Vention-CEO im Interview

Roboter für den deutschen Mittelstand

In Deutschland stehen die modernsten Fabrikhallen der Welt. Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die automatisierte Produktion in der Breite noch nicht voll angekommen ist. Im Gespräch erklärt Etienne Lacroix, Gründer und CEO von Vention, wie Roboter die Automatisierung im deutschen Mittelstand vorantreiben kann.

Zwei Personen, die an einem Roboter Arm arbeiten

26.08.2024

 

Etienne Lacroix

ist der Gründer und CEO des kanadischen Plattformanbieters Vention

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Herr Lacroix, Robotik und Automatisierung werden für KMU immer wichtiger. Wie ist der Stand dieser Entwicklung?

Etienne Lacroix: Robotik und Automatisierung sind für KMU unverzichtbar geworden. Traditionell waren diese Technologien großen Unternehmen vorbehalten, die über die nötigen Investitionen und das technische Know-how verfügen. Jüngste Fortschritte – wie modulare Hardware, standardisierte Anwendungen, benutzerfreundliche Software und digitale Zwillinge – machen Robotik und Automatisierung nun auch für kleinere Unternehmen zugänglich und erschwinglich. In den kommenden Jahren wird künstliche Intelligenz zu dieser Reihe transformativer Technologien hinzukommen und KMU durch Kostensenkung, Verbesserung der Produktqualität sowie Steigerung der Produktivität in die Lage versetzen, global wettbewerbsfähig zu sein.

Ist Deutschland mit seinem berühmten Mittelstand ein spezieller Markt für solche Lösungen?

Lacroix: Auf jeden Fall. Der Mittelstand stellt einen einzigartigen und bedeutenden Markt für Robotik- und Automatisierungslösungen dar. Als Rückgrat der deutschen Wirtschaft legen diese Unternehmen großen Wert auf Qualität und Präzision, was sie zu idealen Kandidaten für fortschrittliche Automatisierungstechnologien macht. Besonders der Fokus des Mittelstands auf langfristiges Wachstum und Nachhaltigkeit fällt mir auf. Mit dem Aufkommen modularer, benutzerfreundlicher Roboter- und Automatisierungslösungen können diese Unternehmen heute innovative Anwendungen einsetzen und diese später problemlos überarbeiten, anpassen und weiterentwickeln.

Ihr Unternehmen Vention wurde in Kanada gegründet. Warum haben Sie sich entschieden, in den deutschen Markt einzutreten?

Lacroix: Obwohl Vention in Kanada gegründet wurde, verstehen wir uns als globales Unternehmen mit Kunden auf der ganzen Welt. Deutschland spielt als führendes Fertigungsland mit seinen hochqualifizierten Arbeitskräften, fortschrittlichen Prozessen und starken Exportleistungen eine entscheidende Rolle für uns. Diesen Markt dürfen wir als Anbieter nicht übersehen. Nachdem wir erfolgreich einen Kundenstamm in Nordamerika aufgebaut haben, erweitern wir seit 2021 von Berlin aus unsere Präsenz in Europa. Dadurch wollen wir unsere Zusammenarbeit mit Herstellern auf dieser Seite des Atlantiks verbessern und näher an unseren Kunden sein, um ihre Bedürfnisse besser erfüllen können. Die Vention GmbH bietet dem deutschen Markt mit unserer Manufacturing Automation Platform (MAP) eine einzigartige Automatisierungslösung.

Was bieten Sie deutschen KMU?

