Der 14. Juli 2030. Rectangular Stadium, Australien. Früher Abend in Melbourne. Die Stimmung im Stadion ist unbeschreiblich. Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen. Tränen fließen. Unten auf dem Rasen macht sich Jamal Musiala auf den Weg. Er schreitet vor zum Podest, das nach dem Abpfiff aufgebaut worden ist. Der 27-Jährige streckt seine Arme aus, der Höhepunkt des WM-Turniers steht an: die Übergabe des Pokals an die Sieger.
Musiala, Kapitän der Nationalmannschaft, nimmt die Trophäe in beide Hände, sieht sie an. Zeigt sie der Mannschaft, die vor ihm steht, reißt dann mit Tränen in den Augen den begehrtesten Pokal der Welt nach oben. Der Jubel ist grenzenlos, und auch 15.000 Kilometer entfernt wird im ganzen Land gefeiert. Deutschland ist Weltmeister!
Technologie macht 2030 Weltmeister
Die Mannschaft hat mit diesem Triumph beim ersten WM-Turnier der Männer auf dem australischen Kontinent eine einzigartige Erfolgsbilanz fortgesetzt. Und Matchwinner war der neue deutsche Superstar: Miro Müller. Er ist 23 Jahre alt und hatte schon in den Wochen zuvor Fans und Fachwelt begeistert: als Top-Scorer der WM. Im Finale verwertete er eine traumhafte Kombination von Kai Havertz (31) und Youssoufa Moukoko (25) in bester Zentrumsstürmer-Manier zum 2:1, was der deutschen Mannschaft den Titel sicherte.
Moukoko, Havertz und Musiala sind schon lange dabei. Sie waren bereits für die WM 2022, mein letztes Turnier als DFB-Manager, nominiert. Und sie sind danach, trotz des Rückschlags in Katar, immer mehr zu internationalen Top-Stars und Führungsspielern gereift.
Diese drei gibt es wirklich, Miro Müller dagegen ist eine fiktive Figur. Auch an ihr möchte ich hier gern beispielhaft aufzeigen, wohin uns der Fußball in den kommenden sieben Jahren führen kann – nämlich in eine Welt, die mehr denn je von Künstlicher Intelligenz (KI) getrieben ist. Und von technlogischen Entwicklungen, die heute noch eher abenteuerlich klingen.
Aber zunächst mal zurück zum WM-Finale 2030. Warum gewinnt Deutschland? Was hat das mit KI, Digitalisierung und Fußball zutun? Nun, eine Menge. Vor allem: eine Menge mehr als bei den letzten Titelgewinnen.
KI, Schlafforschung und Verletzungsprognosen
Natürlich kommt ein WM-Sieg auch 2030 dank bekannter Faktoren zustande: taktische Variabilität, Tempo, Einzelkönnen, Siegeswillen, Zusammenhalt der Spieler. Doch es sind inzwischen eben viele neue Faktoren dazugekommen: Schlafplanung zum Beispiel. Training im Metaverse. Zu 99 Prozent exakte Verletzungsprognosen dank KI. Um nur ein paar zu nennen.
Die besondere Aufgabe, die sich den Teilnehmern der WM 2030 stellt: Hochintensiver, aktiver Tempofußball setzt ein herausragendes Fitness-Level voraus – körperlich, aber auch der Kopf muss immer leistungsfähig sein. Wie erreicht man das trotz der extremen Vorbelastungen durch den übervollen Spielkalender, und dann auch noch unter extremen klimatischen Bedingungen? An Antworten tüfteln beim DFB rund ums Team, dem ich 18 Jahre lang angehört habe, die „Leistungsoptimierer“. Sie kümmern sich um Kernbereiche wie Fitness, Psychologie, Daten- und Spielanalyse, Sportmedizin, neurozentriertes Training, Sportpsychologie und so weiter. Auf sie kommt es während der WM besonders an.
