Eine Achterbahn zeigt steil nach unten.
18.01.2022    Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
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Während einer Kapitalmarktkrise seine Aktien zu verkaufen, ist kein kleiner Betriebsunfall, es ist DER GROSSE FEHLER bei der Kapitalmarktinvestition ‒ eine Maschinerie zur Vernichtung von Vermögen. Das ist logisch relativ leicht nachzuvollziehen.

Wer in Krisen Aktien verkauft, schädigt sein Vermögen langfristig massiv

Sie machen aus einem virtuellen Buchverlust, einer schmerzhaften Vermögensschwankung einen realen Verlust. Danach dauerhaft auf die produktivste (und pflegeleichteste) Anlageklasse zu verzichten, bedeutet, dass Sie massive Probleme beim Vermögensaufbau bekommen werden. Sie werden das Loch, das Sie gerissen haben, nicht mehr stopfen können.

Auch die Alternative, später wieder einzusteigen, wenn sich alles wieder beruhigt hat, ist eine Illusion. Solange der Markt weiter fällt, fühlen Sie sich bestätigt. Bis Sie genügend Mut zum Aktienkaufen gefunden haben, befinden sich die Indizes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder auf einem Niveau, das teurer ist als das, auf dem sie verkauft haben. Billig verkaufen, teuer kaufen: Ist das sinnvoll?

Warum verkaufen wir in der Krise Aktien, obwohl das Unsinn ist?

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Aber weshalb ist der Impuls, in Krisenzeiten seine Aktien zu verkaufen, so mächtig, obwohl wir doch alle wissen, dass das ganz großer Unsinn ist? Der Hintergrund sind eine Reihe extrem wirkmächtiger kognitiver Verzerrungen, die die meisten Anleger entweder nicht kennen oder mit einem „Ist klar, betrifft mich aber nicht“ abhaken. Grund genug, sich das näher anzusehen.

Panikverkäufe werden in rationale Entscheidungen umgedeutet

Wenn der Markt einbricht, verkaufen die wenigsten Menschen ihre Aktien in bewusster Panik. Meist meinen sie, sie hätten eine ganz rationale Entscheidung getroffen. Die in Sekundenbruchteilen emotional gefällte Entscheidung ‒ „Nichts wie raus aus Aktien“ ‒ wird im Nachhinein mit logischen Argumenten unterfüttert, rationalisiert. Sie denken also nur, dass Sie denken. Inhaltlich klingt das dann so: „Die alten Regeln gelten nicht mehr; noch kann ich den Schaden begrenzen; ich habe auch Verantwortung für meinen Partner und die Kinder; selbst international angesehene Experten meinen, dass …“

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen Sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld Nachdenken“.

Die gute Nachricht: Sie verschleiern so vor sich selbst, wie unglaublich dumm Sie gerade sind. Die schlechte Nachricht: Sie grätschen mit Ansage Ihr Vermögen und damit Ihre zukünftigen (finanziellen) Gestaltungsmöglichkeiten um.

Die menschliche Verlustaversion befeuert irrationale Verkäufe in Kapitalmarktkrisen

Der eigentliche Hintergrund für irrationale Verkäufe in Kapitalmarktkrisen heißt Verlustaversion. Sie ist Teil der Nobelpreis-gekrönten Neuen Erwartungstheorie von Daniel Kahnemann und Amos Tversky. Anders, als es die Theorie eines rationalen homo oeconomicus es erwarten ließe, handeln Menschen unter Risiko alles andere als rational. Hier ist relevant, dass Menschen Verluste in etwa doppelt so stark negativ empfunden, wie sie Gewinne positiv wahrnehmen ‒ ein Mechanismus, der Verhaltensweisen, etwa in der Krise alles zu verkaufen, deutlich begünstigt.

Das sind so tief verwurzelte evolutionäre Strukturen, dass sie sich sogar bei Primaten nachweisen lassen. Evolutionär war das durchaus sinnvoll. Für unsere Vorfahren gab es in der Regel mehr zu verlieren als zu gewinnen. Risikofreudige Bauern, die es in Aussicht einer vermeintlichen Rekordernte nicht über den Winter geschafft haben, sind schlicht aus dem Genpool verschwunden. Und letztlich ist Geld ja nichts anderes als das moderne Äquivalent eines Wintervorrats: geronnene Zeit, (Über-)Lebensqualität in frostigen Zeiten, in denen es nichts mehr zu ernten beziehungsweise nichts mehr zu verdienen gibt. Wir alle stammen also von Menschen ab, die solche Vorräte angelegt haben …

Es sind diese tief in unserer DNA und unserem kulturellen Gedächtnis verkabelten Strukturen, die die unglaubliche emotionale Wucht der Emotionen begründen, die Verluste am Kapitalmarkt in uns auslösen. Vor unserem inneren Auge brennt die Scheune, tanzen Mäuse durch die Kornkammer oder verfaulen die Kartoffeln kurz vor der Ernte: Lebensgefahr!

Was sollten Sie konkret tun, um in Zukunft in Kapitalmarktkrisen die Nerven zu bewahren

  1. Nehmen Sie Ihre Emotionen nicht auf die leichte Schulter. Das sind keine Soft Facts oder Chichi, das ist die Achillesverse einer erfolgreichen Anlage. Meine Erfahrung aus der täglichen Arbeit lautet: Je rationaler ein Anleger ist, umso eher erkennt er seine Emotionalität und deren Wurzeln an und kann dann auch damit umgehen.
  2. Bevor Sie die nächsten Bücher oder Artikel über Wertpapiere, Portfolios und Kapitalmärkte lesen, setzen Sie sich intensiv mit der Verlustaversion und anderen kognitiven Verzerrungen auseinander. Daniel Kahnemanns Buch Schnelles Denken, langsames Denken wäre dazu ein perfekter Einstieg.
  3. Üben Sie rationales Verhalten in Krisenzeiten. Damit Ihr Verstand in einer Kapitalmarktkrise eine Chance hat, müssen Sie erst eine Technik finden, mit der sich die Emotionen (potenziell) in den Griff bekommen lassen. Dabei kann Ihnen etwa der Notfallplan der Neunundvierzig Honorarberatung
  4. Wenn Sie es allein nicht schaffen und in der Vergangenheit schon negative Erfahrungen gemacht haben, lassen Sie sich von einem Honorarberater helfen.

 

Alles Liebe,

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

p.s.: Mehr zum Thema rationale Anlagestrategien, Strategien zum Vermögensaufbau, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung und in Nikolaus Brauns Finanzratgeber:„Über Geld Nachdenken“.

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18.01.2022    Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
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