Es herrscht Goldgräberstimmung: 450.000 Dollar hat ein Fan von Snoop Dogg ausgegeben, um das Grundstück neben der Villa des Rappers zu kaufen – wohlgemerkt in der Virtual Reality (VR). Wie das Metaversum das Arbeitsleben und die Gesellschaft verändern werden, diskutieren Oliver Busch, Head of Agency & Ecosystem DACH bei Meta, Christoph Fleischmann, Gründer und CEO des VR-Start-ups Arthur Technologies, sowie Thorsten Giersch, Chefredakteur von Kienbaum Consultants International, in einer neuen Folge des Videocasts „CEO-TALK: #WePowerment“.
CEO TALK: #WePowerment
Metaversum: Die (virtuelle) Revolution
Mark Zuckerberg sieht im Metaversum nichts weniger als die neue Evolutionsstufe des Internets. Doch was bedeutet es, wenn Mitarbeitende künftig in der virtuellen Realität zusammenarbeiten? Gehören physische Treffen dann der Vergangenheit an? Und wer bestimmt die Regeln in der 3-D-Welt?
27.04.2022
Oliver Busch
ist Head of Agency & Ecosystem DACH bei Meta
Christoph Fleischmann
ist Gründer und CEO des VR-Start-ups Arthur Technologies
Thorsten Giersch
ist Chefredakteur bei Kienbaum Consultants International
Mark Zuckerberg betrachtet das Metaversum als die Zukunft des Internets und hat Facebook in Meta umbenannt. Zehn Milliarden Dollar investiert er allein in diesem Jahr in seine „Reality Labs“. Wird sich das lohnen?
Oliver Busch: Bereits heute existieren viele spannende Vorstufen zum Metaversum. Im Gamingbereich beispielsweise, aber ebenfalls bei Kollaborations-, Meeting- und Research-Plattformen. Wir haben vielversprechende Anwendungen auch im B2B-Bereich, die ein Teil des Metaversums sein können. Aber das große Ganze sehen wir noch nicht. Denn nach meiner Ansicht – und auch nach der von Mark Zuckerberg – wird das Metaversum nicht mehr und nicht weniger als die nächste Version des Internets sein. Ende der 1990er-Jahre startete das Online-Zeitalter, mit dem iPhone 2007 fing die Zeit des Mobile Web und der sozialen Netzwerke an. Jetzt steht wieder ein großer Umbruch bevor: Wir gehen in eine 360-Grad-Welt.
Vor mehr als zehn Jahren wurden die enormen Chancen virtueller Welten schon einmal heiß diskutiert – und zwar bei dem Spiel „Second Life“. Der Hype flaute jedoch schnell ab. Droht auch das Metaversum zum Flop zu werden?
Busch: „Second Life“ konnte sich deswegen nicht durchsetzen, weil es vielleicht ein wenig zu früh war und nur eine spezielle Zielgruppe angesprochen hat. Vier Gründe, weshalb es jetzt anders kommt: Erstens die Menschen selbst. Ein Internet, in das man hineingehen kann, das man dreidimensional erleben kann – das ist spannend. Es bietet jede Menge Use-Cases, denn für die Konsumenten ist es attraktiv, zeitsparend und nachhaltig. Der zweite Grund ist die Technik. Es war bis vor Kurzem noch nicht möglich, Virtual Reality in einer hohen Qualität und hohen Geschwindigkeit zu einem fairen Preis für viele anzubieten. Wenn der Knoten geplatzt ist, wird die Technik sich enorm schnell weiterentwickeln.
Was sind die anderen beiden Gründe?
Busch: Das Metaversum bietet enormes Geschäftspotenzial für große wie kleine Unternehmen. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette gibt es unzählige Möglichkeiten, wie Virtual und Augmented Reality Firmen helfen können – von der Entwicklung bis zum Marketing und Verkauf. Und der vierte Grund ist das große Engagement in diesem Bereich – nicht nur von Meta, sondern von Hunderten Unternehmen. Etwa 600.000 Creators sind schon dabei, Inhalte zu entwickeln. Die Welle lässt sich nicht mehr aufhalten.
