„Die Nachfrage nach Rechtsberatung mit Blick auf virtuelle Hauptversammlungen in Coronazeiten hat bereits im ersten Halbjahr 2020 deutlich angezogen und die Saison 2020 geprägt“, sagt Kerstin Schnabel, Partnerin bei der Anwaltskanzlei DLA Piper und Expertin für Aktienrecht. Denn anders als bei inoffiziellen beziehungsweise unternehmensinternen Veranstaltungen gelten für Hauptversammlungen zahlreiche rechtliche Vorgaben, die die Unternehmen beachten müssen. Der Staat hat mit der Covid-19-Gesetzgebung für virtuelle Hauptversammlungen ohne physische Anwesenheit der Aktionäre den entsprechenden Rahmen beschlossen.
Übertragung in Bild und Ton ein Muss
Dazu gehört, dass die gesamte Versammlung in Bild und Ton übertragen werden muss. „Aktionäre müssen des Weiteren die Möglichkeit haben, ihre Stimme abzugeben. Eine Echtzeitabstimmung sieht das Gesetz zwar nicht zwingend vor, wohl aber muss zumindest eine Briefwahl und eine Vollmacht für einen Stimmrechtsvertreter angeboten werden“, so Schnabel. Außerdem muss es für die Aktionäre die Möglichkeit geben, auf elektronischem Weg Fragen zu stellen – wobei auch vorgesehen werden kann, dass Fragen vorab eingereicht werden müssen. Aktionäre müssen zudem die Möglichkeit haben, den auf einer Hauptversammlung gefassten Beschlüssen zu widersprechen, so Schnabel. Das Gesetz räumt dazu folgende Möglichkeit ein: Man kann den Widerspruch elektronisch beim Notar einlegen.
Aktuell hat der Gesetzgeber noch einmal nachgebessert – und zwar zum Vorteil der Aktionäre. Vorstände müssen ab sofort Aktionärsfragen auf Hauptversammlungen wieder beantworten. Die bisherige Fragemöglichkeit wird zu einem Fragerecht erhoben. Fragen sollen außerdem bis zu einem Tag vor der Hauptversammlung eingereicht werden können, statt mit einer Frist von bisher zwei Tagen. Darüber hinaus erhalten Aktionäre ihr Antragsrecht zurück, wenn sie ordnungsgemäß zur Hauptversammlung angemeldet sind.
Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, hält das für ein gutes Signal. Dennoch mahnt er an, dass künftig der Dialog zwischen Aktionären und Unternehmensleitung auf den Hauptversammlungen wieder Einzug halten müsse.
Im internationalen Vergleich gut aufgestellt
Die Covid-19-Notgesetzgebung hatte Aktionärsrechte während der Hauptversammlungssaison 2020 massiv beschnitten. Der BVI hat sich deshalb dagegen ausgesprochen, diese unverändert fortzuführen. Die kommende Hauptversammlungssaison wird aus Sicht der Aktionäre enorm wichtig, denn sie werden nach Maßgabe des ARUG II erstmals die Möglichkeit haben, über Vergütungssysteme für Vorstände und Aufsichtsräte abzustimmen.
Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit recht gut da: „Das Gesetz und auch dessen Verlängerung für 2021 waren nötig und sinnvoll, ein Riesensprung“, sagt Kerstin Schnabel.