Der modulare Ansatz von Low-Code/No-Code (LC/NC) funktioniert in der Praxis nach dem Baukastenprinzip: Den Nutzerinnen und Nutzern steht ein vorgefertigtes, visuelles Tool- oder Code-Set zur Verfügung. Diese einzelnen Bestandteile und Schnittstellen lassen sich auf einer grafischen Nutzeroberfläche per Drag-and-Drop miteinander verbinden oder zu einer ganzheitlichen Lösung zusammenfügen – ohne, dass dafür unbedingt versierte Coding-Kenntnisse vorhanden sein müssen.
Kleinteilige oder komplexe Entwicklungsschritte, die bisher spezielle und zeitintensive Programmierungen erfordern, werden dank dieser Technologie zunehmend überflüssig. Gänzlich verschwinden wird der klassische Beruf des IT-Spezialisten dadurch allerdings nicht; immerhin ist die Nachfrage nach Programmierern nach wie vor hoch. Zudem durchziehen LC/NC-Lösungen bei weitem (noch) nicht alle Branchen oder Use-Cases. Und auch im Kontext von Low-Code-Entwicklungen ist auch künftig geschultes Personal gefragt.
Unterschiede zwischen No-Code und Low-Code
Denn anders als bei No-Code, wo tatsächlich alle Prozesse vorgefertigt sind, bedarf es bei Low-Code durchaus noch eines rudimentären IT-Verständnis, beispielsweise um Codes zu schreiben und zu lesen. Idealerweise ergänzen sich jedoch LC/NC-Lösungen innerhalb einer Entwicklerplattform und gewähren den Nutzerinnen und Nutzern dadurch mehr individuellen Gestaltungsspielraum.
Unternehmen können zum Beispiel selbstständig aus den einzelnen Komponenten effektive Business-Apps entwickeln oder ihre Managing-Systeme einfacher mit einer (externen) Software koppeln. Für einen externen Kooperationspartner wird es einfacher auf das jeweilige System zuzugreifen, wodurch sich Abstimmungsprozesse oder Fehler bei der Systemkompatibilität reduzieren. Außerdem lassen sich veraltete Systeme digitalisieren und spielerisch an Clouds, neue Technologien wie Internet of Things (IoT) oder an Künstliche Intelligenz (KI) koppeln.
LC/NC: Großes Potenzial für Unternehmen
Das große Potenzial von LC/NC-Entwicklerplattformen und deren Lösungen haben mittlerweile viele Unternehmen erkannt: LC/NC-Systeme sind zentrale Plattformen für Business-Anwendungen und Automatisierung in zahlreichen Branchen – ob Industrie, Logistik, Finanzbereich oder öffentlicher Sektor. Und das mit massiv steigender Tendenz: Die Marktforscher von Gartner prognostizieren, dass bis 2025 rund 70 Prozent aller neuen Anwendungen auf LC/NC-Basis entwickelt werden.
Sie können sich besonders für kleine und mittelständische Unternehmen lohnen. Für diese wird die Suche nach IT-Fachkräften immer schwieriger. Laut dem Digitalverband Bitkom ist die Zahl freier IT-Stellen hierzulande 2021 auf 96.000 angestiegen – das ist ein Plus von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Lücke lässt sich allein mit Fachkräften aus dem Ausland oder externen Dienstleistern nicht schließen. Wenn nun aber „einfache“ Mitarbeitende mit wenig IT-Erfahrung über interaktive LC/NC-Plattformen in der Lage sind, visuelle Lösungen für Softwareoptimierungen umzusetzen, reduziert das den Ressourcenaufwand sowie die Kosten und steigert die Effizienz.
Und obwohl die Anwendungen uniformer und simpler wirken, büßen die LC/NC-Entwicklerplattformen im Endergebnis wenig Funktionalität ein. Im Gegenteil: Sie sind mindestens genauso leistungsfähig, aber deutlich nutzerfreundlicher und zeitsparender.
Siemens-Tochter Mendix als Low-Code-Plattform
Bei Siemens ist seit rund zwei Jahren eine Low-Code-Plattform in die Systeme integriert – und reicht auch darüber hinaus: Von den LC/NC- Diensten der Tochterfirma Mendix profitieren laut Angaben des Münchener Konzerns weltweit mehr als 4.000 Unternehmen, die ihre Low-Code-Lösungen einsetzen.
Und obwohl zur Mendix-Community mittlerweile rund 230.000 Entwickler, 300 zertifizierte Partner und mehr als 120.000 Anwendungen zählen, stehe man bei der Entwicklung „noch am Anfang“, wie Hanna Hennig, Chief Information Officer bei Siemens, im Interview über die Bedeutung von Low-Code verrät. Das ausgerufene Ziel für die kommenden Monate und Jahre sei es, im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung von Industrie und Wirtschaft noch mehr Anwendungsgebiete zu identifizieren.