Vor Kurzem hat der Weltmarktführer ein Büro in München eröffnet, um auf dem deutschen Markt stärkere Präsenz zu zeigen. DUP-Verleger Jens de Buhr hat Allan Thygesen, seit September 2022 CEO des Unternehmens, zur Expansion und den Plänen für Deutschland interviewt.
DUP-Verleger Jens de Buhr im Gespräch mit DocuSign-CEO Allan Thygesen
DocuSign: „Viele Mitarbeitende haben das Gefühl, digitaler zu sein als ihr Unternehmen – das frustriert“
Die Deutsche Telekom, Jägermeister, Deuter, Ottobock, Unilever und Boehringer Ingelheim – sie alle verwalten, versenden und signieren ihre Verträge bereits mit der cloudbasierten Software von DocuSign. Den Bekanntheitsgrad, den das Unternehmen in seiner US-amerikanischen Heimat hat, konnte es hierzulande allerdings noch nicht erreichen. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern.
02.11.2023
Allan Thygesen
Der Däne ist seit Oktober 2022 CEO von DocuSign, einer Plattform für Verwaltung, Versand und Signatur digitaler Verträge mit Sitz in Kalifornien. Zuvor leitete er unter anderem das Werbegeschäft von Google in Nord- und Südamerika
In den USA setzt DocuSign Standards im digitalen Bereich. Von uns in Deutschland heißt es, dass wir ein sehr faktendominiertes Land sind. Dennoch nutzen wir noch immer analoge Kommunikation. Besuchen Sie gerade eine dritte Welt?
Allan Thygesen: (lacht) Nein, das sicher nicht. Ich denke aber, dass wir uns im Bereich der Unternehmensproduktivitätssoftware im weiteren Sinne und insbesondere im Bereich der elektronischen Vereinbarungen noch deutlich weiterentwickeln können. Die Kehrseite davon ist, dass wir meiner Meinung nach in Deutschland einen enormen Spielraum haben. Deshalb habe ich Deutschland und Japan als die zwei Märkte ausgewählt, in die wir stark investieren. Beides sind große Märkte, in denen wir noch viele Entwicklungsmöglichkeiten sehen.
Normalerweise investiert man in ein Land, in dem man Potenzial sieht…
Thygesen: Wir sehen ein großes Interesse. Wir haben einen großartigen strategischen Partner mit der Deutschen Telekom, wir haben über tausend Kunden mit ihr. Aber ja, wir sind in einer frühen Phase – auch im Vergleich zu den größeren europäischen Ländern. Aber hierin sehen wir eine Chance; deshalb komme ich einmal im Quartal nach Deutschland.
Warum haben Sie sich nicht etwa für Frankreich entschieden?
Thygesen: Was die Kluft zwischen Chancen und Status quo angeht, sehe ich in Japan und Deutschland das größte Potenzial. Großbritannien ist den USA sehr ähnlich. Frankreich ist weiter als Deutschland. Wenn wir Deutschland auf das französische Niveau bringen könnten, wäre das ein großer Erfolg. Ich denke, jetzt ist der Moment.
Wie soll das gelingen?
Thygesen: Wir arbeiten mit Partnern wie Deutsche Telekom, Microsoft, Salesforce und SAP zusammen. Wir müssen unser Marketing verbessern und sichtbarer werden, und wir investieren in Vertriebsmitarbeitende. Wir nennen unsere besten Kunden als Beispiele und Testimonials. Zu sehen, dass die größten Namen DocuSign nutzen, gibt neuen Kunden Sicherheit. Zudem ist die Regierung sehr daran interessiert, die Digitalisierung umzusetzen und will Verbrauchern und Unternehmen dazu die entsprechenden Impulse geben. Dazu passen unsere Produkte perfekt. All das kommt uns sehr gelegen. Dennoch wird es mehrere Jahre dauern, dorthin zu gelangen, wo wir hinwollen.
Mit welchen Argumenten hoffen Sie die CEOs von deutschen Mittelstandsunternehmen zu überzeugen, digitale Technologie wie DocuSign zu nutzen?
