Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah – sagt ein Sprichwort und das lässt sich auch auf die aktuelle Personalsituation anwenden: Wenn es hierzulande nicht genug Personal gibt – allen voran für Transformationsprojekte rund um IT –, dann ist die naheliegende Lösung oftmals besser als die ferne: Im benachbarten EU-Ausland gibt es genügend Talentpools – und zum Leidwesen der Volkswirtschaften vor Ort auch nicht immer genug Arbeitsplätze, damit alle jungen Menschen dort unterkommen.
Entsprechend logisch klingt es, mit deutschen Arbeitgebern zu einer Win-win-Situation zu kommen. „Nearshoring kann den Fachkräftemangel in Deutschland beheben – egal ob die Fachkräfte hierherkommen oder im Ausland bleiben“, sagt Peer Wehr, Geschäftsführer von WuWIT. Er betont die kulturelle Nähe zu Deutschland, dass die Menschen in der gleichen Zeitzone bleiben und die Unternehmen ihre Kosten reduzieren können. Zudem läuft die Arbeit DSGVO-konform, weil die IT-Compliance-Vorgaben erfüllt werden. Nearshoring ist eine Geschäftsstrategie, bei der Unternehmen bestimmte Geschäftsprozesse oder Dienstleistungen in ein nahe gelegenes Land verlagern. Hierfür gibt es verschiedene Modelle, die individuell auf das auslagernde Unternehmen zugeschnitten werden und 30 bis 40 Prozent der Kosten für diese Bereiche einsparen können. In knapp einem Drittel der mittelständischen Unternehmen ist Nearshoring bereits nicht mehr wegzudenken und etabliert sich immer weiter als wachsender Trend.
Flexible einsetzbare Ressourcen
WuWIT hat sich mit Lupus & Company zu einer Kooperation zusammengeschlossen und Shoring Experts gegründet. Ein typischer Anwendungsfall ist folgender: Ein Unternehmen will eine Bestandslösung erneuern und muss gleichzeitig transformieren, aber mit dem bestehenden Team auch das laufende Geschäft sauber abbilden, was anstrengend genug ist. „Wir helfen, kurzfristig flexibel Ressourcen mit dem entsprechenden Know-how aufzubauen“, erklärt Wehr. „Wir unterstützen unsere Kunden dabei, die passenden Modelle zu finden, um gleichzeitig kosteneffizient und lieferfähig zu bleiben.“ Die Digitalisierung, der demografische Wandel und der Bedarf an IT-Expertise wird in allen Branchen zunehmen, und damit werden Fachkräftemangel und Kostendruck weiter steigen.
Shoring Experts will mittelständischen Unternehmen neue Wege und Lösungen aufzeigen, um im Wettbewerb mit großen Unternehmen standhaft zu bleiben. „Wir erstellen und gestalten Zusammenarbeitsmodelle mit unseren Kunden und integrieren diese in deren Organisation“, sagt Jan Wilhelm, Co-Gründer von Shoring Experts und Geschäftsführer von Lupus & Company. Nearshoring ist aus seiner Sicht für praktisch alle Unternehmen interessant, die viel mit IT zu tun haben oder sich mit der digitalen Transformation auseinandersetzen müssen. Anders formuliert: Wer sucht derzeit nicht IT-Talente? Im Fokus stehen Firmen, die in hochpreisigen Ländern unterwegs sind und die danach suchen, für sich und ihre Veränderung die richtigen Fachkräfte zu bekommen. „Wir kennen ja die Vorteile der verschiedenen Länder und Partner, sind dabei selbst aber neutral aufgestellt, weil wir natürlich immer versuchen, den Perfect Match für unsere Kunden zu finden“, sagt Wilhelm.
Erfolgsfaktoren beim Nearshoring
Shoring Experts arbeitet mit Kunden aus unterschiedlichen Branchen und in unterschiedlichen Größen – egal ob kurzfristig einzelne Teams aufgebaut werden müssen oder eine langfristige Sourcing-Strategie entwickelt und umgesetzt werden soll. Jedes Projekt ist individuell, folgende Punkte gilt es immer zu beachten:
1. Integration in die IT-Strategie: Da es eine enorme Menge an Angeboten und Optionen gibt, die sich inhaltlich und qualitativ stark unterscheiden, gilt es, das passende Modell für die jeweilige Heraus- forderung zu definieren. Dabei sollten die Teams aus allen Bereichen den Mehrwert von Nearshoring erkennen und ideal auf die Projekte vorbereitet werden.
2. Die Risiken clever minimieren: Jeder Nearshoring-Vertrag ist anders und sollte auf die eigenen Prioritäten zugeschnitten sein. Dafür braucht es klar definierte Ziele, das Wissen um die Einsparpotenziale und eine enge Verzahnung mit den Kolleginnen und Kollegen aus Einkauf und Legal sowie den idealen Mix bei der Auswahl der Länder, Standorte und Partner.
3. Die Prozesse effizient gestalten: von der Gap-Analyse zur Identifikation möglicher Lücken in der Dokumentation bis zum Abgleich der Prozesse im Anforderungsmanagement. Sobald die Teams operativ arbeiten, gilt es, dafür Sorge zu tragen, dass der erwartete Outcome auch messbar und stabil geliefert wird.
Kostendruck standhalten
„Nearshoring ist ein wichtiges Mittel, um fehlende Skills oder Kapazitäten an Bord zu nehmen und gleichzeitig das Return of Investment zu verbessern“, sagt Burak Bari, der bei dem IT-Dienstleister Adesso als Geschäftsführer Türkei unter anderem für Shoring zuständig ist. Für ihn startet der Prozess stets mit einer Analysephase, bevor dann die Integration der Remote-Teams in die eigene Organisation ansteht. Für Burak Bari liegen die Vorteile auf der Hand: „Zum einen gibt es Kostenvorteile. Das heißt, die Shoring-Länder haben andere Gehaltsstrukturen. Was wir aber sehr stark in den Vordergrund stellen, ist, dass wir die Qualität über alle Länder hinweg stabil halten.“
Tobias Kindler, heute selbstständiger Berater bei der Kindler Company, hat viele Jahre in Leitungsfunk- tionen bei Media Markt Saturn Erfahrungen mit Nearshoring gemacht. Für ihn gibt es einen typischen Ablauf in vielen Unternehmen: In der Set-up-Phase von digitalen Projekten arbeiten Betriebe oft mit Softwaredienstleistern zusammen, die Programmierer eher als Berater verkaufen und auch zu entsprechenden Sätzen abrechnen. Spätestens wenn Organisationen nach der Startphase in eine dauerhafte Optimierungsschleife kommen, steigt der Kostendruck, und alle suchen nach alternativen Lösungen. „Und eine Idee war dann zu sagen: Lass uns doch ins Nearshoring gehen“, berichtet Kindler. „Wir wollten nicht selbst Programmierer aufbauen, sondern das Konstrukt atmungsaktiv machen, denn wir wissen nicht genau, wie viel Kapazität wir in jedem Jahr brauchen.“ Da habe sich Nearshoring angeboten. „Das hat gut funktioniert und die jährliche Kostenbelastung um einiges reduziert.“