Telemedizin, Corona-Warn-App, Maskenbeschaffung, Forschungszusammenarbeit: Das Gesundheitssystem steht seit Monaten vor ganz besonderen Herausforderungen. Gleichzeitig hat die Coronapandemie in dem Sektor aber auch so viele Innovationen und politische Veränderungen vorangetrieben wie wohl in keinem anderen Wirtschaftsbereich. Das ist zwar gut und löblich, aber reicht das schon?
Laut einer Befragung des Analysehauses Morgen & Morgen aus dem Mai 2020 gehören Krankheiten der Nerven und Psyche (32,66 Prozent) zu den häufigsten Gründen, weshalb Menschen berufsunfähig werden – gefolgt von Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparats (19,65 Prozent) und Krebs sowie anderen bösartigen Geschwülsten (16,08 Prozent). Auch hier ist der Bedarf an Innovationen groß – insbesondere, wenn Menschen aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr in eine Arztpraxis gehen können und wollen.
Wie die Digitalisierung bei der Versorgung dieser Patienten helfen kann, zeigen zwei mit dem Award des Dienstes für Gesellschaftspolitik ausgezeichnete Versorgungsprojekte der Techniker Krankenkasse (TK).
Mit Virtual Reality gegen Angststörung
Das Hamburger Start-up Sympatient fokussiert sich mit der VR-App Invirto auf die Behandlung von Angststörungen. Voraussetzung für die Nutzung ist, dass dem Patienten bereits eine solche Störung diagnostiziert wurde. Über die App lernen Patienten mithilfe von Videos und der Stimme eines Psychotherapeuten ihre Angst zu erkennen und zu analysieren, um sie schließlich zu bewältigen. Der Vorteil: Während viele Patienten mit einer Angststörung im realen Leben oft nicht fähig sind sich der Angst zu stellen, ist diese Barriere in der virtuellen Realität deutlich geringer.
Während der gesamten Therapie werden die Patienten von Psychotherapeuten begleitet. Damit erhalten sie den therapeutischen Goldstandard ohne Wartezeit und können die Therapie bequem von zu Hause aus über das Smartphone absolvieren. „Mehr als drei Millionen Patienten mit ernsthaften Angststörungen sind in Deutschland unbehandelt – das gilt es zu ändern“, sagt Christian Angern, Co-Founder und Managing Director von Sympatient.
Telemedizin auf dem Land
Das Projekt „Telemedizin im ländlichen Raum“ ermöglicht es Hausarztpraxen in Schleswig-Holstein, bei Akutfall oder Routine-Nachsorge-Untersuchungen per Videotelefonie oder per Datenaustausch direkt Kontakt zu Spezialisten – derzeit vor allem im Bereich Augenmedizin oder Dermatologie – aufzunehmen. Ziel ist es, das Angebot auf weitere Fachärzte, etwa Rheumatologen, auszuweiten. Das Projekt wurde von der TK gemeinsam mit der Gesellschaft für integrierte ophthalmologische Versorgung Schleswig-Holstein (GIO), der Ärztegenossenschaft Nord und dem Hausärzteverband Schleswig-Holstein ins Leben gerufen und vom Institut für Allgemeinmedizin am UKSH in Lübeck wissenschaftlich begleitet.
Hausärzte erhalten zudem sogenannte „Tele-Arzt-Rucksäcke“. Diese ermöglichen es speziell ausgebildeten medizinischen Fachangestellten Patienten zu Hause zu besuchen und dort etwa Blutdruck zu messen oder ein EKG durchzuführen. Die Werte werden an die Hausarztpraxis in Echtzeit weitergeleitet und begutachtet. Bei Bedarf schaltet sich der Hausarzt über ein Tablet zu.[dub-article-box id="5f7f18810a366"]