Lacroix: Mit dem Eintritt in den deutschen Markt haben wir uns an die spezifischen Bedürfnisse unserer Kunden angepasst. So verbringen wir beispielsweise mehr Zeit vor Ort bei Kunden in Deutschland als in den USA. Deutsche Hersteller, insbesondere kleine und mittlere, sind sehr innovativ und meiner Erfahrung nach durchaus bereit, eine neue cloud-basierte Art der Automatisierung, wie wir sie anbieten, zu testen. Wir haben auch dem Ausbau unseres Vention Automation Partner (VAP)-Netzwerks in Europa Priorität eingeräumt. Dieses Netzwerk ist für die Unterstützung komplexer Automatisierungsherausforderungen von entscheidender Bedeutung und wird von den Kunden sehr geschätzt. Mit Deutschland als Drehscheibe unseres VAP-Kanals sind wir bestrebt, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die zukunftsorientierte Integratoren über Plattformen wie unsere unterstützen. Gleichzeitig erweitern wir unser Vention Experience Center an unserem Berliner Standort, um unseren Kunden umfassende und informative Einblicke in unsere Produktwelt zu bieten.

Was unterscheidet Sie von Ihren Mitbewerbern?

Lacroix: Andere Unternehmen und Startups spezialisieren sich auf einen Aspekt des Automatisierungsprozesses – wie etwa CAD für die Konstruktion automatisierter Geräte oder die Fernüberwachung von Fabrikmaschinen. Diese Lösungen bringen oft Kompatibilitätsrisiken mit sich und erhöhen die Integrationskosten. Wir wollen hingegen die gesamte Wertschöpfungskette abdecken: die Entwurfsphase, die Simulation mit dem digitalen Zwilling, die Programmierung, die Bereitstellung, den Betrieb mit Fernüberwachung und -unterstützung sowie alle cloud-basierten Angebote, die es Benutzern ermöglichen, ihre eigene End-to-End-Lösung zu verwalten.

Gibt es einen großen Unterschied zwischen Ihren Kunden in Nordamerika, Europa und insbesondere Deutschland?

Lacroix: Deutsche Hersteller, insbesondere im Mittelstand, legen großen Wert auf den Aufbau starker, vertrauensvoller Beziehungen zu ihren Partnern. Diese kulturelle Betonung des persönlichen Kontakts ermöglicht es uns, spezifische Herausforderungen besser zu verstehen, unsere Lösungen genauer auf die Bedürfnisse unserer Kunden zuzuschneiden und sicherzustellen, dass unsere Automatisierungstechnologien nahtlos in ihre bestehenden Prozesse integriert werden.

Was können KMU von Ihrer jüngsten Partnerschaft mit dem Chiphersteller NVIDIA erwarten?

Lacroix: Unsere Zusammenarbeit mit NVIDIA konzentriert sich auf die Verwendung von künstlicher Intelligenz zur Erstellung hochpräziser digitaler Zwillinge, sodass Hersteller ihre Projekte testen und validieren können, bevor sie erhebliche Investitionen tätigen. Zu den wichtigsten Entwicklungsbereichen gehören generative Designs für Roboterzellen, Co-Pilot-Programmierung, physikbasierte Simulation und die Weiterentwicklung autonomer Roboter.

Ist KI ein Game-Changer für Robotik und Automatisierung?

Lacroix: Wie in vielen anderen Branchen hat KI erhebliche Auswirkungen auf Robotik und Automatisierung. Das Potenzial dieser Technologie, mehr Automatisierungsmöglichkeiten für KMU zu schaffen, ist immens. Aber wir befinden uns noch in der Anfangsphase. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Bereich in den nächsten Jahren weiterhin ein schnelles Wachstum erleben werden. Bei Vention ist KI tief in der DNA verankert. Unsere Datenbank mit über 350.000 Designs bietet uns einen einzigartig organisierten Datensatz, im Gegensatz zu herkömmlicher CAD-Software, die oft auf weniger strukturierten Daten basiert. Unser diesjähriger Demo Day 2024 am 18. September in Berlin – an dem wir die bedeutendsten Innovationen und Produkteinführungen des Jahres vorstellen – steht unter dem Motto „Künstliche Intelligenz. Echte Fertigungsarbeit“. Wir wollen damit zeigen, wie KI die Fähigkeiten unserer Plattform erweitert – vom Design bis zum Betrieb.