Die Optimierer wissen: Während früher EINE Kleinigkeit über Sieg und Niederlage entscheiden konnte, kommt es 2030 auf ALLE Kleinigkeiten zusammen an. In jedem Performance-Bereich also, in jedem Spiel muss alles stimmen. Und das schafft man in der Vorbereitung nicht allein mit Flipcharts. Höchstleistungen im Fußball sind ein komplexes Phänomen, aber trotz dieser Komplexität durch differenzierte Trainingsprozesse zum großen Teil steuerbar, „Leistung“ als Basis für sportlichen Erfolg also durchaus planbar. Kurz: Das kompetenteste „Team um das Team“, die beste Infrastruktur, die modernste Technologie sichern 2030 sportliche Qualität auf Weltniveau.
Die – ich nenne sie mal: bedarfsorientierten – Innovationen in der Leistungsoptimierung sind ein Schlüssel zum Erfolg, sind der entscheidende Wettbewerbsvorteil für die deutsche Mannschaft. An diesen Themen arbeitet der DFB schon Jahre, bevor das Turnier 2030 beginnt.
Und das Ganze geht ja weit über die oben genannten Themen wie richtigen Schlaf hinaus. Punktgenaue Formsteuerung unter Extrembelastung ist zum Beispiel von zentraler Bedeutung bei einem Turnier, das konstante Fitness-Level (physisch und mental) bis hin zum Finale ist einer der Schlüsselfaktoren. Aber wie schafft man das?
IPO: das Performance-Management der Nationalmannschaft
Ich bin mir sicher: Während der WM 2030 werden zum Beispiel Trainingsumfänge und -intensitäten sowie physische und psychische Regenerationsstrategien von einem KI-gesteuerten Programm auf jeden einzelnen Akteur abgestimmt.
Was sind „psychische Regenerationsstrategien“? Man unterscheidet hier zwischen individuellen Maßnahmen (zum Beispiel Selbstgesprächstraining, Emotionsregulation, Umgang mit Druck) und Teammaßnahmen – etwa Entwicklung kommunikativer Kompetenzen, von Führungskompetenz oder Verhaltenskontrolle.
Jeder noch so kleine Reiz während des Turniers ist exakt geplant und auf das tagesaktuelle Fitness-Profil eines Spielers zugeschnitten. Der Performance-Manager der Mannschaft überwacht alle Trainingspläne und optimiert sie im Bedarfsfall gemeinsam mit den Spielern. Heute existiert so ein Performance-Manager noch nicht. 2030, das ist meine Prognose, wird es so ein Programm geben. Nennen wir es IPO – Individual Performance Optimization. Entwickelt worden sein könnte es vom DFB in Kooperation mit einem namhaften globalen Player, der Stanford University zum Beispiel. Die Kosten lägen vermutlich im mittleren einstelligen Millionenbereich.
IPO macht 2030 das komplexe Spiel Fußball messbar. Das Programm erfasst tagesaktuell alle relevanten KPIs aus den unterschiedlichen Performance-Bereichen, und es entwickelt dank eines eigens dafür entwickelten Algorithmus automatisiert individuelle Trainingspläne für Spieler. Es verringert die (menschliche) Fehlerwahrscheinlichkeit und falsche Belastungen.
Von Atmung bis Schlaf: Alles wird analysiert
Wenn ich „tagesaktuell“ schreibe, meine ich das nicht wörtlich. Denn auch die Nacht spielt eine zunehmend wichtige Rolle – hier kommt, siehe oben, die physische Regenerationsstrategie ins Spiel. 2030 ist ein ausgefeiltes Schlaf-Management für jeden Spieler während des Turniers normal – dazu die Analyse der ausgeatmeten Atemluft.
Heute ist das Zukunftsmusik. Schlafpläne für Spieler werden von einer Expertin erstellt. Ich glaube aber, dass es in sieben Jahren möglich sein wird, über den ausgestoßenen Atem eines Spielers dessen Herzrate zu bestimmen (ohne weiteres Wearable, das aktuell noch notwendig ist). An der Entwicklung dieser neuartigen Technik arbeitet das medizinische Zentrum der DFB-Akademie zusammen mit einem Partner aus dem Gesundheitssektor und einer internationalen Forschungseinrichtung.
