Gastbeitrag

Wettbewerb

Mit KI „made in Europe“ wettbewerbsfähig bleiben

KI „made in Europe“: Wie Europas mittelständische KI-Unternehmen passende Nischen finden und auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig werden können, erklärt Dr. Oliver Grün vom Bundesverband IT-Mittelstand in seinem Gastbeitrag.

Eine blaue Weltkugel in Platinen-Optik, die Europa und Nordafrika zeigt

23.10.2024

Während im Silicon Valley die Tech-Giganten KI-Lösungen schaffen, die überall in der Welt genutzt werden, fragt sich Europa: Wie können wir in diesem globalen Wettlauf mithalten? Die Antwort könnte überraschend einfach sein – KI „made in Europe“. Statt zu Alleskönnern sollten europäische Unternehmen zu Meistern ihrer Nische werden. Dort, wo die amerikanischen und chinesischen Technologie-Riesen versuchen, universelle Systeme zu schaffen, liegt die Stärke des europäischen Mittelstands in der Spezialisierung auf konkrete Anwendungen.

Damit würden wir das Erfolgsmodell der etablierten Mittelstands-Weltmarktführer der letzten 70 Jahre in das Digitalzeitalter projizieren – beispielsweise mit Nischen-KI. Um technologisch aber tatsächlich aufzuschließen, muss auch die Politik mitziehen und den Fokus nicht weiter auf Regulierung, sondern auf die Stärkung der heimischen Digitalwirtschaft legen.

Digitale Souveränität durch Mitgestaltung

Europas Beteiligung am globalen KI-Markt reicht weit über den wirtschaftlichen Aspekt hinaus. Es geht nicht nur darum, sich ein Stück vom technologischen Kuchen zu sichern, sondern um die Mitgestaltung einer Zukunftstechnologie, die tief in alle Lebensbereiche vordringen wird. Europa muss nun die Möglichkeit ergreifen, Technologien nicht nur im Sinne maximaler Effizienz, sondern auch unter Berücksichtigung ethischer Grundsätze wie Datenschutz, Transparenz und Fairness mitzugestalten.

KI „made in Europe“ ist essenziell, um unsere digitale Souveränität zu wahren und Anwendungen aus den USA oder China nicht alternativlos zu lassen. Es muss allerdings nicht im Fokus Europas stehen, im Namen der digitalen Souveränität die nächsten All-inone-Lösungen als Ersatz für Produkte von Google oder Microsoft auf den Markt bringen zu wollen. Denn die Stärke unserer Digitalwirtschaft liegt in ihrer vielfältigen Nischenexpertise, die maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Branchenbedürfnisse oder Anwendungsfälle hervorbringt.

In Sektoren wie dem Maschinenbau, der Automobilindustrie, dem Gesundheitswesen und der Energiebranche können spezialisierte KI-Anwendungen mit Intellectual Property „made in Europe“ die Effizienz von Prozessen entscheidend verbessern. Doch dafür braucht es oftmals spezielle Expertise, zum Beispiel in Produktionsprozessen. Genau hierfür sind innovative europäische IT-KMU der ideale Partner.

Politische Voraussetzungen für KI „made in Europe“

Mit diesem gezielten Fokus auf spezielle Problematiken haben Europas KI-KMU das Potenzial, auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu werden und sogar Markführerschaft in ihrer Nische zu erlangen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, liegt es nun an der Politik, ein innovations- und mittelstandsfreundliches Umfeld für KI „made in Europe“ zu schaffen.

Während die Digitalpolitik der vergangenen Legislaturperiode von Beschlüssen zu neuen Regulierungen geprägt war – darunter der AI Act, der Cyber Resilience Act oder die NIS-2-Richtlinie –, braucht die Digitalwirtschaft nun eine Phase der Entlastung. Denn Regulierungen sind oftmals mit bürokratischem Aufwand und Compliance-Kosten verbunden, die für die Großkonzerne, die sie vorrangig treffen sollen, leicht zu stemmen, für KMU aber echte Hürden sind. Digitalpolitisch muss jetzt also endlich ein Umdenken stattfinden, hin zu einer Politik, die die heimische, durch KMU geprägte Digitalwirtschaft in den Fokus nimmt.

schwarz-weiß Porträt eines Mannes mit kurzen Haaren

Dr. Oliver Grün

ist Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand e. V. (BITMi) und Gründer der GRÜN Software Group