Über 40.000 Teile, die nicht in die Tonne wandern: Dank Künstlicher Intelligenz (KI) kann das Modelabel Armed Angels besser einschätzen, wie viele Kleidungsstücke es verkaufen wird. Der Landmaschinenhersteller Lemken nutzt KI, um Nutzpflanzen von Unkraut zu unterscheiden. Das spart die ohnehin knappen Arbeitskräfte und Pflanzenschutzmittel. Oder Apetito: Beim Kantinenbetreiber berät KI neuerdings den Chefkoch.
Es gibt sie zuhauf: Beispiele, wie KI im Mittelstand angewandt wird. Überall entstehen neue Arbeitsweisen, Produkte und ganze Geschäftsmodelle. Doch diese Best Cases verzerren das Bild. Je kleiner die Betriebe, desto größer sind die Zweifel: Laut Statistischem Bundesamt nutzten im vergangenen Jahr 35 Prozent der Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten KI. Bei kleinen Firmen lag der Anteil bei nur zwölf Prozent. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom geben 60 Prozent der befragten Unternehmen an, dass der Einsatz von generativer KI für sie derzeit kein Thema ist.
Gerade der Mittelstand zögert
Forscher am Institut für Familienunternehmen und Mittelstand der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) haben festgestellt, dass in Familienunternehmen Ängste vor der neuen Technologie deutlich stärker ausgeprägt sind als in kapitalmarktorientierten Unternehmen. Die Sorgen lassen sich in vier Kategorien zusammenfassen: Angst vor Kontrollverlust, Angst vor Datenabfluss, Angst vor Jobverlust und viertens Angst vor Intransparenz.
KI sei nicht für jeden Anwendungsbereich sinnvoll. „Überall da, wo die Prozesse immer gleich und immer dieselben sind, benötige ich keine KI“, sagt Thomas R. Köhler. Der Berater und Autor mehrerer Bestseller zu Innovationsthemen meint, dass sich Standards mit klassischer Software sehr viel besser abbilden lassen. „KI brauche ich dann, wenn die Prozesse beweglich sind, wenn ich immer wieder neue Themen habe und sie schlecht zu steuern sind.“
KI für kleine Unternehmen: Make or Buy?
Für Köhler ist es logisch, dass größere Unternehmen schon weiter sind bei Künstlicher Intelligenz. Denn der Aufwand, ein eigenes KI-Modell zu bauen, ist initial sehr hoch. Aber grundsätzlich sei KI für alle Unternehmen gleichermaßen nützlich, KI für kleine Unternehmen vielleicht sogar noch mehr. Viele Aufgaben wie im Marketing sind ähnlich umfangreich, doch größere Organisationen haben viel mehr Durchdringung durch die stärker aufgestellte Einheit. KI kann für kleinere Unternehmen den Manpower-Nachteil reduzieren.
Die aus Köhlers Sicht wichtigste, aber oft übersehene Entscheidung laute „Make or Buy“: Also muss man ein Stück KI-Technologie selbst bauen, oder mietet man etwas an, das irgendwo in der Cloud betrieben wird? Letzteres ist das Modell, das von den großen Technologieanbietern beworben wird, also Microsoft, Google und so weiter. Gerade aus deutscher Sicht ist SAP in dieser Kategorie spannend, weil viele bereits deren Software verwenden. Die Walldorfer setzen vermehrt auf KI. Was deren neuer digitaler Assistent Joule aber wirklich kann, ist noch nicht klar ersichtlich.
Ohnehin gibt es einen dritten Weg: „Was oft übersehen wird, ist, dass Open-Source-Modelle auch bei der KI längst verfügbar sind“, rät Köhler. „Und solange ich nicht den Anspruch habe, das ganze Internet da reinzupacken, sondern nur das Branchenwissen oder das Wissen meines Unternehmens, brauche ich kein riesiges Modell.“ Dieser Zwischenweg sei finanziell attraktiv, werde aber erstaunlich selten diskutiert. Das Haftungsthema sei ohnehin nicht geringer, wenn man die Technologie eines Großkonzerns nutzt. Jeder Betrieb sei verantwortlich für das Ergebnis der KI, auch wenn er die KI selber gar nicht beeinflussen könne.