Die Überwachung und individuelle Optimierung der individuellen Pläne erfolgt 2030 natürlich von IPO, dem Performance-Manager der Mannschaft. Und das Ganze basiert auf Spielerdaten, die die Vereine über die ganze Saison hinweg geliefert haben.
Natürlich werden auch meine Nachfolger beim DFB einen WM-Sieg 2030 nicht exakt vorausplanen können. Fußball bleibt ein komplexes Spiel, bei dem viele Komponenten und auch der Zufall eine große Rolle spielen: Springt der Ball vom Innenpfosten ins Tor – oder hoppelt er am anderen Pfosten vorbei Richtung Eckfahne? Steht der Stürmer zwei Zentimeter im Abseits?
Eine Abseitsstellung wird 2030 aber voll automatisiert ermittelt, was Linienrichter überflüssig werden lässt. Stattdessen sehen wir dann zwei weitere Co-Referees am Spielfeldrand, die eine VR-Brille tragen und den Hauptschiedsrichter in seiner Entscheidungsfindung in Echtzeit unterstützen. Den Faktor Zufall kann niemand steuern, doch man kann die Rahmenbedingungen so weit optimieren, dass der Zufall eine immer kleinere Nebenrolle spielt.
DFB geht seit 2018 neue Wege
Das Jahr 2018 mit dem Vorrunden-Aus bei der WM in Russland stellt übrigens rückblickend eine Art Kehrtwende dar. Der herbe Rückschlag führte danach zu einer Vielzahl an Optimierungen und Innovationen in der Talent- und Eliteförderung, aber auch im Gesamtsystem Fußball. Wir wollten das Qualitätsniveau signifikant anheben, indem wir in allen Bereichen, die eine Rolle spielen, neue Wege gingen.
Dazu gehörte selbstverständlich auch die Entwicklung und Nutzung modernster Technologien. Das war unsere Idee, als wir 2018 in der Startphase der DFB-Akademie neurozentriertes Training in die Funktionsteams der Nationalmannschaften integrierten. Und zwar als einer der ersten Nationalverbände im Weltfußball. Der neurozentrierte Ansatz stellt das Gehirn und das Nervensystem in den Mittelpunkt des Trainings und optimiert die Bewegungsqualität und -kontrolle der Spieler.
Ausgangspunkt ist eine umfangreiche individuelle Diagnostik des Nervensystems. Sie besteht aus Tests, in denen die Bewegungssteuerung und Wahrnehmung des Spielers sowie der Prozess „Input-Interpretation-Output“ analysiert werden. Die wichtigsten Erkenntnisse werden dann über eine Bewegungsanalyse, Koordinationstests, Untersuchungen der sensorischen Wahrnehmung (Augen, Gleichgewicht, Fühlen und Spüren), Tests der Hirnnerven und in einem persönlichen Gespräch gewonnen. Diese ganzheitliche Analyse des Spielers erlaubt es, Ursachen einer sportlichen Limitierung zu finden und an der Gesunderhaltung zu arbeiten.
Die Torhüter trainieren heute bereits regelmäßig mit sogenannten Shutter-Brillen, die wahlweise das linke oder das rechteAuge abdunkeln, und „Near-Far-Tests“, um periphäres Sehen und Handlungsschnelligkeit zu erhöhen. Das verbessert die Strafraumbeherrschung und die Fähigkeit, gefährliche Spielsituationen frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus stärkt es die Vororientierung des Torhüters als erster Kernspieler der Spieleröffnung und seine Reaktionsfähigkeit auf der Linie.
2030 wissen wir jederzeit, welcher Spieler auf welchem Leistungslevel ist
Das neurozentrierte Training ist schon heute fester Bestandteil jeder Trainingseinheit – zum Beispiel während des Trainings bei Torschussübungen oder danach zur Regeneration). Ein Großteil der Mannschaft setzt es zur Aktivierung unmittelbar vor dem Spiel ein. Und sogar in der Halbzeitpause werden von einzelnen Spielern bestimmte (geschwächte) Nervenkanäle neurozentriert angesteuert.
