Neues Buch
Scott Galloway: Eine Formel für finanzielle Unabhängigkeit
Bestsellerautor Scott Galloway hat für sein neues Buch die Formel für Reichtum und finanzielle Unabhängigkeit entwickelt. Was sie bedeutet und warum es mit 40 Jahren noch nicht zu spät ist, finanziell unabhängig zu werden, darüber spricht der weltbekannte Ökonom im exklusiven Interview mit DUP UNTERNEHMER.
07.08.2024
Scott Galloway
ist Bestsellerautor, Unternehmer, Digitalexperte und Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Sein jüngstes Buch heißt „Die Algebra des Geldes. Die genial einfache Strategie für finanzielle Unabhängigkeit“
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Fokus plus Stoizismus mal Zeit mal Diversifizierung ergibt Ihrer Ansicht nach Reichtum. Was bedeutet die Formel genau?
Scott Galloway: Das Erste ist Fokus: Um finanzielle Sicherheit zu erlangen, müssen Sie zuerst Geld verdienen. Das gelingt, indem Sie Ihr Talent finden und sich darauf konzentrieren, zu den besten zehn Prozent zu gehören. Das ist der Schlüssel in einer Branche mit einer Beschäftigungsquote von über 90 Prozent – und da sprechen wir von 98 Prozent aller Branchen. Wenn Sie also einen Bereich finden, in dem Sie wirklich gut sind und sich anstrengen, werden Sie großartig. Da dies wirtschaftliche Bedeutung, Kameradschaft und Prestige mit sich bringt, werden Sie auch eine Leidenschaft dafür entwickeln.
Das ist aber nur ein Teil der Formel...
Galloway: Richtig. Sobald Sie die Fähigkeit haben, Geld zu verdienen, braucht es im Allgemeinen drei Dinge, um Wohlstand zu entwickeln. Das Erste nenne ich „Stoizismus“. Man könnte es aber auch als Disziplin bezeichnen. Ein Grundsatz des Stoizismus besagt, dass es Dinge gibt, die Sie nicht kontrollieren können. Sie können den Markt nicht kontrollieren. Sie können die Börse nicht kontrollieren. Was Sie aber kontrollieren können: wie viel Geld Sie ausgeben, wie viel Sie sparen und wie diszipliniert Sie beim Entwickeln von Sparmaßnahmen sind. Sie können sich auch gegen Materielles oder Statussymbole entscheiden. Das ist in einer kapitalistischen Wirtschaft sehr schwierig. Schließlich versucht diese Sie davon zu überzeugen, dass Ihr Wert von der Marke Ihres Telefons, Ihres Autos oder Ihrer Handtasche abhängt. Es braucht deshalb eine gewisse Reife, eine Art Disziplin. Ich nenne es Stoizismus.
Der zweite Aspekte ist Zeit oder vielmehr die Bedeutung von Zeit. Was meinen Sie damit?
Galloway: 98 Prozent unserer Spezies wurden lange nicht älter als 35 Jahre. Obwohl wir theoretisch wissen, dass wir heute viel länger leben, fällt es den Menschen schwer, das auch zu glauben. Wenn Sie 25 Jahre alt sind, werden Sie wahrscheinlich noch 80 Jahre leben. Das ist kaum vorstellbar. Viele Menschen denken, es sei zu spät, mit 35 oder 45 Jahren mit dem Sparen anzufangen. Doch selbst mit 45 Jahren wird man wahrscheinlich noch 30 Jahre arbeiten und 50 Jahre leben. Es ist also nicht zu spät. Außerdem vergeht die Zeit schneller, als die Leute denken. Oder haben Sie schon mal jemanden sagen hören: „Wow, das Leben ist wirklich langsam vergangen“?
Sie haben von drei Dingen gesprochen? Was ist das dritte?
Galloway: Zuletzt geht es um Diversifizierung — und hier habe ich es vermasselt. Ein paarmal, insbesondere beim Platzen der Dotcom-Bombe im Jahr 2000 und der großen Finanzkrise im Jahr 2008, habe ich so ziemlich alles verloren. Seitdem habe ich gelernt, nie mehr als drei oder vier Prozent meines Nettovermögens in eine Sache zu investieren. Es ist nämlich unmöglich vorherzusagen, was mit den Zinsen, den Märkten oder einzelnen Unternehmen passieren wird.
Letzte Woche habe ich erfahren, dass eine meiner größten Investitionen – ein großartiges Unternehmen im Gesundheitswesen, einer riesigen Wachstumsbranche – seine Tore schließt. Ich habe dort 100 Prozent meiner Investition verloren. Da ich aber seit meinem 45. Lebensjahr diversifiziert bin, ist es mein Kevlar, mein Schutz. Ich kann eine Kugel in die Brust kriegen, ich kann eine Investition auf null fallen lassen, aber es ist keine tödliche Verletzung. Es tut weh, es sticht. Ich komme aber wieder in Schwung, und es geht mir gut, nachdem ich wieder zu Atem gekommen bin.
