Eher ungewöhnlich war die akademische Laufbahn von Wilhelm Conrad Röntgen (geboren am 27. März 1845 in Remscheid, verstorben am 10. Februar 1923 in München) – insbesondere für einen späteren Nobelpreisträger.
Er besuchte unter anderem eine auf technische Berufe ausgerichtete Schule in Utrecht, von der er aber bereits nach einem Jahr aus disziplinarischen Gründen verwiesen wurde. Man hielt ihn fälschlicherweise für den Urheber einer Karikatur seines Klassenlehrers.
Mitte der 1860er-Jahre gelang es ihm, ohne Abitur in Zürich zum Studium zugelassen zu werden. Nach drei Jahren verließ er die Technische Hochschule als Diplom-Maschineningenieur mit Bestnoten. Es folgte ein Aufbaustudium in Physik.
1888 trat er an der Universität Würzburg die Stelle als Professor und Leiter des Physikalischen Instituts an. Und dort entdeckte er sieben Jahre später, am 8. November 1895, auch die X-Strahlen.
So wurden die Röntgenstrahlen entdeckt
Passiert sein soll das folgendermaßen: Röntgen experimentierte wie so oft noch spätabends in seinem Labor. Er untersuchte die Eigenschaften und Wirkungen von elektrischen Ladungen in einer Kathodenstrahlröhre. Neben der Röhre erhellte sich dabei auch ein etwas entfernt stehender Fluoreszenzschirm.
Nachdem Röntgen die Röhre abdeckte und der Schirm dennoch erhellt blieb, kam er zu dem Schluss, er müsse eine bisher unbekannte Strahlenart entdeckt haben. Daraufhin forschte er sechs Wochen in jeder freien Minute an seiner Entdeckung. Er stellte sogar sein Bett in das Labor, obwohl er im gleichen Haus wohnte.
Wilhelm Conrad Röntgen sprach kaum über seine Arbeit
Vorerst erzählte er niemandem von seiner Arbeit. Seiner Frau Bertha teilte er zunächst nur mit, dass er etwas mache, von dem die Leute, wenn sie es erfahren, sagen würden: „Der Röntgen ist wohl verrückt geworden.“
Seine Frau war dann allerdings die Person, deren Hand auf dem ersten beziehungsweise dem zuerst veröffentlichten Röntgenbild festgehalten wurde. Ganze 15 Minuten lang musste sie dafür stillhalten.
Nachdem Röntgen seine Entdeckung öffentlich gemacht hatte, hielt er dazu nur einen einzigen Vortrag. Bei einer Veranstaltung der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg fertigte er live eine Röntgenaufnahme der Hand des Anatomen Albert von Kölliker an. Dieser schlug daraufhin vor, die X-Strahlen in Röntgenstrahlen umzubenennen.
Für seine Entdeckung erhielt Röntgen 1901 den 1. Nobelpreis für Physik. Bisher wurden mit Erkenntnissen, die auf der Röntgentechnik basieren, mehr als 30 Nobelpreise gewonnen.
Röntgenstrahlen haben die Medizin grundlegend verändert
Wilhelm Conrad Röntgen verzichtete bewusst auf die Patentierung seiner Entdeckung, um einen schnellen Einsatz von Röntgengeräten zu ermöglichen. Denn ihm war schnell klar, wie wichtig die Strahlen für die Diagnose von Erkrankungen sein können. Schließlich ermöglichte Röntgens revolutionäre Entdeckung einen komplett neuen Zugang zum menschlichen Körper. Röntgenstrahlen gaben plötzlich Einblicke, durch die Diagnosen besser gestellt und medizinische Behandlungen wesentlich zielgerichteter durchgeführt werden konnten als zuvor.
Mit der Technik war es zunächst möglich Knochenbrüche, Fremdkörper und Veränderungen des Skeletts festzustellen. Später erweiterten Bilder vom Brustkorb, Bauchbereich und weiterer bis dahin nicht zugänglicher Organe die Anwendungsmöglichkeiten.
Heutzutage ist bildgebende Diagnostik aus der Medizin nicht mehr wegzudenken; mit der Radiologie hat sich ein eigener Fachbereich entwickelt. Und die Computertomografie (CT) ist als Weiterentwicklung des klassischen Röntgens als Standardverfahren bei vielen Indikationen etabliert.
Eine unverzichtbare Innovation – nicht nur für die moderne Medizin
Doch die Röntgentechnik ist nicht nur für die Medizin relevant. Im Bereich der Werkstoff- und Materialprüfung nutzt man die hohe Durchdringungsfähigkeit von Röntgenstrahlung, um zum Beispiel die Qualität von Schweißnähten zu prüfen oder die Strukturen von Kristallen zu analysieren.
In der Kunst können Übermalungen und Fälschungen mithilfe von Röntgenstrahlen identifiziert werden. Die Archäologie setzt sie ein, um Funde genauer zu untersuchen, ohne sie zu beschädigen. Und in der Astrophysik helfen Röntgenteleskope im Weltall dabei, Schwarzen Löchern auf die Spur zu kommen.
Wilhelm Conrad Röntgen kann zudem als Pionier der Nanotechnologie bezeichnet werden, denn die Wellenlänge der Strahlen liegt im Nanometerbereich.
Aktuelle Forschungsansätze in der Radiologie
Dass nach wie vor an neuen Anwendungsfeldern der Röntgenstrahlung geforscht wird, zeigt, wie relevant die Entdeckung auch 100 Jahre nach dem Tod von Wilhelm Conrad Röntgen noch ist.
In der Radiologie machen derzeit zum Beispiel Forschungsarbeiten zu einer neuen Röntgentechnik – der sogenannten Hierarchical Phase-Contrast Tomography (HiP-CT) – Hoffnung auf eine bessere Früherkennung von Krankheiten. Mit dem Verfahren gelingt es faszinierende dreidimensionale Einblicke in die menschliche Anatomie zu bekommen. In den Bildern sind unter anderem Krebsvorstufen und sehr frühe Anzeichen für Ablagerungen, die Alzheimer auslösen, erkennbar. Möglich wird das, weil ein HiP-CT eine hundertfach bessere Auflösung hat als die herkömmliche Computertomografie. Dr. Maximilian Ackermann vom Institut für Anatomie der Universitätsmedizin Mainz erhielt für seine Forschung 2022 den Rudolf-Virchow-Preis der Deutschen Gesellschaft für Pathologie.
Die Multispektrale Optoakustische Tomografie (MSOT) ist eine weitere neuartige biomedizinische Bildgebungstechnik. Dabei werden optische und akustische Methoden kombiniert, um die Eigenschaften des menschlichen Gewebes besser beurteilen zu können.