Food 4.0

Kein Chemiebaukasten

In Deutschland hat die Qualität von Lebensmitteln einen geringeren Stellenwert. Darunter leiden Menschen und Umwelt gleichermaßen. Das muss sich ändern – durch eine veränderte Einstellung und mehr Diversität auf dem Teller. Darin sind sich die Food-Entrepreneure von Veganz, Erdbär und Eatclever im DUB Digital Business Talk einig. Und tatsächlich bewegt sich etwas.

13.08.2020

„Die Auswirkungen der Ernährung auf das Klima gehören zwingend in die Debatte“, sagt Jan Bredack von Veganz. Der Grund: „Die Nahrungsmittelbranche ist für 25 Prozent aller Emissionen verantwortlich, das vieldiskutierte Transportwesen dagegen nur für 14.“

Um das zu ändern, braucht es eine Änderung der Haltung. Und genau das geschieht derzeit – wenn auch im kleinen Rahmen, beobachten die drei Experten im DUB Business Talk. Alexander Neumann, Gründer des Kindernahrungsherstellers Erdbär, sagt: „Im Kleinen finden wir schon Gehör. Und hier müssen wir den Hebel ansetzen.“ Jan Bredack, der mit Veganz vegane Nahrungsmittel anbietet, fordert seine Zunft: „Corona hat das Bewusstsein für das Thema Krise gestärkt – wir Unternehmer und Innovatoren müssen jetzt Impulse setzen.“

Bequemlichkeit siegt?

Einfach ist das nicht. Denn der Erfolg von Convenience Food liegt nicht nur in der Bequemlichkeit, sondern auch in der Verfügbarkeit allerorten begründet. Grundsätzlich erkannt ist die Situation durchaus. „Es gibt in Deutschland eine große Diskrepanz zwischen dem Beklagen von Situationen und der Veränderung des Verhaltens“, sagt Neumann. „Die Bedingungen an Schlachthöfen werden kritisiert, aber dennoch werden Hähnchensteaks für 2 Euro im Discounter gekauft. Über Lebensmittelpreise wird diskutiert, nicht aber über die Anschaffung eines 1.000-Euro-Smartphones.“ Es muss konsequenteres Handeln geben, sind sich die drei Diskussionsteilnehmer einig.

Umsetzen lässt sich so eine Änderung vor allem, wenn die Anbieter und die Kunden mitspielen. „Die Herausforderung ist: Gesundes Essen muss genauso bequem wie Fast Food, aber mit den richtigen Zutaten versehen sein“, sagt Mohamed Chahin, Gründer von Eatclever, einem Lieferservice für gesundes Essen. Experimente will Bredack keine: „Essen darf keinen Chemiebaukasten darstellen.“

Ein Ansatz, zwei Folgen

Denn gesunde Ernährung ist selbstredend für den Menschen gut, hilft gegen Übergewicht und damit verbundene Spätfolgen. Die Produktion gesunder Nahrung hilft aber auch der Umwelt. „Ernährung lässt sich nicht entkoppeln vom Klima“, sagt Chahin. „Aber gute und nachhaltige Ernährung muss auch nicht kompliziert sein. Es gibt da kein großes Geheimnis: Die Mischung muss stimmen. Und es müssen einfach keine oder wenig verarbeitete Lebensmittel enthalten sein, bei deren Produktion auch extrem viel Wasser verbracht wird.“ Zu den Wasser-Großkonsumenten zählt die Fleischproduktion: Über 2.000 Liter beispielsweise verbraucht die Herstellung eines Burger-Patties.

DUB Business Talks

Das funktioniert nicht länger. „Wir sind derzeit sieben Milliarden Menschen – und eine Milliarde bekommen wir schon jetzt nicht satt. Und auf Sicht sind wir neun Milliarden. Es muss also etwas geschehen“, sagt Bredack. Konsequent wäre es für Neumann daher in den unternehmerischen Kalkulationen auch die Kosten für den Planeten zu benennen. Dann wäre schnell Schluss mit dem Märchen, dass Convenience Food so günstig sei.

„Die Wertschöpfungsketten in der Industrie sind derart gestaucht, dass niemand aus seinen Erträgen mehr Reserven hat“, sagt Bredack. „Viele wirtschaften am Existenzminimum. Diese Spirale müssen wir durchbrechen – Wertschöpfungsketten müssen sauber gehalten werden. Sonst droht der ganzen Volkswirtschaft die Schieflage.“

Tech kann dabei helfen. „Technik kann gesunde Ernährung auch günstiger machen“, sagt Chahin. „Indem über Algorithmen besser und individueller kalkuliert werden kann, etwa der Bedarf oder die Verbräuche.“ Gesunde Ernährung, Food 4.0? Braucht also keinen Chemiebaukasten.