Neurozentriertes Training hat viele Vorteile: Es fördert die Leistung, ermöglicht schnellere Rehabilitation und effiziente Prävention. Bei der WM 2030 hat sich dieser Performance-Bereich als Leistungsoptimierer längst in der Nationalmannschaft etabliert – ein echter Wettbewerbsvorteil gegenüber der internationalen Konkurrenz.
Vor 2030 wurde dazu eine ausdifferenzierte technologische Infrastruktur installiert und schrittweise optimiert. Nur so kann man ständig auf aktuelle, valide und objektive Spielerdaten zurückgreifen – man nennt das auch „Smart Data“. Also permanentes Erfassen und Dokumentieren der Positionsdaten in Training und Spiel. Plus ständige Verfügbarkeit von Referenzdaten zu leistungsdiagnostischen, medizinischen und neuromuskulären Parametern.
Kurz: Der DFB verfügt bei der WM 2030 über ein System zur Belastungserkennung und -dokumentation von internationaler Klasse. Dank neuer Technologien weiß das Trainerteam jederzeit, welcher Spieler im Turnierverlauf auf welchem Level seiner Leistungsfähigkeit ist – oder, um es einmal in klassischer Sportlersprache auszudrücken, „wie gut in Form“ er ist.
Ja, damit wird ein „gläserner Nationalspieler“ geschaffen, wie es ihn noch nie gab. Aber im positiven Sinn, zum Nutzen der Trainer und Spieler. 2030 erkennt man Regenerationszeiten und -kapazitäten sowie alle Muster von Belastungsreaktionen exakt und in Echtzeit.
2030 arbeitet der DFB mit einer Vergleichsdatenbank für Verletzungen
Und sogar die lang erträumte individuelle Verletzungsprognose ist für jeden Spieler möglich. Und zwar empirisch fundiert und mit einer Trefferquote von über 99 Prozent.
Denn bis 2030 arbeitet der DFB mit einer Vergleichsdatenbank, die alle Verletzungen im Fußball der vergangenen 20 Jahre erfasst und kategorisiert. Anhand eines eigens dafür entwickelten Algorithmus und KI-gesteuerten Live-Trackings sämtlicher physiologischer und medizinischer Daten der Spieler – inklusive Abgleich mit den Erfahrungswerten in der Vergleichsdatenbank – ist damit eine Verletzungsprognose in Echtzeit möglich. Dieses Tool wird gemeinsam mit internationalen Experten aus anderen Mannschaftssportarten sowie mit der Stanford University, Partner der DFB-Akademie, entwickelt.
Das heißt also: Bei der WM kann der Bundestrainer stets auf einen fast kompletten, verletzungsfreien Kader zurückgreifen. Dieses Monitoring-System wird beim DFB von einem interdisziplinären Team von Fachexperten begleitet, das stets aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt. 2030 repräsentiert der DFB hier absolute Weltspitze. Keine andere Mannschaft kann in Australien 90 Minuten (oder länger) ein derart intensives Pressing spielen wie die deutsche. Keine andere Mannschaft wirkt über das komplette WM-Turnier so fit und fokussiert. Weil die Spieler über die gesamte Vorbereitung eine optimale berechnete Belastungssteuerung erfahren haben.
Datenbasiertes, smartes Spielermanagement
Kern aller technologischen Lösungen, die ich genannt habe, ist ein datenbasiertes Spielermanagement-System für Trainer- und Funktionsstab. Das Tool exisistiert heute nur in einer Rohversion und wird fertig entwickelt. Ein (fiktiver) Name für die Zukunft könnte lauten: DSD – Dashboard for Smart Decisions – der DFB-Akademie.
Es filtert aus der schier endlosen Informationsflut an Spiel- und Trainingsdaten, leistungsdiagnostischen und medizinischen Daten, Video-Analysen, Scouting-Daten, psychologischen Daten und Spielerumfragen auf einem übersichtlichen Dashboard die wichtigsten und aussagekräftigsten Daten heraus und visualisiert sie.