Das Start-up Arthur Technologies entwickelt ein Tool, mit dem Unternehmen in der virtuellen Realität zusammenarbeiten können. Warum sollte ein Meeting in 3-D besser sein als eine Videokonferenz?
Christoph Fleischmann: Das Metaversum und die Virtual Reality sind die Lösung für eines der größten Probleme, vor denen Unternehmen derzeit stehen: das hybride Arbeiten. Es ist die einzige Technologie, die das Verlangen der Mitarbeitenden nach Flexibilität – also Remote oder Hybrid Work – erfüllen kann, ohne dass es zu einem Verlust der Agilität, der Kommunikationsqualität oder der Qualität des Outputs kommt. Wer sich nicht in einem Büro befindet, kann sich im dreidimensionalen Raum treffen. Da wird in den nächsten Monaten und Jahren kein Qualitätsverlust mehr spürbar sein. Firmen, die hybrides Arbeiten nicht ermöglichen, werden nicht die besten Talente für sich gewinnen können. Sobald wir aber anfangen, in dieser dreidimensionalen Welt zu arbeiten, sind wir schneller, informierter und besser verbunden als je zuvor.
Zuckerberg will mit dem Metaversum in diesem Jahrzehnt eine Milliarde Menschen erreichen und Hunderte von Milliarden Dollar durch digitalen Handel erwirtschaften. Ist das ein realistisches Ziel?
Thorsten Giersch: Zuckerberg glaubt an diese Zahlen; schließlich arbeitet praktisch das gesamte Silicon Valley an dem nächsten Hype. Aber gerade in Deutschland sind dafür auch die entsprechenden Bandbreiten nötig. Zudem braucht besonders der Mittelstand etwas Zeit, um die Chancen der neuen Technologie schneller zu ergreifen, als er das zu Beginn der Digitalisierung gemacht hat. Das wird auch nötig sein, damit die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähig bleibt.
Wann werden wir Veränderungen im Alltag erleben?
Giersch: Die Veränderungen sind schon da. Viele Industrieunternehmen beschäftigen sich beispielsweise mit digitalen Zwillingen. Eine große Veränderung erhoffen wir uns im Bereich der Kommunikation. Treffen in der virtuellen Realität können ein echter und dringend benötigter Fortschritt gegenüber Videokonferenzen werden. Das Potenzial ist enorm.
Welche gesellschaftlichen Veränderungen stehen uns bevor, wenn sich Arbeits- und Privatleben stärker in das Metaversum verlagern?
Busch: Genauso, wie es ein Internet gibt, wird es auch nur ein Metaversum geben und nicht mehrere einzelne. Die Menschen werden sich darin frei und interoperabel bewegen können. Das ist Zuckerbergs Vision. Sie können von einem Spiel zu einem Amt springen, von einem Konzert zur Arbeit. Aber: Das Metaversum wird keine physischen Treffen ersetzen, die man gern hat. Es soll nicht das Land der Gamer, Krypto-Spekulanten und Verkäufer werden, sondern allen zur Verfügung stehen, die heute das Internet nutzen. Fleischmann: Die Frage lautet: Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der Geografie keine Bedeutung mehr hat? Unternehmen steht dadurch die ganze Welt als Recruiting-Markt offen. Sie können versuchen, die besten Personen weltweit für einen Job zu finden. Für Beschäftigte in den westlichen Industriestaaten bedeutet das Freiheit. Sie können wählen, mit wem und für wen sie arbeiten – völlig ortsunabhängig. Für Menschen aus anderen Ländern ist die Bedeutung ungleich größer. Sie haben die Chance auf echte Fairness. Egal wie du aussiehst, egal wo du herkommst – wenn wir es schaffen, dass die Menschen einen Zugang zum Metaversum bekommen, erhalten sie die gleichen Möglichkeiten wie alle anderen.
