Illustration einer automatisierten Produktionsstraße
12.05.2021    Karina Engelking
  • Drucken

Warum noch in teure Maschinen investieren, wenn sie auch über Pay-per-Use finanziert werden können? Nutzungsbasiert nach einem Abo-Modell ermöglicht diese Form der Finanzierung Industrieunternehmen den Zugriff auf modernste Ausstattung ohne hohe Investitionen. Equipment-as-a-Service (EaaS) heißt dieses Konzept. In der Praxis bedeutet das: Kunden verzichten darauf, für viel Geld eine Maschine anzuschaffen, die aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts schon bald ein Update braucht. Stattdessen trägt der Hersteller die volle Verantwortung für die Anlage, „besitzt“ sie also weiterhin; der Kunde zahlt für die Nutzung.

Sinnvolle Ergänzung zu Bestehendem

Aus Kundensicht hat das einen entscheidenden Vorteil: „Vor allem in volatilen Märkten ist es attraktiv, Investitionen in Betriebskosten umzuwandeln“, sagt Isabella Stojkovski, die sich in einem Projekt der TU München mit EaaS beschäftigt. 

Hersteller wenden sich dem Thema EaaS vor allem aus einem Grund zu: „Sie wollen ihre Cashflow-Ströme vorhersehbarer und krisenfester machen“, sagt Josef Brunner, CEO der IoT-Plattform relayr. Denn wenn Kunden nicht nur einmal für den Kauf, sondern regelmäßig für die Nutzung einer Maschine zahlen, garantiert das Liquidität.

Erste Versuche, Abo-Modelle zu etablieren, gab es bereits in den 1960er-Jahren. Doch erst jetzt – mit raschem Fortschritt in den Bereichen Machine Learning, Künstliche Intelligenz und Blockchain – steigt die Nachfrage nach solchen Finanzierungsformen. „Wir hatten bisher nicht die Technologie, um EaaS-Modelle zu skalieren“, sagt Oliver Bendig, Partner Strategy & Business Design bei der Beratung Deloitte. „Doch innerhalb des nächsten Jahrzehnts werden wir endlich sehen, wie sich ‚Netflix für die Industrie‘ durchsetzt – als Ergänzung zu herkömmlichen Verkaufs-, Leasing- und Mietmodellen.“

Das sagt Isabella Stojkovski über die Vorteile von EaaS:

„Kaufen oder leasen? Industriebetriebe hatten bislang diese beiden Möglichkeiten, wenn Investitionen in ihren Maschinenpark anstanden. Zentral in beiden Modellen: die Übertragung von Eigentum. Heute erlebt die Industrie einen neuen Trend: Equipment-as-a-Service (EaaS). Ähnlich wie bei Software-as-a-Service (SaaS) oder privaten Sharing-Modellen steht nicht mehr die Eigentumsübertragung im Vordergrund. Vielmehr geht es um bedarfsgerechte Nutzung – auf Abruf. 

Neu ist das nicht. In den 1960er-Jahren verkaufte Rolls-Royce mit Power by the Hour Betriebsstunden von Flugzeugturbinen statt der Turbinen selbst. Jetzt gewinnen diese Modelle an Fahrt. Trumpf bietet die Nutzung von Laserschneidmaschinen im Pay-per-Part-Modell an, Heidelberger Druckmaschinen offeriert Druckleistungen im Abo, Kaeser verkauft Druckluft zum Kubikmeterpreis. Mit Professorin Ann-Kristin Achleitner und Dr. Thomas Lange untersuche ich an der TU München diesen Trend. Laut unserer Analyse sprechen aus Nutzersicht drei Gründe für EaaS.

Erstens ermöglicht EaaS finanzielle Optimierung. Vor allem in volatilen Märkten ist es attraktiv, Investitionsausgaben in Betriebskosten umzuwandeln. Auch bei einem engen finanziellen Spielraum ermöglicht das die Modernisierung von Anlagen und Zugriff auf neueste Technologien. Zudem können Nutzer ihre Kapitalkosten senken, wenn sie die Maschinen nicht mehr selbst bilanzieren müssen.

Zweitens bietet EaaS Flexibilität. Durch kürzere Vertragslaufzeiten können Kunden schneller auf Veränderungen im Marktumfeld reagieren. Abrechnung nach tatsächlicher Nutzung kommt zudem Kunden mit saisonal bedingten Schwankungen in der Produktion zugute. Das Auslastungsrisiko verschiebt sich auch in Extremsituationen wie der Coronapandemie zum Hersteller, wenn beispielsweise Lieferketten und Produktionsanlagen stillstehen.

Drittens versprechen EaaS-Modelle Maschinenverfügbarkeit und somit operative Sicherheit. Denn neben der Maschine sind Wartungsdienstleistungen vertraglich inbegriffen; Datenerfassung und -auswertung über die Cloud ermöglichen vorausschauende Instandhaltung. Dadurch werden Schäden nicht nur begrenzt, sondern mitunter proaktiv vermieden. Nutzern wird so ein Teil des Betriebsrisikos genommen, und sie können sich stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Gewinnmindernde Rückstellungen in der Bilanz können vermieden werden.

Die Digitalisierung dürfte den Trend zu nutzungsbasierten Modellen vorantreiben. Das Internet der Dinge und innovative Ökosysteme rund um die Vision von Industrie 4.0 bieten jedenfalls ideale Voraussetzungen dafür, dass sich EaaS als Standard etabliert.“

Zur Person

Isabella Stojkovski von der TU München

Isabella Stojkovski

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovierende an den Lehrstühlen für Entrepreneurial Finance von Professorin Ann-Kristin Achleitner und Professor Reiner Braun an der TU München

12.05.2021    Karina Engelking
  • Drucken
Zur Startseite