In der Zukunft wird sich jeder Trainer oder Experte dieser Technologien bedienen müssen, um mit seiner Mannschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist ein selbstlernendes und sich selbst verwaltendes System, das von KI gesteuert wird und von den Machine-Learning-Experten der DFB-Akademie mit weiteren Spezialisten aus der Digitalisierungsbranche entwickelt wurde. Das Tool bietet natürlich auch direktes Feedback – also Kommunikation mit und zwischen den Spielern über Tablets/Smartphones, über Chatrooms und virtuelle Team-Meetings. Das ermöglicht es, Kurzvideo-Clips zu Einzelspieler-, Positionsgruppen- oder Team-Analysen zu zeigen. Außerdem sendet das System (automatisiert!) individuelle Live-Analysen über sogenannte „Ear-ins“ an die Spieler und Trainer der Mannschaft.
Richtig gelesen: „Ear-ins“. 2030 werden das keine herkömmlichen Kopfhörer mehr sein, sondern mit dem bloßen Auge kaum mehr sichtbare Devices. Erste Start-ups, die in diesem Bereich entwickeln, gibt es bereits. Ob das Tragen während der Spiele erlaubt sein wird, ist eine andere Frage: Das hängt in der Zukunft von den UEFA-und FIFA-Regularien ab.
Die Kommunikationstechnologien ermöglichen jedenfalls heute schon interaktives „Cyber-Training“, also virtuelles Video-Training mit den Fitnesstrainern der Nationalmannschaft in der Urlaubsphase nach der kräfteraubenden Saison und vor dem Start der WM-Vorbereitung.
Die Zeit vor der WM 2030: Miro Müller und das Tech-Lab
Schauen wir nun noch mal auf den fiktiven Stürmer Miro Müller, Top-Scorer der WM 2030 und Matchwinner des Endspiels. Seine Erfolgsgeschichte beginnt eigentlich viel, viel früher – sagen wir mal im Jahr 2022, als er nach einem DFB-Sichtungsturnier seine erste Berufung zur U15, der jüngsten Jugendnationalmannschaft, bekommt. Er ist beseelt davon, Tore zu schießen, und verwertet seine Chancen konsequent und effizient. Er weiß selbst, dass er noch einen extrem langen Weg zurücklegen muss. Dass es die wenigsten Spieler einer U15-Nationalmannschaft jemals zu einer großen WM schaffen.
Die große Herausforderung für den DFB besteht nicht nur darin, solch ein Top-Talent zu identifizieren und an den DFB zu binden. Sondern auch, es konsequent gemeinsam mit seinem Heimatklub in seiner individuellen Entwicklung zu begleiten und in den Genuss der neuesten technischen Errungenschaften kommen zu lassen. An erster Stelle steht weiterhin die Arbeit auf dem Platz mit seinen Trainern, im Verein wie im Verband, die ihn coachen und an seinen Stärken und Schwächen arbeiten. Aber zudem werden nun Spitzenspieler wie Müller von Experten mithilfe fußballspezifischer, sportmedizinischer und sportpsychologischer Tests und Analyse-Instrumentarien ganzheitlich erfasst, dokumentiert, bewertet. Und dann werden für sie individuelle Programme zur Leistungsentwicklung und -optimierung erstellt.
Hier kommt das in den Frankfurter DFB-Campus integrierte Tech-Lab ins Spiel. Dort identifizieren im sogenannten Tech-Radar Experten relevante (Sport-)Technologien. Etwa zur Diagnose von Bewegungsmustern, anatomischer Risikofaktoren oder muskulärer Defizite, Dysbalancen oder Asymmetrien. Innovative Video-Analysesysteme und Messinstrumentarien werden hier durch ein weltumspannendes Benchmarking identifiziert, im Labor oder direkt in der Anwendung getestet, mit Praxis-Experten (weiter)entwickelt und eingesetzt. Der gleiche Qualitätsprozess betrifft auch innovative Technologien zur Förderung kognitiver Funktionen und Kompetenzen des Spielers, wie zum Beispiel der Einsatz Virtual-Reality-gestützter Diagnostik- und Trainingstools.