Wer kontrolliert das neue Internet? Wer sorgt also dafür, dass etwa Daten geschützt und Fake News nicht verbreitet werden?
Busch: Wir haben bei Meta einen teils schmerzhaften Lernprozess hinter uns. Mittlerweile kümmern sich rund 40.000 Mitarbeitende in Vollzeit um das Thema Sicherheit. Auf diesem Wissen in den Bereichen Fehlinformationen und Manipulation durch Staaten, Geheimdienste oder betrügerische Gruppen können wir aufbauen, auch in einer dreidimensionalen Welt. Ohnehin gilt: Dass das Metaversum einem einzigen Konzern gehört, der das Miteinander auf der Plattform bestimmt, ist eine Dystopie. Dafür ist die Politik zuständig. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die etablierten Institutionen diese Aufgabe erfüllen können. Deswegen hat Zuckerberg seine Vision zu einem so frühen Zeitpunkt geteilt.
Welche Auswirkungen auf das Management hat es, wenn in Unternehmen bald verstärkt im virtuellen Raum zusammengearbeitet wird?
Giersch: Neue Technologien und virtuelle Treffen werden es den Führungskräften leichter machen. Gerade in den Lockdown-Phasen haben sich viele extrem schwergetan. Sie mussten ad hoc ihre Leute mit einem ganz anderen Konzept führen, Vertrauen herstellen und auf Kontrolle verzichten. Gleichzeitig nehmen die Herausforderungen zu: Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel, demografische Entwicklung. Da sind neue Technologien für die Zusammenarbeit nötig.
Wie wird sich das Recruiting entwickeln? Haben Sie schon einmal jemanden eingestellt, den Sie noch nicht persönlich getroffen haben?
Busch: Ich bin der festen Überzeugung, dass man Menschen auch aus der Ferne kennenlernen kann. Schon mehrfach habe ich neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt, ohne sie zuvor persönlich getroffen zu haben. Wichtig ist, dass eine möglichst diverse Gruppe die Jobinterviews führt, dass sich alle eine Meinung bilden und sich im Anschluss austauschen. Physische Treffen sind weiterhin nötig, aber eher für die Milestone-Momente. Etwa das Unterschreiben des Arbeitsvertrags oder das Onboarding. Das sollte man zelebrieren.
Welche Fähigkeiten und Soft Skills werden im Metaversum gefragt sein?
Busch: Die Anforderungen ändern sich nicht völlig, nur weil wir von 2-D zu 3-D wechseln. Grundsätzlich brauchen wir Menschen, die neugierig sind, die Veränderungen als etwas Positives wahrnehmen, die Ambitionen haben, die Lust haben, Leistung zu erbringen. Bei Meta zählen neben Kreativität, Leistung und Geschwindigkeit vor allem Offenheit und Ehrlichkeit. Unsere Mitarbeitenden sollten in der Lage sein, Feedback zu geben und Feedback zu verkraften. Uns ist Transparenz wichtig; das gilt intern wie extern.
Fleischmann: Für unser über die ganze Welt verteiltes Team suchen wir Menschen, die über ein gutes Selbstmanagement verfügen, die proaktiv agieren und die lieber zu viel kommunizieren als zu wenig. Bei uns findet Recruiting häufig bereits in der Virtual Reality statt, genauso wie unsere Team-Meetings. Dadurch haben wir eine andere Kultur als Firmen, die nur auf Videokonferenzen setzen. In der virtuellen Realität erkennt man die Körpersprache des Avatars, die Reaktionen, die Art zu sprechen. Man kann sofort in ein freundschaftliches Gespräch übergehen, auch in der echten Welt. Genau das ist der Schlüssel: Das Metaversum ist kein Ersatz für echte Treffen, aber es ermöglicht einen fließenden Übergang.
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