Psychologisch betrachtet geht es beim Investieren ohnehin nicht nur ums finanzielle Wohlergehen, sondern auch um das emotionale und geistige Befinden. Der Verhaltensökonom Daniel Kahneman, der vor ein paar Monaten verstorben ist, hat die Verlustaversionstheorie entwickelt: Es gibt Geschichten von Leuten, die vor zwei Jahren alles in Nvidia investiert haben und jetzt 50 Millionen Dollar wert sind. Die Freude über einen großen Gewinn kann einen großen Verlust aber nicht ausgleichen. Wenn Sie also sicherstellen wollen, dass Sie wirtschaftlich abgesichert sind, erreichen Sie das durch Diversifizierung.
Sie empfehlen in Ihrem neuen Buch, viel Sport zu treiben, um finanziell unabhängig zu werden. Warum hilft Schwitzen beim Vermögensaufbau?
Galloway: Von den 500 CEOs der „Fortune 500“ sagen etwa 485, dass sie mindestens viermal pro Woche Sport treiben. Training bringt mentale und emotionale Stärke. Es gibt die Ausdauer, um härter zu arbeiten, wenn es nötig ist. Wenn Sie in guter Form sind, zeigen Sie allen, dass Sie diszipliniert sind, dass Sie Verantwortung übernehmen, dass Sie einen Plan haben und dass Sie bereit sind, für langfristige Ziele Opfer zu bringen. Das alles sind Signale, die potenziellen Arbeitgebern und Investoren eine sehr positive Botschaft vermitteln. Körperliche Präsenz und Stärke ziehen andere Menschen an. Dazu gehören Lieferanten wie potenzielle Mitarbeitende. Sind Sie in guter Form und gesund, können Sie mehr Energie in die Arbeit stecken und die Dinge, die Ihnen Spaß machen. Wie viel Zeit eine Person mit Schwitzen verbringt, ist also ein guter Indikator für deren Erfolg.
Wie halten Sie sich fit?
Galloway: Ich trainiere seit 40 Jahren viermal pro Woche, ich mache CrossFit-Cardio. Jetzt, wo ich älter bin, muss ich mehr Übungen mit geringerer Belastung machen. Heute habe ich zum Beispiel 150 Kniebeugen, 100 Liegestütze und dann noch 50 Burpees gemacht. Ich tue einfach fast jeden Tag etwas und nenne das mein Antidepressivum: Wenn ich keinen Sport mache, werde ich wütend und niedergeschlage
Sie schreiben, dass erfolgreiche Menschen glückliche Zufälle unterschätzen und sich selbst sowie ihre Fähigkeiten überschätzen. Welche Rolle spielt das Handeln für finanzielle Unabhängigkeit?
Galloway: Gerade in Amerika wird Glück oft mit Talent verwechselt. Das Klügste, was ich je getan habe, war, in den 1960er-Jahren in Kalifornien geboren zu werden. So hatte ich Zugang zu kostenloser Bildung an großartigen Universitäten wie der UCLA und Berkeley. Ich wuchs in einem Umfeld auf, in dem es relativ niedrige Steuern gab, und in einer Gesellschaft, die Unternehmertum liebte, sogar romantisierte. Wäre ich als Mann im Deutschland der 1920er-Jahre geboren worden, läge ich wahrscheinlich tot auf einem Feld irgendwo in Russland. Selbst wenn ich in Europa geboren worden wäre, hätte ich vermutlich nicht die Art von wirtschaftlicher Sicherheit, die ich jetzt habe.
Warum das?
Galloway: Ich habe neun Unternehmen gegründet und drei oder vier davon sind gescheitert. In Europa ist man gegenüber Misserfolgen tendenziell weniger tolerant als in den USA. Wir glauben viel mehr an zweite Chancen als in Europa. Als Folge davon gibt es in den Vereinigten Staaten fünfmal so viele Risikokapitalgeber pro Kopf. Obwohl in den USA viel mehr Unternehmen gegründet werden als in Europa, werden für jedes fünf Millionen Dollar an Risikokapital aufgebracht. In Europa ist es eine Million Dollar. Ich habe enorm davon profitiert, in den Vereinigten Staaten von Amerika geboren zu sein, Ich bin mir dessen bewusst und versuche, sicherzustellen, dass andere Menschen die gleichen Chancen haben wie ich. Es ist nämlich enttäuschend, dass einige der erfolgreichsten Unternehmer in Amerika nicht erkennen, dass viele ihrer Erfolge nicht ihr Verdienst sind.