Tatkraft statt Trägheit
Auch Julian Wiedenhaus weiß, wie man mittelständische Betriebe digitalisiert – selbst die kleinsten. Der Gründer und CEO des jungen Unternehmens Plancraft baut Software für Handwerksbetriebe und hat inzwischen rund 10.000 Kunden. Das System hilft, Projekte und Aufträge zu verwalten, inklusive der Einsatzplanung: Also welcher Mitarbeiter ist wo vor Ort, auf welcher Baustelle? Was ist zu tun? Die Software unterstützt dabei, Angebote zu kalkulieren, Massenabrechnungen zu schreiben, was gerade bei größeren Bauprojekten sehr relevant ist. Zudem Dinge wie Teamchat oder Zeiterfassung. Jede Minute, die im Hinterzimmer bei der Organisation gespart wird, ist eine Minute, die operativ an Kundenprojekten gearbeitet werden kann. Bei Betrieben von durchschnittlich acht Personen macht das deutlich mehr aus als bei einem Großkonzern.
Dass die Geschäftsführung den Sinn einer solchen Software erkennt, ist das eine. Sie wirklich einzuführen und erfolgreich zu implementieren etwas ganz anderes. Auch wenn die meisten für neue Technologien sind: Nicht jede und jeder in der Belegschaft mag sich umgewöhnen. Zudem sitzt in kaum einem Handwerksbetrieb ein IT-Fachmann im Backoffice. Wer spielt Updates auf? Wer pflegt den Server vor Ort? Alles nicht mehr nötig in Zeiten von Cloudanwendung oder progressiven Web-Apps, die über die Cloud angebunden sind.
Schlüsselfaktor für Erfolg
Der Ansatz von Plancraft ist, dass jeder seinen Teil dazu beisteuert: Mitarbeiter buchen über eine mobile App ihre Zeit ein, damit das Backoffice wenig Arbeit hat und eine Echtzeit-Übersicht. So verteilt sich die Arbeit plötzlich auf mehrere Schultern. „Du kannst die beste Software der Welt bauen. Wenn die Leute keine Zeit haben, sich damit überhaupt initial auseinanderzusetzen, dann wird nie ein Wechsel passieren“, sagt Wiedenhaus.
Leichte Bedienbarkeit sei der Schlüssel: Wie schnell lassen sich Daten einpflegen? Was speichert sich von allein? Wiedenhaus kennt das Klischee, das dem Mittelstand attestiert wird: im Hinblick auf Digitalisierung träge zu sein. Und hält es für zu kurz gesprungen: „Alle, die wir kennengelernt haben, wollten sich verändern. Sie hatten aber immer zu viele operative Themen, also keine Zeit oder keinen mentalen Fokus dafür.“ Je weniger der Betrieb tun muss, desto höher die Bereitschaft. „Entscheidend ist, dass die Leute nicht das Gefühl haben, dass sie alleingelassen werden. Dass wir eine Lösung hinlegen und dann weg sind, sondern den Prozess kontinuierlich begleiten.“
Ein weiterer Vorteil von guter Software sei, dass die Zufriedenheit der meisten Beschäftigten steigt: Wenn keine Zettel mehr durch die Gegend fliegen oder Abrechnungen verloren gehen, freut das die Handwerker. „Natürlich sind Leute unzufrieden, wenn sie morgens extra ins Büro fahren und sich einen Auftragszettel holen müssen, bevor es zur Baustelle geht“, erklärt Wiedenhaus. Das mag jahrzehntelang als unabänderliches Schicksal durchgegangen sein. Aber heute wissen die meisten, dass es andere Möglichkeiten gibt, die das Leben leichter machen. Und die nicht- digitalisierten Betriebe haben es im ohnehin harten Kampf um Fachkräfte noch schwerer.
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