CO2-Fußabdruck verkleinern

So wird die IT-Infrastruktur nachhaltig

Die IT-Infrastruktur wird als CO2-Emittent in Unternehmen häufig unterschätzt. Wie ließe sie sich nachhaltiger gestalten?

12.10.2021

Digitale Technologien werden gern als vielversprechendes Mittel gegen den Klimawandel gerühmt. Und ja, sie haben das Potenzial, zur CO2-Einsparung beizutragen. Doch die Sache hat einen Haken: „Durch die beschleunigte Digitalisierung im Zuge der Pandemie nehmen die Emissionen unserer digitalen Welt rasant zu. Unternehmen müssen den CO2-Fußabdruck ihrer IT messen und durch nachhaltige Praktiken minimieren“, sagt Ralph Schneider-Maul, Leiter des Center of Excellence Digital Manufacturing bei der Beratung Capgemini. Doch das ist bisher eher die Ausnahme, wie die Capgemini-Studie „Sustainable IT“ zeigt.

Refurbishment statt wegwerfen

Demnach wissen 57 Prozent der Befragten nicht, wie groß der CO2-Fußabdruck ihrer IT ist. Nur sechs Prozent setzen umfassend auf nachhaltige IT. Dabei sind die ersten Schritte in Richtung einer umweltorientierten Entwicklung, Nutzung und Entsorgung der IT-Infrastruktur schnell gemacht. Etwa indem diese mit Ökostrom betrieben wird. Und statt Entsorgung heißt das Zauberwort Refurbishment. „Gemeint ist die mehrfache Nutzung von ein und demselben Gerät durch Aufbereitung und Wiedervermarktung“, sagt Dr. Mathias Wagner, CEO von CHG-MERIDIAN. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 880.000 Geräte refur­bished und dadurch einem zweiten Nutzungszyklus zugeführt.

Ein zweites Leben für die IT

Zwei bis vier Jahre – so lange ist IT-Hardware im Schnitt im Einsatz. „Die Nutzungszeit wird immer kürzer, die Technologiesprünge werden schneller“, sagt Wagner. Doch nachhaltig ist das nicht. Denn, so Wagner, nur ein Bruchteil der Geräte sei dann tatsächlich am Ende ihres Lebenszyklus ­angekommen. Sein Unternehmen bereitet daher gebrauchte Hardware wieder auf, um ­sie einem weiteren Nutzungszyklus zuzuführen. Refurbishment heißt der Prozess. Eine Dienstleistung, die zunehmend nachgefragt wird, wie auch Matthias Steybe, Group Sustai­nability Officer von CHG-MERIDIAN, berichtet.

Dr. Mathias Wagner

ist seit 2017 Vorstands­vorsitzender von CHG-MERIDIAN. Für das Unternehmen ist der Diplom-Kaufmann seit 2013 tätig. Zuvor war er 13 Jahre lang bei Fresenius

Matthias Steybe

ist Group Sustainability Officer von CHG-MERIDIAN. Bei dem Unternehmen arbeitet er seit 2012. Davor war er im Bereich Corporate Communications bei Daimler tätig

Hardware nutzen, sie aber nicht besitzen: Was haben Unternehmen davon?

Mathias Wagner: Beim Kauf erwirbt man Eigen­tum, aber das zieht auch eine Total Cost of Ownership nach sich. Denn neben der Investition liegen alle Prozess- und Handlingkosten beim Besitzer. Und diese Kosten sind mitunter nicht gering. Sharing-Modelle wie das unsere bieten daher einen Kosten- und Liquiditätsvorteil – und sind flexibler. Wenn Sie ein Gerät nicht mehr nutzen, geben Sie es einfach zurück. Und wenn Geräte nach einem Refurbishment in die Wiedervermarktung kommen, also mehrfach genutzt werden, ist das zudem ökologisch sinnvoll und schont Ressourcen. Denn gebrauchte Geräte irgendwo im Keller zu lagern ist sicher keine nachhaltige Art, mit IT-Assets ­umzugehen.

Was genau passiert mit einem Gerät, das Sie einem zweiten Nutzungszyklus zuführen wollen?

 Wagner: Nach der Nutzungsphase werden die Geräte zu einem unserer Technologiezentren in Deutschland oder Norwegen oder zu einem unserer zertifi­zierten Partner geschickt. Dort wird gecheckt, ob das Gerät wiederverwendet werden kann. Dann geht es in den Prozess der Datenlöschung. Und danach wäre das Gerät auch schon bereit für die Wiedervermarktung. Stand heute verkaufen wir den Großteil an Reseller. Ich sehe aber großes Potenzial, aufbereitete Geräte auch bei Kunden von uns erneut zum Einsatz zu bringen.

Laut einer Studie von Capgemini weiß mehr als die Hälfte der Unternehmen nicht, wie groß der CO2-Fußabdruck ihrer IT ist. Warum wird das Thema nachhaltige IT bisher offenbar wenig beachtet?

Matthias Steybe: Viele Firmen haben zwar Nachhal­tigkeitsstrategien entwickelt, aber ihren CO2-Fußabdruck noch gar nicht berechnet und analysiert. Dazu kommt: Die IT wird nicht unbedingt zu den Top-CO2-Emittenten gezählt. Daher steht sie auch nicht im ­Fokus. Wagner: Aber es ist aktuell viel Bewegung im Markt. Grundsätzlich dominiert noch der Gedanke, dass man etwas besitzen will. Denn dann hat man volle ­Kontrolle darüber – gerade wenn es wie bei IT-Hardware auch um sensible Daten geht. Allerdings ist man dem Ansatz „nutzen statt besitzen“ gegenüber inzwischen offener. Mit Blick auf die Lieferengpässe bei Chips greift sicher der eine oder andere gezwungenermaßen zu Refur­bished-Geräten. Aber ich bin überzeugt, dass das künftig zunehmend eine freiwillige Entscheidung sein wird.

CHG-MERIDIAN setzt bereits seit der Gründung 1979 auf Kreislaufwirtschaft. Optimal wäre natürlich eine 100-prozentige Kreislaufwirtschaft in allen Branchen. Ein hehres Ziel. Aber ist das erreichbar?

Steybe: Es heißt ja: „If you want to fix the ­climate you need to fix the economy.“ Wenn wir etwas gegen den Klimawandel tun möchten, müssen wir also ­unsere Art zu wirtschaften überdenken. Ich bin aber kein großer Freund davon, vonseiten des Gesetzgebers strengere Vorgaben zu machen. Der Markt reguliert sich schon von allein. Denn die Ressourcenknappheit wird dafür sorgen, dass neue Geschäftsmodelle entstehen, die den Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft entsprechen. Ich denke da etwa an die Hersteller: So, wie wir eine Diskussion über das Auto der Zukunft führen, wird es aufgrund der Ressourcenknappheit auch Diskussionen über das IT-Gerät der Zukunft geben. Und das dann insbesondere im Hinblick darauf, was aktuell unternehmensseitig passiert: Denn 90 Prozent der ­Firmen recyceln weniger als zehn Prozent ihrer IT.