalierbare Wachstumsfirmen im Segment der Small und Micro Caps in Europa investiert

Wer hat Wettbewerbsvorteile, wer verfügt über Preissetzungsmacht? 

In Summe gibt es nur eine gute Hand voll nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, die Unternehmen eine starke Preissetzungsmacht verleihen. Die drei wichtigsten:  

Netzwerkeffekte 

Je weiter sich ein Netzwerk ausbreitet, desto selbstverstärkender wirkt der Netzwerkeffekt. Das elektronische Ausschreibungssystem von Mercell aus Norwegen bietet einen softwarebasierten Marktplatz für die behördliche Beschaffung sowie für private Zulieferer und Dienstleister. Staatliche Ausgaben machen rund 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts in der Europäischen Union aus und gelten historisch als relativ stabil. Besonders in Krisenzeiten setzt die Fiskalpolitik zusätzlich Impulse für eine höhere Wirtschaftsaktivität und wirkt somit nachfragestabilisierend.

Da Mercell in den nordischen Ländern Norwegen, Schweden und Finnland über Marktanteile von weit über 50 Prozent verfügt, ist allen Beteiligten daran gelegen, an diesem größten Marktplatz in Skandinavien zu partizipieren. Als Folge davon konnte Mercell Preise durchsetzen, die Margen bei den Erträgen vor Zinsbelastung, Steuern und Abschreibungen um die 40 Prozent in den jeweiligen Landesgesellschaften ermöglichten. 

Such- und Wechselkosten  

Hohe Wechselkosten gelten besonders für Softwareunternehmen als primäre Ursache für höhere Margen. Wer hat nicht selbst schon viel Zeit und Nerven beim Austausch von Computerprogrammen gelassen? Ist man einmal an ein funktionierendes System gewöhnt ist, mag man nur ungern wechseln. Davon profitiert die britische Craneware. Sie liefert cloud-basierte Software an Krankenhäuser, um die Medikamenten- und Dienstleistungsabrechnungen effizienter zu gestalten. Durch die Digitalisierung kann die Krankenhausverwaltung Umsätze sicherstellen, die ansonsten nicht erzielt worden wären. Durch diese Umsatzausweitungen werden die Softwarekosten um ein Vielfaches übertroffen. Eine Krankenhausgruppe ist somit gerne bereit, die geforderten Preise zu bezahlen.

Ist eine Software-Plattform erstmal erfolgreich installiert, wird die Gesamtlösung durch zusätzliche Softwaremodule und Funktionserweiterungen weiter verfestigt. Zu wechseln wird – auch finanziell – immer unattraktiver. Davon profitiert Craneware ganz erheblich: Das Unternehmen verfügt über rund 85 Prozent wiederkehrende Umsätze und kann auf adjustierte Margen bei den Erträgen vor Zinsbelastung, Steuern und Abschreibungen von mehr als 30 Prozent zurückblicken.

Skaleneffekte 

Hat ein Unternehmen in seinem Segment den höchsten Marktanteil erreicht, so kann es Kostenvorteile ausspielen und Wettbewerber auf Distanz halten. Die in München ansässige EQS Group gilt unangefochten als Marktführer für meldepflichtige Nachrichten börsennotierter Unternehmen in Deutschland. Corporate Compliance ist kein Luxusthema, das man kurzzeitig aussetzen kann. Somit ist es ein Geschäft mit sehr hohen wiederkehrenden Umsätzen. Softwareentwicklungskosten sowie Marketingkosten werden auf eine breitere Kundenbasis umgelegt und führen zu einer degressiven Stückkostenverteilung. Diese kann ein möglicher Wettbewerber kurz- bis mittelfristig nicht ohne hohe Verluste erreichen.

Nach Fertigstellung der neuen Cockpit-Software für ihre Kunden konnte EQS die Preise erheblich erhöhen. Aufgrund der hohen Zukunftsinvestitionen sind die Gewinnmargen derzeit noch verzerrt, aber EQS erwartet künftige Zielmargen bei den Erträgen vor Zinsbelastung, Steuern und Abschreibungen von um die 30 Prozent.  

Preissetzungsmacht führt zu stabiler Unternehmensbewertung 

Diese Fälle haben gemein, dass eine hohe Nachfrageresilienz auf eine starke Preissetzungsmacht trifft. Dadurch können diese Unternehmen gestiegene Kosten verschiedener Couleur an ihre Kunden größtenteils weiterreichen. In Folge erhöhen sich entsprechend die künftigen, nominalen Cashflows, die wiederum den durch die inflationierten Kapitalkosten um einen erhöhten Abzinsungsfaktor nivelliert werden. In Summe hält sich der intrinsische Unternehmenswert nominal stabil und entfaltet für die Aktionäre einen robusten Inflationsschutz.  

Fazit: Inflationsschutz durch Aktien ist möglich. In bestimmten Branchen können ausgewählte Qualitätsunternehmen mit starken Wettbewerbsvorteilen leichter den Inflationsdruck weitergeben und ihr Absatzvolumen sowie ihre Margen hochhalten. Nach solchen Playern sollten Aktionäre, die ihr Depot vor Inflation schützen wollen, Ausschau halten.