Technologie plus positionsspezifisches Individualtraining
Miro nutzt diese Möglichkeiten. Nur: Das allein führt ihn noch längst nicht ins Ziel. Er arbeitet zusätzlich mit einem Stürmerprogramm, das die DFB-Akademie 2020 initiiert hat. Auslöser war das bereits länger erkennbare Defizit an treffsicheren Mittelstürmern von Weltklasse-Format in Deutschland.
Kern des Programms ist ein positionsspezifisches Individualtraining. Es steuert zum Beispiel per Datenanalyse Statistiken und Fakten für Abschlussvariablen (Zonen, Aktionen etc.) mit hohen Effizienz- und Erfolgsquoten. Sprich: Der Stürmer lernt datenbasiert, wie er in welchen Drucksituationen auf dem Platz ideal handelt.
Das Programm bietet noch eine Besonderheit: die „Digitalen Kabinentalks“ mit DFB-Trainern und Nationalspielern für diverse Positionsgruppen bis zur U20. Hier werden Miro Müller statistische Analysen und kommentierte Spielszenen mit vielen technisch-taktischen Detailtipps gezeigt. Highlight des Tools sind digitale Live-Talks mit aktuellen Nationalspielern oder Nationalspieler-Legenden wie Miroslav Klose, Alexandra Popp, Nadine Kessler, Sami Khedira, Annike Krahn und Mats Hummels.
Von alldem hat Miro Müller profitiert, als er 2026 in seiner ersten Profi-Saison in der Bundesliga Stammspieler wird und sofort seine Tore schießt. Und dann hat es Miro eines Tages dank seinem Talent, Fleiß und unter Einsatz sämtlicher verfügbarer neuen Technologien des Fußballs geschafft: Er ist zum Weltklasse-Stürmer gereift und wird vom Bundestrainer für die WM 2030 in Australien und Neuseeland nominiert. Sein großer Traum geht in Erfüllung.
Dank Metaverse Monate vor dem Finale auf dem Rasen des Stadions stehen
Aber er ist nicht zu Ende. Als Miro Müller Wochen später den Rasen des Rectangular Stadiums betritt, fühlt er sich wieder bestens vorbereitet: Er hat sich nämlich schon mit den Gegebenheiten vor Ort auseinandergesetzt, ohne selbst dort gewesen zu sein.
Dank Metaverse stand er Monate vor dem Finale immer wieder auf dem Rasen des Stadions in Melbourne, erlebte den Lärm, die Stimmung, gewöhnte sich an die Bedingungen. Er spürt: Ich bin genau jetzt perfekt vorbereitet auf den Höhepunkt meiner Karriere.
Kurz vor dem Anpfiff begibt er sich dann noch ein letztes Mal ins Metaverse. Er zieht seine VR-Brille auf und reist zurück zu seinen Wurzeln. An seinen Lieblingsort auf dem DFB-Campus, der ihm immer innere Ruhe und Kraft gab: die Players Lounge. Wo er so viel gelernt hat, um als Stürmer auf dem Rasen, aber auch als Mensch neben dem Platz erfolgreich sein zu können. Er geht herum, schaut sich die WM-Pokale an, die deutsche Frauen und Männer 1954, 1974, 1990, 2003, 2007 und 2014 gewonnen haben. Er betrachtet den freien Platz in der Vitrine, der für den siebten WM-Pokal reserviert ist. „2030“, steht davor auf einem Schild. Jetzt ist Miro Müller bereit.
Er geht hinaus auf den Rasen. Ein Jahrzehnt der Ausbildung und Förderung auf allen Ebenen liegt hinter ihm. Er muss nun alles, was in ihm steckt und was ihm mit auf den Weg gegeben wurde – Talent, Wille, Ehrgeiz, Erlerntes –, in die Waagschale werfen. Das entscheidende Tor im WM-Finale schießt nämlich keine Künstliche Intelligenz und kein Computerprogramm. Das muss er selbst erledigen.