Thygesen: Erstens frage ich mich, warum sie es nicht schon längst getan haben. Ich kann ihre Gedanken nicht lesen, aber ich vermute, dass deutsche KMU in der Vergangenheit vor allem bei Produkten und der Produktexzellenz im Wettbewerb standen – nicht im Bereich ihrer internen Effizienz. Ich denke aber, dass interne Abläufe immer wichtiger werden und der Druck auf deutsche Unternehmen steigt. Darüber hinaus ist die Belegschaft mit dem Zustand sehr unzufrieden, wie Untersuchungen zeigen. Um aber die richtigen Arbeitskräfte anzuziehen, muss man auch intern effizienter und besser sein.
Was sind weitere Argumente?
Thygesen: Deutsche Unternehmen legen Wert auf Sicherheit und Datenschutz und darauf, dass digitale Produkte rechtliche Anforderungen erfüllen. Natürlich ist unsere Software rechtmäßig und entspricht den höchsten Sicherheits- und Datenschutzstandards. Wir wenden zudem die fortschrittlichsten und qualifiziertesten Sicherheitsstandards an und arbeiten mit Partnern, wie zum Beispiel Microsoft und der Telekom, zusammen, um eine vollständige Datenlokalisierung zu gewährleisten. Ich denke, dass DocuSign bereits heute so einfach eingeführt werden kann und die geschäftlichen Vorteile so klar sind, dass offensichtlich ist: Unsere Software spart Zeit und Geld und sorgt für ein besseres Kunden- und Mitarbeitererlebnis. Es hat einen Grund, warum wir ganz organisch angenommen werden und bereits tausende deutsche Unternehmen als Kunden haben.
Ich werde oft gefragt: Wenn ich einen Vertrag mit DocuSign abschließe, ist er dann „fertig”? Wie ist da der aktuelle Stand?
Thygesen: In den meisten Fällen ja. Es gibt einige Fälle, in denen Sie anschließend eine händische Signatur auf Papier einholen müssen, aber Sie können diese Formalität später erledigen. Im Allgemeinen ist die Unsicherheit kulturell geprägt und zeigt eher einen allgemeinen IT-Konservatismus als rechtliche Probleme. Gerne vermitteln wir eine Reihe von Anwaltskanzleien, die in diesem Bereich beraten. Ich glaube aber, es handelt sich weniger um ein rechtliches Problem als um ein Problem in der Wahrnehmung.
Mal angenommen, ich leite ein Unternehmen mit fast 100 Mitarbeitenden. Was müssen wir tun, wenn wir DocuSign einführen wollen?
Thygesen: Sie können sich einfach auf der Website anmelden oder einen Anruf mit einem Vertriebsmitarbeiter vereinbaren. Dass es einfach ist, sich anzumelden, beweisen unsere weltweit 1,4 Millionen Kunden. DocuSign können Sie außerdem mit all Ihren vorhandenen Tools kombinieren. Sie können unsere Anwendungen zum Beispiel mit ihren bestehenden Microsoft-Systemen oder Salesforce-Systemen verknüpfen – was auch immer Ihre Systeme sind, wir bieten über 400 Integrationen mit den gängigsten Geschäftsanwendungen.
Klingt leicht.
Thygesen: Sehr leicht. Das ist praktisch Verbraucherniveau, deshalb haben wir so viel Erfolg. Was die deutschen Verbraucher anbelangt, haben Sie wahrscheinlich Recht, dass wir ehrgeizig sind und das sehen wir in unseren Marktstudien: Wir liegen gut, aber nicht vergleichbar mit unserer Position in Frankreich, Großbritannien und den USA. Wir haben über eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer, die mit DocuSign unterschreiben. Nur die großen Unternehmen, die Microsofts, Amazons und Apples dieser Welt können sonst solche Zahlen vorweisen. Das haben wir nur erreicht, weil Dokumente mit DocuSign einfach zu versenden und leicht zu unterschreiben sind.
Wer ist Ihre Zielgruppe?
