Mit der Europäischen und der Nationalen Wasserstoffstrategie sind die größten Hürden für einen großflächigen Einsatz des Energieträgers beseitigt. Bei allem Grund für Enthusiasmus steht der Wasserstoffwirtschaft jedoch noch ein weiter Weg bevor. Welche Schritte jetzt einzuleiten sind, erklärt Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik (IWO).
Erneuerbare Energien
Wasserstoffstrategie: Energieträger mit Potenzial
Die Nationalen Wasserstoffstrategie soll die Energiewende sichern. Für Adrian Willig, Geschäftsführer des IWO, muss dafür noch einiges passieren.
19.08.2020
Adrian Willig
ist seit Anfang 2014 Geschäftsführer des IWO, einer Einrichtung der deutschen Mineralölwirtschaft. Der Diplom-Ingenieur hat Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in München studiert
Das IWO ist Teil der „Power-to-X-Allianz“. Was steckt hinter dem Begriff „Power-to-X“, und wofür macht sich die Allianz stark?
Adrian Willig: Power-to-X beziehungsweise PtX steht für die Umwandlung von Strom in einen anderen Energieträger. In diesem Fall meinen wir die Nutzung von Ökostrom, um per Elektrolyse grünen Wasserstoff zu gewinnen, der direkt genutzt oder weiterverarbeitet werden kann – zum Beispiel zu synthetischen Kraft- und Brennstoffen. Auch nach Effizienzsteigerungen und einem Ausbau der Ökostromerzeugung wird in Deutschland eine Lücke in der Versorgung mit erneuerbarer Energie bestehen bleiben. Daher benötigen wir, neben fortschrittlichen Biokraftstoffen, auch grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte für unseren künftigen Energiemix. Denn diese Fuels lassen sich leicht importieren. Die PtX-Allianz ist ein Aktionsbündnis aus Unternehmen und Verbänden, die verschiedene Kompetenzen rund um PtX-Technologien mitbringen. Sie legt den Fokus auf innovative, klimaneutrale, auf grünem Wasserstoff basierende Technologien und Lösungen.
An welche Folgeprodukte denken Sie?
Willig: Durch den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff können Raffinerieprodukte klimaschonender produziert, aber auch biomassebasierte Produkte hydriert werden. Grüner Wasserstoff ist eine wichtige Komponente für die synthetische Herstellung CO2-armer flüssiger Kraft- und Brennstoffe, sogenannter E-Fuels. All diese alternativen flüssigen Energieträger haben eine hohe Energiedichte, sind gut zu speichern und könnten in der bereits heute genutzten Infrastruktur und Technik ohne aufwendige Umrüstungen zum Fahren, Fliegen und Heizen eingesetzt werden.
Wie schätzen Sie diesbezüglich die Nationale Wasserstoffstrategie ein?
Willig: Die Politik hat erkannt, dass wir neben Elektronen auch Moleküle benötigen. Das ist ein Fortschritt, reicht jedoch noch nicht aus. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass der Wasserstoff bestimmten Sektoren vorbehalten oder sogar zugeteilt werden soll. Für den Pkw-Bereich gibt es nur vage Andeutungen. Einschränkungen bei der Anwendung sollte es aber keinesfalls geben – und eine mengenmäßige Zuteilung für bestimmte Sektoren ist ebenfalls nicht Aufgabe der Politik. Hier sollte ein technologieoffener Wettbewerb greifen.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf beim Thema grüner Wasserstoff?
Willig: Wichtig ist die Etablierung eines globalen Markts, denn grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte werden wir nicht nur in Europa erzeugen, sondern in zahlreichen Weltregionen, die besonders günstige Voraussetzungen dafür bieten. Die notwendigen Produktionskapazitäten erfordern Milliardeninvestitionen. Dafür sind geeignete und verlässliche politische Rahmenbedingungen nötig. Eine Schlüsselrolle hat der Straßenverkehr. Ein Markthochlauf alternativer Kraftstoffe dort ermöglicht die notwendigen Geschäftsmodelle und Skalierungseffekte – und damit auch die „Defossilisierung“ anderer Sektoren. Förderprogramme und Regulierungen dürfen daher nicht allein auf E-Mobilität ausgerichtet werden. Zudem brauchen wir eine kluge und konsequente CO2-Bepreisung.
Wie können Kohlendioxid-arme Brennstoffe auch im Wärmemarkt für mehr Klimaschutz sorgen?
Willig: Hierzulande gibt es rund 5,4 Millionen Gebäude mit Ölheizungen. Drei Millionen dieser Häuser stehen abseits der Wärme- und Gasnetze, und für einen Umstieg auf Wärmepumpen oder Pellets liegen die technischen und finanziellen Hürden oftmals viel zu hoch. Doch auch Häuser mit einer Ölheizung können schrittweise die Klimaziele erreichen. Ermöglicht wird das zunächst durch Heizungsmodernisierungen mit Brennwerttechnik und Maßnahmen an der Gebäudehülle. Ein weiterer Schritt ist die direkte Einbindung erneuerbarer Energien in Form von Hybridheizungen. So lässt sich der Brennstoffbedarf bereits deutlich reduzieren. Für die Restmengen könnten CO2-arme Brennstoffe genutzt werden, die fossiles Heizöl zunehmend ersetzen.
Redaktion
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