Illustration zu Open Source und Programmierung
28.05.2021
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Kostenfrei zugänglich ist der offene Quellcode, und für jeden modifizierbar ist er auch. „Früher hat man Open Source noch belächelt, heute ist das Konzept des offenen Quellcodes in vielen Unternehmen nicht mehr wegzudenken“, sagt Robert Lindner, Regional Manager Deutschland beim Softwareanbieter Red Hat. Eine Bitkom-Studie bestätigt das: Etwa jedes dritte größere Unternehmen in Deutschland arbeitet an der Entwicklung von Open-Source-Software. Die Gründe: Geld sparen, Mitarbeitende weiterbilden, aber auch ein Teil der Community sein und diese unterstützen. 

Doch ist Open Source wirklich günstiger als die Software kommerzieller Anbieter? Welche Rolle spielt dabei die Sicherheit? Und vor allem: Bietet das Konzept auch Potenzial für den Mittelstand? Lindner sowie Dr. Stefan Ried, Principal Analyst beim Software- und Cloudanbieter Cloudflight, geben Antworten.

Zur Person

Robert Lindner von Red Hat

Robert Lindner

ist Regional Manager Deutschland bei Red Hat, einem weltweit tätigen Anbieter von Open-Source-Technologien für Unternehmen

Zur Person

Stefan Ried von Cloudflight

Dr. Stefan Ried

ist Principal Analyst bei  Cloudflight, einem führenden Softwareentwickler und Anbieter von KI-Lösungen in Europa

Wo steht der deutsche Mittelstand derzeit beim Einsatz von Open-Source-Software?

Robert Lindner: In den vergangenen Jahren hat sich immer mehr gezeigt, dass Open Source in den strategischen und sicherheitsrelevanten Bereichen der Unternehmen eingesetzt wird. Interessant ist, dass vor allem Großkunden Open Source als ein zentrales, innovatives Medium ansehen und sich auch aus Sicherheitsgründen dafür entschieden haben. Im Mittelstand hingegen herrscht das Vorurteil, es gäbe zu viele Sicherheitslücken. Hier muss man die Kunden noch von den Potenzialen überzeugen. Was viele nicht wissen: Rund 90 Prozent aller Clouds basieren auf Open Source. Etwa sämtliche Börsen sowie zahlreiche Sicherheitsbehörden setzen auf Open Source. Einer der großen Vorteile bei Open Source ist, dass es den sogenannten Vendor-Lock-in nicht gibt – sprich: Unternehmen müssen nicht bei einem Anbieter bleiben, sondern bleiben unabhängig.

Doch wenn jeder freien Zugriff auf den Quellcode hat, was macht Open Source dann so sicher? 

Lindner: Je mehr kluge Menschen zur gleichen Zeit an der Entwicklung einer Software partizipieren, desto innovativer, schneller, besser und sicherer wird das Ganze. Wenn ich den Bauplan meiner Software offenlege, dann kann jeder darauf schauen und die Lücken, die es dort möglicherweise gibt, schnell schließen. Natürlich heißt das im Umkehrschluss auch, dass diese Lücken missbraucht werden könnten. Doch in der Regel sind mehr Menschen daran interessiert, dass die Software keine Bugs oder Sicherheitsprobleme aufweist, weil sie diese Infrastruktur ja selbst im Alltag nutzen wollen.

Warum tut sich der hiesige Mittelstand beim Thema Open Source noch so schwer?

Lindner: Viele Mittelständler verfolgen noch das Credo, alles zu 100 Prozent durchdenken und perfekt machen zu müssen, bevor es auf den Markt kommt. Das bricht uns gerade das Genick. Unternehmen, die mit halbfertigen Produkten an den Markt gehen, gewinnen hingegen eine große Anhängerschaft; den Umsatz investieren sie dann, um weiter Innovation zu betreiben. Wir Deutsche warten einfach zu lange und trauen uns vielleicht auch nicht, von den uns bekannten und vertrauten Anbietern abzuweichen. Aber so lassen sich keine disruptiven Ideen entwickeln.

Inwiefern kann Open Source die Innovationskraft im Unternehmen steigern?

Stefan Ried: Es ist nicht die Idee, die innovativ ist, sondern das, was im Markt funktioniert und verbreitet wird – und das ist etwas, was mit Open Source sehr gut gelingt. An diesen Projekten sind meist viele Entwickler beteiligt, die an der Infrastruktur und an der Cloud arbeiten. Die Basiskomponenten sind so automatisch dicht am Markt und können von jedem kostenfrei für das eigene Business eingesetzt oder entsprechend angepasst werden. Die Transparenz des Quellcodes sorgt ja nicht nur dafür, dass Fehler gefunden werden können, sondern auch dafür, dass diese Software stetig optimiert wird. Das wäre mit einer Closed Source undenkbar. Übrigens: Der Browser Chrome von Google basiert ebenfalls auf Open Source – und auf exakt diesem Quellcode basiert auch der Browser Edge von Microsoft. Wenn hier Fehler gefunden werden, dann werden diese an das dahinterstehende Team geschickt und schnell korrigiert. Und das führt wiederum dazu, dass der Browser so extrem erfolgreich und hoch optimiert ist.

Lindner: Kommerzielle Anbieter setzen auf Patente für ihre Software, sodass jemand, der eine Idee weiterenwickeln möchte, erst einmal Lizenzgebühren an den Hersteller zahlen muss. Das sind natürlich Eintritts- und letztlich Innovationshürden. Diese existieren bei Open Source nicht. Deshalb ist Open Source mittlerweile auch nicht nur auf Software beschränkt.

Was ist denn dank Open Source noch möglich?

Lindner: Wir haben schon jetzt Open-Source-Projekte, die über die IT hinausgehen – zum Beispiel eines im orthopädischen Bereich. Viele Orthopäden weltweit haben sich zusammengeschlossen und einen Bauplan für künstliche Gliedmaßen für Kinder entwickelt, die sich im 3-D-Drucker herstellen lassen. Da geht es weniger darum, zu monetarisieren, sondern darum, Kindern in ärmeren Ländern zu helfen. Insgesamt lässt sich wirklich sagen, dass der Einsatz von Open Source nicht nur auf die IT beschränkt ist, sondern vermehrt auch in ganz anderen Bereichen zu finden ist.

Ried: Das stimmt. Open Source ist nicht nur Software, es gibt auch erfolgreiche Open-Source-Hardware. Nehmen Sie die Lernplattform für den Controller Arduino zum Beispiel: Hier lässt sich nicht nur die Software, sondern auch Hardware anpassen; es ist etwa möglich, andere Layouts von Platinen zusammenzustellen und so weiter. Künftig, denke ich, geht der Trend in Richtung Daten. Eine Software für autonomes Fahren bringt ohne entsprechende Daten wenig. Andersherum bringen Daten natürlich auch nichts ohne die Software. Deshalb denke ich, Trend im Bereich Open Source wird bald das Teilen von Daten sein. Das haben wir ja durch die Corona-Warn-App gelernt, bei der Nutzerinnen und Nutzer ihre Daten sozusagen spenden. In den Bereichen Künstliche Intelligenz und Machine-Learning ist es nichts anderes.

28.05.2021
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