Das Gleiche gilt auf der anderen Seite: Wenn Sie entlassen werden, Ihr Unternehmen scheitert oder Sie eine Investition tätigen und diese innerhalb eines Monats halbiert wird, müssen Sie sich selbst vergeben. Es ist nicht allein Ihre Schuld. Der Schlüssel zum Erfolg ist Widerstandsfähigkeit. Das ist laut Churchill die Fähigkeit, durch Misserfolge hindurchzugehen, ohne den Sinn für Begeisterung zu verlieren.
Meine Kernkompetenz ist eben diese Fähigkeit, Ablehnung zu ertragen. Ich hatte ein Unternehmen, das Insolvenz anmelden musste. Ich bin geschieden. Ich habe einige echte berufliche Misserfolge erlebt. Doch meine Kernkompetenz ist meine Fähigkeit, zu trauern und weiterzumachen. Ich hatte nie Angst, ein neues Unternehmen zu gründen. Ich hatte nie Angst, Investoren, die bei einer früheren Investition mit mir Geld verloren hatten, erneut um finanzielle Hilfe zu bitten. Wenn man persönlich oder beruflich über seine Gewichtsklasse hinaus punkten oder etwas erreichen will, muss man eine Reihe unangenehmer Risiken eingehen und auch mit der Aussicht auf ein Scheitern klarkommen. Öffentliches Scheitern. 98 Prozent der Menschen tun das nicht.
Sie sind ein sehr bekannter Technologieexperte. Inwieweit wird uns Künstliche Intelligenz, kurz KI, in Zukunft helfen können, Vermögen aufzubauen?
Galloway: Ich bin kein KI-Katastrophentheoretiker. Ich denke, dass es kurzfristig zu Arbeitsplatzverlusten kommen wird, wie bei jeder anderen Technologie auch. In den 1980er- und 1990er-Jahren gab es beispielsweise eine große Angst, dass die Automatisierung alle in der Fertigung Tätigen arbeitslos machen könnte. Kurzfristig kam es wirklich zu Arbeitsplatzverlusten, aber langfristig wurde viel Kapital freigesetzt, das in neue Features und Funktionen investiert wurde. Ob es nun Sitzheizungen oder Autoradios waren. Letztendlich beschäftigt die globale Autoindustrie heute mehr Menschen als vor der Automatisierung. Ich sehe keinen Grund, warum das Gleiche nicht auch bei KI passieren sollte. Nicht KI wird Ihnen Ihren Job wegnehmen. Jemand, der KI versteht, wird Ihren Job wegnehmen. Die Aufgabe besteht also darin, Künstliche Intelligenz jeden Tag zu nutzen und zu verstehen, wie Sie in Ihrem Job besser werden.
Das könnte Sie auch interessieren
DUP Magazin Newsfeed
Biotech: Neue Kurspotenziale für Pharmaunternehmen
10/18/2024
Fallende Leitzinsen versprechen Biotech-Aktien Rückenwind. Doch auch die Leistungen der Unternehmen in der Entwicklung dürften Kurspotenziale eröffnen.
finanzen
investieren
DUP Magazin Newsfeed
So gelingt der Einstieg in die Transformation
8/16/2024
Das eigene Geschäftsmodell optimieren – und zugleich die Weichen in die Zukunft stellen: Wie Unternehmerinnen und Unternehmer diesen Spagat schaffen, darüber hat Christian Schwedler ein Buch geschrieben. Im Interview erklärt der Business-Mentor, wie sich der deutsche Mittestand neu erfinden kann.
strategie
DUP Magazin Newsfeed
Wall Street: Zocken auf die Präsidentschaftswahl?
8/6/2024
Mit der Kurskorrektur von Hightech-Schwergewichten und den Verwerfungen an Japans Börse sackten die Notierungen amerikanischer Titel kräftig ab. Zudem fiebern die Broker in New York der Präsidentschaftswahl im November entgegen. Denn je nach Ausgang könnten unterschiedliche Unternehmen profitieren – so die Theorie. Lohnt also das Pokern auf Donald Trump oder Kamala Harris?
finanzen
investieren
DUP Magazin Newsfeed
KI in der Finanzwelt: Diese Vorteile revolutionieren die Branche
6/24/2024
Künstliche Intelligenz hält bei den Kapitalanlagegesellschaften Einzug. Dies bietet den Unternehmen der Finanzbranche, ihren Mitarbeitenden und den Geldanlegenden eine Reihe von Vorteilen.
finanzen
big-data
technologie