Thygesen: Im deutschen Markt setzen wir vor allem auf die Fertigungsbranche: Jeder, der Komponenten kauft und international verkauft, hat sowohl Vereinbarungen mit Kunden als auch mit Lieferanten. Sie alle sollten am besten DocuSign verwenden. Und wenn sie international tätig sind, sind ihre Kunden ohnehin schon bestens mit DocuSign vertraut (lacht). Was wir heute in Deutschland und in Europa im Allgemeinen sehen: In einem Unternehmen arbeiten wir mit der Personalabteilung, in einem anderen Unternehmen mit dem Vertrieb, in einem weiteren mit Marketing. Wir versuchen nicht nur, mehr Unternehmen für uns zu gewinnen, sondern den Einsatz auf mehrere Abteilungen auszuweiten, weil DocuSign für jeden Unternehmensbereich wertvoll ist.
Wie viele Kunden haben Sie in Deutschland?
Thygesen: Eine Zahl kann ich Ihnen nicht nennen, aber wir haben allein mit der Telekom über tausend Kunden.
Es sollen jedoch 100.000 werden?
Thygesen: Ja, 100.000 Kunden wären großartig. Weltweit sind wir bei 1,4 Millionen, für Deutschland sind 100.000 tatsächlich eine gute Schätzung (lacht). Wir sind heute nicht annähernd bei 100.000, aber verrückt ist die Zahl nicht. Wir haben einen besonders positiven Ausgangspunkt. Ich habe einen Großteil meiner Karriere damit verbracht, mittelständische Unternehmen zu unterstützen (Anm.: Der gebürtige Däne war zwölf Jahre lang bei Google tätig und leitete u.a. das globale SMB-Werbegeschäft): Wenn sich die digitale Transformation wie eine überwältigende Aufgabe anfühlt ohne einen möglichen Fahrplan, können KMU sie recht einfach immer wieder auf den nächsten Tag verschieben. Einfache, iterative Schritte sind hingegen viel besser mit der Denkweise von KMU zu vereinbaren. Diese Anforderungen erfüllen wir. Besonders für den Mittelstand in Deutschland bin ich deshalb sehr optimistisch.
Wie stehen Sie zu Smart Contracts?
Thygesen: Ich möchte, dass DocuSign ganz vorne mitmischt. Wir müssen allerdings noch ein bisschen mehr an den Grundlagen arbeiten. Sobald das der Fall ist, kann man den Vertrag in seine Komponenten und Metadaten zerlegen. Letztendlich sollten Verträge zu dynamischen, datengesteuerten Abläufen werden. An dieser Vision arbeiten wir mit einigen sehr großen Unternehmen in Deutschland wie MIG Fonds. Ich denke, vor einer solchen Anwendung sind wir jedoch noch ein paar Jahre entfernt. Interessant ist sie besonders für Großunternehmen; kleine Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren wohl eher noch nicht damit beschäftigen.
Was raten Sie Unternehmen, um offener gegenüber der Digitalisierung zu werden?
Thygesen: Deutsche Unternehmen könnten ihre eigenen Mitarbeitenden einsetzen. Ich denke, dass diese über mehr digitale Kompetenzen und mehr Interesse verfügen, als es Unternehmen bewusst ist. In unserer kürzlich durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass viele Arbeitnehmende frustriert waren und das Gefühl hatten, sie seien digitaler als ihre Unternehmen. Als Verbraucher nutzt man digitale Dienste – aber im Büro ist es, als würde man in der Zeit zurückreisen. Es gibt unter Angestellten mehr Talent und Bewusstsein, als vielen Führungskräften klar ist. Natürlich wollen wir helfen. Wir haben auch Partner wie die Telekom, die helfen können. Meine Hauptaussage aber ist, dass DocuSign einfach ist. Ich würde nicht dafür plädieren, ein komplexes neues System einzuführen. Sie können aber ihre Verträge elektronisch unterzeichnen – das ist einfach und die Mitarbeitenden können Ihnen wahrscheinlich helfen. Und wenn Sie intern keine Kompetenz haben, unterstützen wir sie.
In einer sich schnell verändernden Welt finden es viele dennoch schwierig, eine Vision zu haben.
Thygesen: Da stimme ich zu. Ich möchte den Leuten aber vermitteln, dass sie kleine, konkrete Schritte machen können, um die Dinge mithilfe digitaler Technologien zu verbessern. Genau das können wir bieten.
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